Robert Harris: "Es ist nicht falsch, über Hitler zu lachen"

Der dritte Teil von Robert Harris' Cicero-Trilogie, "Dictator", ist auf dem Buchmarkt. Warum er zwischendrin andere Bücher geschrieben hat und was er über "Er ist wieder da" denkt, verrät der Autor im Interview.
Robert Harris hat mit "Dictator" (Heyne Verlag, 528 Seiten, 22,99 Euro) den dritten Teil seiner Cicero.Trilogie vorgelegt. Cicero weilt darin mit seinem Sekretär Tiro im Exil, kann dann aber nach Rom zurückkehren, wo er mit ansehen muss, wie die Republik zugrunde geht. Was er über Politik und die Hitler-Satire "Er ist wieder da" denkt, verrät Harris im Interview mit spot on news.
Gerade ist der letzte Teil Ihrer Cicero.Trilogie, "Dictator", erschienen. Was war das für ein Gefühl, dieses Werk nach so langer Zeit zu beenden?
Robert Harris: Das waren gemischte Gefühle. Ich spürte einerseits Erleichterung, als ich nach zwölf Jahren das Ganze beendet hatte. Auf der anderen Seite war ich auch traurig, dass ich mich von Cicero verabschieden musste, nachdem ich so viel Zeit in seiner Gesellschaft verbracht habe.
Sie haben in diesen zwölf Jahren zwischendurch auch andere Bücher geschrieben...
Harris: Ja, es waren drei andere Bücher. Das war so nicht geplant, aber dann waren diese Ideen da. Und die Trilogie hatte auch Zeit, es war nicht notwendig, jedes Jahr ein Buch rauszubringen. Ich bereue nicht, dass ich diese anderen Romane geschrieben habe. Das kam der Trilogie auch zugute: Ich bin älter geworden. Ich konnte mehr mit Cicero mitfühlen, auch er wurde älter. Sieben der zwölf Jahre habe ich allein für die Cicero.Bücher verwendet.
Ihre Bücher basieren auf wahren Ereignissen und gesicherten Quellen. Recherchieren Sie das alles selbst?
Harris: Ja. Ich beschäftige keine Assistenten. Aus der Recherche ziehe ich meine Ideen. Man muss das alles selbst machen, um es auch schreiben zu können. Hätte ich dafür Leute, wüssten diese gar nicht, nach was sie suchen sollten.
Zu Beginn des dritten Teils ist Cicero im Exil. Auch später bringt er sein Leben und seine Familie in Gefahr, weil er nicht von der Politik lassen kann. Was treibt ihn an?
Harris: Ich denke, Politik macht süchtig. Macht ist eine Droge. Vielen Politikern fällt es schwer, aufzuhören. Cicero hatte sein Leben der Politik gewidmet.
Hat die Arbeit an der Trilogie Ihre Sicht auf Cicero, Caesar und Co. verändert?
Harris: Ja, ein wenig. Von Caesar wurde ich desillusioniert, als ich mit den Büchern voran kam. Als ich darüber schrieb, was er in Gallien getan hat, wo er Hunderttausende umgebracht und die römische Republik in den Bürgerkrieg gestürzt hat, was wiederum Hunderttausende das Leben gekostet hat, hatte ich immer weniger Sympathie für ihn. Für Cato empfand ich dagegen mehr und mehr Sympathie: Er war sicher ein schwieriger Mensch, aber er hat etwas Heldenhaftes an sich. Und je länger ich mich mit dem Werk beschäftigte, desto mehr mochte ich Cicero. Er war wohl von Natur aus ein ängstlicher Mann, der sich selbst davon überzeugte, mutig zu sein. Das ist beeindruckend.
Wie hat sich Cicero über Ihre drei Bücher hinweg verändert?
Harris: Er wird älter. Vom ehrgeizigen jungen Mann zu einer Führungspersönlichkeit. Und in diesem letzten Teil verändert er sich erneut. Auf der Flucht ist er sehr ängstlich, fürchtet um sein Leben. Er geht dann aber zurück nach Rom und setzt sich dort großer Gefahr aus. Er hat es aber auch geschafft, sich selbst weiterzuentwickeln, ein anderer Mensch zu werden.
Obwohl damals eine Republik, beschreiben Sie in Ihrem Buch, wie die mächtigen Männer Roms, Caesar, Crassus und Pompeius, die wichtigen Entscheidungen unter sechs Augen fällten. Ist das auf heutige Demokratien übertragbar?
Harris: Die drei haben ja hinter den Kulissen operiert. Ich bin mir sicher, dass es auch heutzutage Menschen mit Macht gibt, die zusammenkommen, um hinter den Kulissen zu verhandeln. Sie sind heutzutage weniger mächtig als diese drei damals, die untereinander ausmachen konnten, wer die Wahlen gewinnt. Das ist jetzt sicher nicht mehr möglich. Aber diese römische Republik zu studieren, ist faszinierend. Vieles erinnert an moderne politische Kultur: der Wahlvorgang, sie nutzten Bestechung, sorgten sich um die nationale Sicherheit, die Bedrohung von außen und die Manipulation des Volkes.
Was könnten sich heutige Politiker von einem Mann wie Cicero abschauen?
Harris: Cicero hat uns den Wert des Rechtsgrundsatzes gelehrt. Was zivilisierte Menschen von Barbarei unterscheidet, sind das Gesetz und die Menschenrechte. Das ist das, was uns das Leben von Cicero zeigt. In dem Moment, in dem man die Gesetze missachtet, führt das zu desaströsen Verhältnissen. Die Machtfülle von Pompeius und Caesar endete schließlich im Untergang der Republik. Welche Lehren wir aus Cicero ziehen können? Eine einzelne Person darf nicht zu mächtig werden.
Sie haben Ihr jüngstes Buch "Dictator" genannt. Ein anderer Diktator, über den Sie geschrieben haben, war Hitler. Nach der Verfilmung von Timur Vermes' "Er ist wieder da" kam in Deutschland die Frage auf, ob man über Hitler lachen darf.
Harris: Ich habe "Er ist wieder da" nicht gelesen, aber davon gehört. Das ist eine schwierige Frage. Mein Roman "Vaterland" - in dem ich den fiktiven Albtraum beschreibe, wie die Nazis den Krieg gewonnen haben - wurde in Deutschland sehr kontrovers diskutiert. Lange konnte ich dafür gar keinen Verleger finden. Es ist erstaunlich, wie sich die Einstellung geändert hat in den vergangenen 23 Jahren seit damals. Jetzt ist das Mainstream-Unterhaltung. Über Hitler zu lachen, ist wahrscheinlich gesund und fast unvermeidlich. Das bedeutet wohl, dass das Land und die Welt sich weiterentwickelt haben. Das ist jetzt Geschichte. Ich kann jedenfalls nichts Schlechtes daran finden, über Hitler zu lachen.
Sie haben schon mit Roman Polanski zusammengearbeitet. Wird die Cicero.Trilogie auch verfilmt?
Harris: Mit Polanski will ich meinen vorangegangenen Roman "Intrige" umsetzen. Er hofft, bald mit den Dreharbeiten beginnen zu können. Aus der Cicero.Trilogie soll eine TV-Serie werden, für einen Film wäre das zu viel Material.
Würden Sie die Trilogie als Ihr Hauptwerk bezeichnen - und was kommt als nächstes?
Harris: Ja, wahrscheinlich ist das mein Hauptwerk. Die Trilogie ragt unter meinen Büchern heraus. Ich weiß nicht, ob es das Beste ist, was ich gemacht habe, aber zumindest ist es das Umfangreichste. Ich habe versucht, die Trilogie exakt anzulegen und wollte, dass sie Leuten, die sich für Geschichte interessieren, nützlich ist. Ich hoffe, dass sie weiterhin gelesen wird. Aber ich fürchte, darüber habe ich keine Kontrolle. Im Moment arbeite ich an einem neuen Buch, um was es geht, behalte ich aber noch für mich. Es wird aber in der Gegenwart spielen und sich um Politik drehen.