Sterbehilfe-Tatort aus der Schweiz: Stirb langsam

Liz Ritschard (Delia Mayer) und Reto Flückiger (Stefan Gubser) im Tatort "Freitod": Schweres Thema, wenig Spannung. © ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler
Ein Schweizer Tatort zum Thema Sterbehilfe? Böse Zungen könnten jetzt anführen, die Fälle aus Luzern könne man sehr gut zur Sterbehilfe einsetzen, zumindest aber als äußerst wirksames Sedativum. Dass Sterbehilfe in der Schweiz legal ist und viele Ausländer dorthin fahren, um selbstbestimmt aus dem Leben zu treten, ist bekannt, nicht zuletzt durch Filme wie "Und morgen mittag bin ich tot". Der war gut gemacht und frisch erzählt, ganz im Gegensatz zum 2008er Tatort "Der glückliche Tod" mit Betroffenheits-Profi Lena Odenthal.
Nun also das Gleiche nochmal aus Luzern, in den letzten Jahren nicht gerade für fesselnde Nailbiter bekannt. "Freitod" ist so vorhersehbar wie ein abgenudelter Werbespot, der Zuschauer weiß zu fast jedem Zeitpunkt, was als Nächstes kommt. Die Sterbehelfer? Voll frommer Nächstenliebe. Die Gegner? Hardcore-Christen, die hinter vorgehaltener Bibel hemmungslos egoman sind. In dieser Gemengelage liegt eines Nachts die Leitung der Sterbehilfe, Helen Mathy (Ruth Schwegler) erschlagen und erstickt im Park. Dazu ein paar ungeklärter Todesfälle in der Klinik, in der – Überraschung! - die leidenschaftliche Sterbehelferin Nadine Carmenisch (Anna Schinz) arbeitet.
Und wie es sich für einen vorhersehbaren Tatort gehört, wird zunächst versucht, uns auf eine falsche Spur zu leiten. Gisela Aichinger (Barbara Magdalena Ahren) ist für einen selbstbestimmten Tod aus Deutschland gekommen, begleitet von ihrer Tochter (Susanne-Marie Wrage). Der psychisch labile Sohn Martin (Martin Butzke) vermutet jedoch die Erb-Ambitionen seiner Schwester hinter dem Tod der Mutter und wünscht den Sterbehelfern mit großer Ausdauer und noch mehr Speichel-Flug alle zehn biblischen Plagen an den Hals.
Der konsequent in depressiven Grau- und Brauntönen gehaltene Film bietet also genau das, was man von einem Tatort mit Agenda erwartet. Spricht anschließend noch Anne Will zu dem Thema? Immerhin: Die Kommissare sind nicht so platt-anbiedernd wie einst Lena Odenthal in ihrem tränenseligen Sterbehilfe-Tatort. Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) agieren wunderbar distanziert und professionell, Flückiger lässt sich von dem schweren Thema auch seine mysteriöse Romanze nicht verderben.
Wie immer ein Pluspunkt der Schweizer Tatorte: Die frischen Gesichter, die bei uns kaum jemand kennt. In "Freitod" ist es vor allem Anna Schinz, die sich ins Gedächtnis einspielt und hoffentlich noch häufiger zu sehen sein wird.
Am Ende hinterlässt einen dieser Fall aus Luzern in einem seltsamen Zwiespalt. Ein solider Film, der aber trotz aller Anstrengungen für einen Krimi einfach nicht genug Spannung aufbauen kann. Schweres und wichtiges Thema, aber durch die Vorhersehbarkeit werden die 90 Minuten sehr, sehr lang. Und weil es gerade die Luzerner sind, ist " Freitod" ein Anwärter auf die schlechteste Tatort-Quote der Saison. Dennoch ist vieles besser gespielt und durchdachter erzählt, als man es aus der Schweiz gewohnt ist.