Jubiläums-Tatort aus München: Schöner Scheitern

"Mia san jetzt da wo's weh tut": Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) ermitteln vor Ort. © BR/Roxy Film GmbH/Regina Recht
Wenn der Münchner Tatort zum 25-jährigen Jubiläum "Mia san jetzt da wo's weh tut" heißt, drängen sich Vergleiche zu Gicht, Rheuma und altersschwachen Knochen auf. Statt einem "g‘schissnen Champagner" gibt es für Batic und Leitmayr aber nur Espresso aus Pappbechern, zum Feiern ist ihnen beim Jubiläum nicht. Die Kommissare rennen einem Fehler hinterher – und können nur noch die Leichen aufsammeln.
Worum geht’s?
Viereinhalb Jahre für den Mord an einer rumänischen Prostituierten. Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) haben den Mörder gefunden und zu einem Geständnis gebracht – eigentlich perfekte Arbeit. Zu perfekt, findet Ivo. Als er die Akte noch einmal öffnet, findet er gleich mehrere Ermittlungsfehler. So war das Opfer am Abend der Tat mit Mia Petrescu (Mercedes Müller) unterwegs, die ebenfalls aus dem rumänischen Elendsviertel Ferentari stammt und sich in Deutschland prostituiert. Mia ist seit dem Mord verschwunden – lebt sie noch?
Bordell-Betreiber Harry (Robert Palfrader), bei dem die beiden Rumäninnen als "freie Unternehmerinnen" tätig waren, ist ein alter Freund von Ivo Batic. Hat der Kommissar sich von seinem Kumpel um den Finger wickeln lassen und war nicht hartnäckig genug? Bei der Suche nach Mia stoßen sie auf den arroganten Manager-Sohn Markus Zöller (Vincent zur Linden), der in der Nacht des Verschwindens eine Party in seinem Apartment gefeiert hat. Auf den ersten Blick hat der schnöselige Student aber nichts mit dem Fall zu tun.
Die zweite Spur in einer Wäscherei endet tragisch: Rumänin Maria, die den beiden Mädchen ihre Krankenkassen-Karte überlassen hatte, wird kurz nach dem Besuch von Batic und Leitmayr tot in ihrer Wohnung gefunden, neben ihr die Leiche des Nachbarn, der sie retten wollte. Kurz darauf werden die Ermittler zu einem Haus im Wald gerufen, auch hier zwei Tote, in diesem Fall Schläger aus dem Rotlicht-Milieu, die anhand des tätowierten Panzers auf dem Geschlechtsteil identifiziert werden können ("Ein begehrter Zureiter in diversen Bordellen…ein echter Gönner.") Doch auch Spuren der vermissten Mia finden sich in dem Haus. Batic und Leitmayr haben mit der Wiederaufnahme des Falles eine Kettenreaktion ausgelöst, die sie nicht mehr aufhalten können. Es gilt nur noch, weitere Tote zu verhindern.
Worum geht es wirklich?
Scheitern auf der ganzen Linie. Fehlerhafte Ermittlungen, dann der Ehrgeiz, die wahren Hintergründe aufzudecken und die Erkenntnis, dass sie besser die Finger von dem Fall gelassen hätten. In ihrem Jubiläums-Tatort sind Batic und Leitmayr weit entfernt davon, die souveränen Kommissare zu sein, die wir kennen. Am Ende die Erkenntnis: Wenn sich die Polizei rausgehalten hätte, wären viele Menschen noch am Leben. "25 Jahre hab ich nicht so eine Scheiße erlebt", stellt Zuhälter Harry passend fest.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Grundsätzlich ja – allerdings schlägt die Geschichte den einen oder anderen Haken zu viel, die einzelnen Erzählstränge verheddern sich leider allzu oft ineinander. Der künstlerisch angehauchte Schnitt macht es nicht besser, sondern die Verwirrung eher komplett. Gerade zum Jubiläum wäre es für den Zuschauer vielleicht besser gewesen, sich auf die – hier sehr guten – Kommissare zu konzentrieren. Und: Hätten wir Zuhälter-Harry nicht schon mal sehen müssen, wenn der doch so ein guter Freund von Ivo ist?
Bester Auftritt
Batic und Leitmayr waren in den vergangenen 25 Jahren wohl in fast jeder erdenklichen Situation. "Mia san jetzt da wo's weh tut" ist Programm – sowohl die schmerzliche Erkenntnis des Scheiterns als auch der wohldosiert verwendete Dialekt ziehen sich durch den gesamten Film. Auch wenn es schon herausragendere Fälle aus München gab, sind die beiden zum Jubiläum in einer sehr guten Form und bringen trotz der tragischen Geschichte eine gewisse Portion Humor mit.
Was muss man sich merken?
Auch gestandene Tatort-Kommissare können würdevoll scheitern und Mist bauen. Eine Erkenntnis, die es viel zu selten gibt. Und: Auch nach 25 Jahren sind Batic und Leitmayr im Gegensatz zu manch anderem Kollegen noch nicht aus der Zeit gefallen und können nach wie vor spannende Geschichten erzählen.
Soll man gucken?
Ja, " Mia san jetzt da wo’s weh tut" ist trotz manch verwirrender Wendung empfehlenswert. Die Geschichte ist zwar überfrachtet, aber sehenswerte Bilder und der vielleicht beste Tatort-Soundtrack des Jahres helfen darüber hinweg – ebenso wie das Wissen, nicht jede Wendung verstehen zu müssen. Regisseur Max Färberböck, der auch den Franken-Tatort verantwortet, findet eine gute Balance zwischen Thriller und Leichtigkeit, auch was die Dialoge angeht. Solider Krimi zum Anstoßen auf das Jubiläum - gerne auch mit etwas anderem als Espresso.