Münster-Tatort "Fangschuss": Höhö, der Dicke will Sport machen!
Tatort Münster: Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Professor Boerne (Jan Josef Liefers) gehen in Fangschuss wieder auf die Jagd. © WDR/Thomas Kost
Keine Frage, ein neuer Tatort aus Münster ist immer heißer Anwärter auf einen neuen Quoten-Rekord. Und nachdem die Zahlen zu Beginn des Jahres etwas schwächelten, zeigten erst letzte Woche die Kollegen aus Köln, dass unspektakuläre Standard-Fälle immer noch am besten ankommen. Nun sind also Boerne und Thiel dran und nehmen mit "Fangschuss" Anlauf, die 10-Millionen-Marke weit hinter sich zu lassen. Wird das was?
Die Zutaten passen jedenfalls: Nach dem üblichen Münster-Rezept werden der Kommissar und sein Leichenschnippler in abstruse Situationen hineingeworfen, die wohl lustig sein sollen. Kommissar Thiel (Axel Prahl) will plötzlich ins Fitness-Studio (Höhö), Professor Boerne (Jan Josef Liefers) hat ein neues standesgemäßes Hobby entdeckt und macht den Jagdschein (Hehe). Außerdem hadert der Professor mit lichter werdendem Haar und probiert ein neues Wundermittel aus (Hihihi). Dass Thiel ein blauhaariges Mädchen (Janina Fautz) für seine Tochter hält und beinahe rührend versucht eine Beziehung zu ihr aufzubauen, ist da schon fast tragikomisch. Und immerhin wird der Sport-Gag nicht endlos ausgewaltzt.
Aber da die Welt sich im Tatort Münster bekanntlich nicht weiterdreht und beim nächsten Fall wieder alles auf "Werkszustand" zurückgedreht wird, ist von Anfang an klar, dass Leila wieder verschwinden wird. Schade eigentlich, die Vater-Rolle gibt der Figur Thiel deutlich mehr Profil.
Die Erfinder bringen den Tatort Münster in die Spur
Überhaupt merkt man " Fangschuss" an, dass mit Jan Hinter und Stefan Cantz die beiden Ur-Väter des Münster-Tatortes für das Drehbuch verantwortlich waren. Vieles ist eine Nummer leiser und dezenter als bei den schlimmeren Schenkelklopfer-Fällen. Ein seriöser Thriller mit ernst zu nehmendem Personal ist auch dieser Tatort nicht, doch vor allem Dank Janina Fautz kann man sich "Fangschuss" zur Abwechslung ohne allzu heftiges Fremdschämen anschauen.
Fautz spielt die junge Leila auf der Suche nach ihrem Vater erfrischend locker und natürlich, im Gegensatz zu den Zeilen-Aufsagern des Stammpersonals. Erster Papa-Kandidat: Der gescheiterte Journalist Jens Offergeld (Christian Maria Goebel), der im Münsterländer Garnichts hockt und saufend auf die "ganz große Story" hofft. Zweiter Kandidat: Thiel, der im Sommer vor Leilas Geburt ebenfalls etwas mit der Mutti hatte. Der vermeintlich sterilisierte Offergeld liegt kurz darauf erschlagen auf Boernes Tisch, Leila kann im letzten Moment vor dem Mörder flüchten und versteckt sich bei Thiel. Im Alleingang versucht sie die Mörder zu erpressen, was natürlich grandios schiefgehen muss.
Thiel und Nadeshda (Friederike Kempter) finden heraus, dass Offergeld mit seinen letzten Recherchen wohl tatsächlich etwas aufgedeckt hatte, was man im agrarisch geprägten Münster einen Skandal nennt. Das Tierfutter-Unternehmen von Horst Martens (Michael Schenk) soll verseuchtes Getreide aus der Ukraine nach Afrika exportiert haben – ein mögliches Motiv für den Mord an dem Journalisten. Auch Paul Gebhard (André M. Hennicke) hätte ein Motiv: Seine Tochter ist gerade an den Folgen eines Unfalls gestorben, den Offergeld vor zwei Jahren verursacht hat. Fast in Vergessenheit gerät darüber ein toter ITler, der von seinem Balkon gestürzt wurde.
Ein neuer Rekord-Tatort?
Überschaubares Personal also, und genug Raum zum Mitlösen. Sonderlich lange braucht man nicht, um die groben Zusammenhänge zu erraten, auch wenn es am Ende wie gewohnt hanebüchen wird. Eingefleischte Münster-Fans werden " Vaddern" vermissen, trotz Taxi-Content fehlt Claus D. Clausnitzer in diesem Tatort. Auch Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) hat nur einen kurzen Alibi-Auftritt.
"Fangschuss" ist einer der besseren Münster-Tatorte, der alle Elemente enthält, die Boerne und Thiel so erfolgreich machen. Wer auf fein gestrickte Thriller steht wird ebenso enttäuscht wie Freunde der spitzen Satire, alle anderen werden zumindest gut unterhalten. Insofern wäre es kein Wunder, wenn dieser Tatort den Elf-Millionen-Rekord vom vergangenen Wochenende gleich wieder bricht!