Erster Tatort aus Dresden: Der MDR kann es ja doch
Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) geben Ihr Debüt im Tatort Dresden. © MDR/Andreas Wünschirs
Nach 16 Jahren kehrt der Tatort nach Dresden zurück, das erste rein weibliche Ermittler-Team löst in "Auf einen Schlag" seinen ersten Fall. Geistiger Vater des neuen Dresden-Tatortes ist Drehbuchautor Ralf Husmann, der mit der genialen Büro-Sitcom "Stromberg" TV-Geschichte schrieb.
Worum geht’s?
Im Dresdner Zwinger laufen die Proben für eine Volksmusik-Show, als Toni Derlinger tot aufgefunden wird. Er war Teil des Duos "Toni & Tina", das jedoch angesichts junger Nachrücker immer mehr ins Abseits geriet. Seine Frau Tina Derlinger (Alexandra Finder) und Manager-Fossil Rollo (Hilmar Eichhorn) trauern vor allem dem Erfolg hinterher, weniger dem Toten.
Die Kommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) müssen sich nun mit Schlagern beschäftigen, unterstützt von der jungen Polizeianwärterin Maria Mohr (Jella "Chantal" Haase). Ihr Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) hingegen outet sich als Fan von Toni, Tina und deren Sachsen-seligen Liedern ("Was brauch ich New York, wenn man Zwickau haben kann").
Verdächtige gibt es reichlich: Der junge Manager Maik Pschorrek (Andreas Guenther) vertritt die dralle Laura und die Männer-Gruppe "Herzensbrecher" und will Rollo aus dem Geschäft drängen. Der wiederum hatte am Vorabend noch Streit mit Toni, wie es weitergehen soll. Außerdem plante Toni ein Buch mit Enthüllungen…fürchtet jemand um seinen Ruf?
Worum geht es wirklich?
Eigentlich ein geschickter Schachzug: Statt die Kommissarinnen langwierig einzuführen, wird gleich im ersten Fall eine dick aufgetragene Parodie auf das Schlager-Business erzählt. Wer da eine Karikatur von wem ist, sollte relativ schnell klar sein. "Auf einen Schlag" schafft es vor diesem Hintergrund, mit wenigen Stichworten Henni Sieland und Karin Gorniak hinreichend vorzustellen. Dass trotzdem private Baustellen aufgemacht (und garantiert auch weitererzählt) werden, ist dabei fast zu verzeihen.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Wer die realen Vorbilder der Schlager-Fuzzis sind, wird kaum vertuscht. Und auch wie es hinter den Kulissen der Heile-Welt-Industrie aussieht, ist wohl deutlich näher an der Realität als an der Fiktion. Man hätte dem eher piefigen MDR gar nicht zugetraut, so ironisch mit dem eigenen Programm und der eigenen Zielgruppe umzugehen. Auch die Auflösung ist nachvollziehbar – deutet sich allerdings schon sehr früh an.
Bester Auftritt
Alwara Höfels und Karin Hanczewski sind auch ohne Initiations-Rituale sofort voll da und kommen sehr sympathisch rüber. Hier und da ist die Konstellation ein wenig über-konstruiert, und die schon erwähnten privaten Problemchen sind nicht unbedingt notwendig, aber das Duo startet äußerst vielversprechend.
Als Identifikations-Figur für die Millionen Ü-50-Zuschauer gibt im Kontrast zu den Ermittlerinnen Peter Michael Schnabel. Ein Chauvi (sehr) alter Schule, der mit „diesem Internet“ nichts anfangen kann, den alten Zeiten hinterhertrauert, sich über die Kaffee-Vorlieben seiner "Mädels" wundert und sowieso zutiefst verunsichert ist, es mit so vielen Frauen auf einmal zu tun zu haben. Ein Stromberg im Tatort. Das ist alles aber leider sehr dick aufgetragen und fast schon so albern, dass man denkt, man sei in Münster.
Was muss man sich merken?
Der MDR kann es ja doch. Nach vielen Jahren voller fürchterlicher Tatorte a la Kain & Ehrlicher, Thomalla und dem misslungenen Erfurt-Experiment hat der neue Dresden-Tatort das Zeug zu einer soliden Größe. Dafür dürfen die Geschichten aber nicht in den Klamauk abrutschen, die Kommissarinnen müssen auch ernstere Fälle lösen dürfen. Zeitgemäß wäre zudem eine horizontale Erzählweise, bei der der nächste Fall an diesen aufbaut. Anknüpfungspunkte gibt es – auch abseits des Privatlebens – ausreichend.
Worauf wir durchaus verzichten können: Die permanente Erinnerung daran, dass wir hier zwei Frauen bei der Arbeit zuschauen. Für Sieland und Gorniak ist es ebenso eine Sonderstellung wie für ihren denkbar unemanzipierten Chef. Ein wenig mehr Selbstverständlichkeit würde den nächsten Fällen gut tun.
Soll man gucken?
Auf jeden Fall! Jedes neue Team hat eine Chance verdient, und die Dresdnerinnen machen ihre Sache sehr, sehr gut! Zwar ist "Auf einen Schlag" nicht immer ganz geschmackssicher – Witze über Samenproben und eine platte Ossi-Karikatur gehören eher in den Münster-Tatort – aber größtenteils gelingt es, die Geschichte in einem modernen, frischen Stil zu erzählen. Außerdem ist der Tatort mit viel Liebe zum Detail gemacht: Ordentlich Dresdner Lokalkolorit, extra komponierte Songs mit vor Ironie triefenden Texten und der besten Tatwaffe seit Langem!