Ein Jahr nach Karl Lagerfelds Tod: So hat sich Chanel verändert
Ein Jahr und diverse Fashion Weeks nach dem Tod von Karl Lagerfeld muss die aktuelle Kreativdirektorin von Chanel, Virginie Viard, Bilanz ziehen. Wo steht Chanel mittlerweile?
Aus der rechten Hand wurde der kreative Kopf: Nach dem Tod von Karl Lagerfeld am 19. Februar 2019 übernahm einen Tag später Virginie Viard (58) die Kreativdirektion bei Chanel. Was hat sich ein Jahr danach beim französischen Modehaus getan?
Karl Lagerfeld: Seine besten Sprüche
- "Wer heute als schön gilt, wird morgen kaum noch zum Putzen bestellt."
- "Meine Mutter hat versucht, mich für das Klavierspiel zu begeistern. Eines Tages klappte sie den Klavierdeckel auf meinen Fingern zu und meinte: 'Zeichne lieber, das macht weniger Lärm'."
- "Kinder wollte ich nie haben. Denn wenn mein Kind mir überlegen wäre, wäre mir das nicht recht gewesen, und wenn es mir unterlegen wäre, hätte mir das auch nicht gepasst."
- "Ich bin eine Art Mode-Nymphomane, der nie einen Orgasmus hat. Ich bilde mir immer ein, ich könnte es noch besser machen."
- "Man muss etwas Neues machen, wenn man den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen will."
- "Man lernt nur aus seinen Fehlern. Erfolg hat noch keinem geholfen."
- "Mir geht manches durch den Mund, bevor es mir durch den Kopf geht."
- "I'm very much down to earth. Just not this earth."
- "Man muss das Geld zum Fenster rauswerfen, damit es zur Tür wieder reinkommt."
- "Zwischen mir und dem Rest der Welt steht eine Glaswand."
- "Scham ist eine Frage der Selbstachtung."
- "Ich leide an einer Überdosis meiner selbst."
- "Am Fließband stehen, das ist Arbeit. Was ich mache, ist Freizeitgestaltung mit beruflichem Hintergrund."
- "Wenn du nicht willst, dass dir jemand die Hose herunterzieht, dann werde kein Model. Geh in ein Nonnenkloster (...)"
- "Ich habe irgendwo gelesen, dass man jetzt ein Model fragen muss, ob es sich wohl fühlt beim Posieren. Es ist einfach zu viel, von nun an kann man als Designer nichts mehr machen."
- "Wenn mich Deutsche ansprechen, um mir zu erzählen, dass sie auch Deutsche sind, sage ich immer: Da gibt's 80 Millionen von."
- "Es zeugt von geringem Niveau, teure Kleidung zu kaufen, um anderen den Reichtum zu beweisen."
- "Ich hasse das Wort billig. Menschen sind billig, Bekleidung ist dagegen teuer oder preiswert."
- "Jogginghosen sind das Zeichen einer Niederlage. Man hat die Kontrolle über sein Leben verloren und dann geht man eben in Jogginghosen auf die Straße."
- "Eine Frau ohne Stil hat auch in einem Kleid mit Stil keinen Stil."
- "Ein Selfie ist elektronische Masturbation."
- "Es gibt Menschen, die legen sich an den Strand und warten dort, dass die Inspiration zu ihnen kommt. Nur kommt die Inspiration nicht einfach an den Strand."
- "Mode ist die Nachahmung derer, die sich unterscheiden wollen, von denen, die sich nicht unterscheiden."
- "Der emanzipierten Frau ins Stammbuch: Wer Ellbogen zeigt, kann auch Knie zeigen."
- "Lady Diana war hübsch und irgendwie süß. Aber allen voran auch dumm."
- "Der Mode entkommt man nicht. Denn auch wenn Mode aus der Mode kommt, ist das schon wieder Mode."
- "Jugend ist eine neue Form des Rassismus, eine Obsession. Es ist die einzige soziale Ungerechtigkeit, die es wirklich gibt."
- "Das Rauskommen nach einer Schau ist eine gute Disziplin für mich. Denn ich muss aufpassen, dass ich nicht aussehe wie ein alter Gartenzwerg zwischen all diesen 20-Jährigen."
- "Nichts macht einen älter, als wenn man versucht, jung auszusehen."
- "Zukunft ist die Zeit, die übrig bleibt."
Altbekanntes in neuem Gewand?
Ihre wahre Feuertaufe hatte Virginie Viard eigentlich erst im Sommer 2019. Damals musste sie beweisen, dass die 30 Jahre an der Seite des Modezaren Früchte getragen haben. Auf der Paris Fashion Week präsentierte Chanel Altbekanntes in nicht ganz neuem Gewande. Die erste Haute-Couture-Kollektion der Französin wies hier und da zwar geringe Abweichungen von den sonst bekannten Schnittmustern auf, alles in allem führte sie das Werk Lagerfelds jedoch fort.
Nicht nur die auf halber Höhe frisierten Zöpfe, welche die Models auf dem Catwalk trugen, weckten Erinnerungen an Lagerfeld. Auch das Setting der Modeveranstaltung schien ihm zu Ehren gewählt worden zu sein. Unter der Glaskuppel des Grand Palais hatte man den Anblick eines gigantischen Bücherregals mit Hunderten Werken darin erschaffen. Der Hintergrund: Lagerfeld galt als Literaturliebhaber. Über 300.000 Bücher sollen in seinen heimischen vier Wänden Platz gefunden haben.
Chanel wird jünger
Im Herbst 2019 präsentierte Viard Chanels Ready-to-Wear-Kollektion - wieder in Paris. Zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass die Lagerfeld-Nachfolgerin eine andere Richtung als der Modezar einschlagen würde. Kaia Gerber (18), Gigi Hadid (24) und Rianne Van Rompaey (24) liefen in extrem kurzen Hot-Pants und Anzügen mit Mini-Shorts über den Laufsteg. Das Setting: eine Nachbildung der berühmten, verzinkten Dächer von Paris.
Viard verpasste dem Chanel-Look eine Verjüngungsspritze, indem sie die typischen Tweed-Kostüme in knappe Kombishorts verwandelte. Überhaupt wirkten die Entwürfe um einiges mädchenhafter als die geradlinigen Modelle Lagerfelds. Hütchen, Mini-Kleider mit Volants und wallende Midikleider schwebten über die Dächer von Paris.
Chanel wird schlichter
Wenige Monate später offenbarte sich unter der Kuppel des Pariser Grand Palais die neue Schlichtheit von Chanel. Während Kaiser Karl Freund von großen und prunkvollen Inszenierungen war, kehrte Viard auf der Haute-Couture-Show von Chanel im Januar dieses Jahres zu den Wurzeln von Coco Chanel zurück. Das Setting war dem Klostergarten der Abtei Aubazine nachempfunden, wo die Chanel-Gründerin ihre Kindheit verbrachte.
Zwar war das ein oder andere aufwendig bestickte Kleid zu bewundern, doch fehlten Taschen, Schmuck und Accessoires gänzlich. Virginie Viard ließ sich von der Schlichtheit des Ortes inspirieren: "Interessant fand ich den Gegensatz zwischen der anspruchsvollen 'Haute Couture' und der Einfachheit dieses Ortes", erläutert sie.
Die Bilanz
Am Ende besinnt sich die aktuelle Kreativdirektorin also auf das, was das französische Traditionshaus ausmacht: Gründerin und Stil-Ikone Coco Chanel. Und Karl Lagerfeld? Der wusste schon immer, dass der Blick voraus mehr bringt, als in der Vergangenheit hängenzubleiben: "Zukunft ist die Zeit, die übrig bleibt." Merci, Karl!