Porsche Cayman S im sport auto-Supertest

Der Cayman S garantiert Fahrspass und Alltagstauglichkeit.

 © Herzog
5.07.2021 - 19:27 Uhr

Nach Zuffenhausener Diktion handelt es sich beim Porsche Cayman S nicht bloß um einen geschlossenen Boxster, sondern um ein charakterlich eigenständiges Sportcoupé zwischen Boxster und Carrera.

Für das vom Autor gern verwendete Statement, wonach es nicht so sehr auf das Konzept selbst ankommt, als auf den, der es bearbeitet, lässt sich eine Vielzahl von Beispielen finden – sowohl solche, die den Beweis liefern, dass aus schlechten Konzepten etwas sehr Gutes werden kann – wenn sich nur die Richtigen darum kümmern – , als auch solch leidvolle Begebenheiten, die das Gegenteil belegen. Und wenn es nicht der Mensch ist, der das Delta zwischen Anspruch und Wirklichkeit verursacht, dann ist es manchmal der berühmte Pfennigartikel, der es schafft, das Ergebnis zu versauen. Man kann also bezüglich der prognostizierten Ergebnisse sowohl im Positiven als auch im Negativen nie ganz sicher sein, was genau dabei herauskommt – wobei das Enttäuschungspotenzial vermutlich immer dann am höchsten ist, wenn in der Theorie alles in Butter ist. Womit wir mitten im Thema wären: Das von Porsche in Jahrzehnten mit wahrhaft künstlerischem Geschick weiterentwickelte Heckmotor-Konzept hat, wie die jüngsten Beispiele Carrera S und 911 GT3 zeigen, den Elfer zum zeitübergreifenden Maßstab im Sportwagenbau werden lassen – und das trotz seiner, wie die Theorie besagt, schlechten Anlagen auf Grund der ungünstigen Gewichtsverteilung. Mit dieser Einleitung konfrontiert, gerät der neue Cayman S, der laut Porsche zwischen Boxster und Carrera positioniert ist und damit eine ganz neue Sportwagen-Linie markieren soll, natürlich gehörig unter Druck: Die theoretische Betrachtung des konzeptionellen Konstrukts kann nämlich – anders als beim 911er – nur in Lobpreisungen enden.

Der Cayman – Ein wirklich eigenständiger Charakter?

An erster Stelle sei hier die Mittelmotor-Bauweise genannt, von deren konzeptioneller Richtigkeit ja das Gros der Sportwagenhersteller seit Langem überzeugt ist und die im Hause Porsche auch eine lange Tradition hat: Der Erfolg so berühmter Ahnen wie Carrera GTS, Typ 904, 910 und 962 sowie der kürzlich auf dem Höhepunkt seiner Überzeugungskraft eingestellte Carrera GT wird nicht zuletzt auch der Mittelmotorbauweise zugeschrieben, die bekanntlich für eine der wichtigsten Voraussetzungen im Sportwagenbau verantwortlich zeichnet, nämlich für eine ausgewogene Achs- und Radlastverteilung. Dass die Form des Cayman die klassischen Design- Merkmale speziell im Übergang von der stark gewölbten Dachfläche in die abfallende Heckpartie widerspiegelt, ist eine liebenswerte Reminiszenz an die alten Vorbilder, mit denen Porsche über Jahrzehnte Rennsportgeschichte schrieb. So stark die Bezüge zur Porsche-Historie im Fall des Cayman auch sind – die Realität besagt, dass die neue Baureihe ungeachtet ihres besonderen Charakters ein extrem hohes Maß an technischer Übereinstimmung mit dem Boxster offenbart. Da die stählerne Struktur auf der Basis des als Cabrio entwickelten Boxsters beruht und deshalb auch schon ohne stählerne Dachhaut eine hohe Stabilität aufweist, entstand durch die nachträgliche Integration des festen Coupédaches ein Gebilde von extrem hoher Verwindungs- und Biegesteifigkeit. Im letzten Punkt übertrifft der Cayman S den Boxster um 100 Prozent. In der Torsionssteifigkeit liegt er mit 31.500 Newtonmeter pro Grad auf dem Niveau des 911 Coupé. Porsche stellt dazu eine nette Rechnung auf: Demnach wäre das Drehmoment von 92 Cayman S-Motoren notwendig, um die Karosserie um ein Grad zu verwinden.

Die extrem hohe Steifigkeit des selbsttragenden Karosseriekörpers hat naturgemäß unmittelbare Auswirkungen auf die Präzision des Fahrwerks. Da selbst starke Fahrbahnunebenheiten nur geringen Einfluss auf die Geometrie der Karosseriestruktur nehmen, bleibt auch die Fahrwerksgeometrie stets nahezu unverändert. Was im Rennsport über Sieg und Niederlage entscheidet, nämlich das sensible Reagieren des Autos auf unterschiedliche Fahrwerkseinstellungen – und zwar in erster Linie auf Grund hoher Chassisstabilität –, spielt zwar im Serienautomobilbau wegen des vom Werk einmal definierten Setups eine weitaus geringere Rolle, aber wie sagt der Engländer: it’s nice to have ... Um den Wankwinkel, der für die Kurvenagilität eine entscheidende Rolle spielt, optimal auf diese verbesserten äußeren Bedingungen einzustellen, wählten die Fahrwerkingenieure ein gegenüber dem Boxster modifiziertes Zusammenspiel von Tragfedern und Stabilisatoren – bei grundsätzlich völlig identischen Fahrwerkskomponenten. Bei gleicher Federrate wie beim Boxster kommt an der Vorderachse nun ein härterer Stabi zum Einsatz. An der Hinterachse sind es strammere Federkennlinien und ein weicher abgestimmter Stabilisator. Das so gesteigerte Potenzial sollte der Cayman S zumindest laut Hersteller nicht nur in eine subjektiv verbesserten Agilität umsetzen, sondern auch in einer gegenüber dem Boxster S signifikant verbesserten Rundenzeit auf der Nürburgring-Nordschleife ausdrücken können.

Das Fahrwerk des Cayman gleicht dem des Boxster S

Bei aller Übereinstimmung mit den Porsche-Ansagen hinsichtlich des subjektiven Eindrucks: Den Beweis auf der Nordschleife anzutreten ist uns nicht gelungen – im Gegenteil. Während die zwei Sekunden Rückstand auf den Boxster S noch als unmaßgeblich und im Bereich der Toleranz liegend abgetan werden können, ist der Unterschied zwischen Porsche-Angabe und Testergebnis doch allzu deutlich: Mit 18-Zoll-Serienbereifung und Basisfahrwerk soll der Cayman S für eine Rundenzeit von 8.20 Minuten gut sein. Mit den optionalen 19-Zöllern, PASM-Fahrwerk und Sport Chrono Paket, also all jenen beflügelnden Goodies, die auch im Supertest-Kandidaten versammelt waren, sei der Cayman S laut Werk in der Lage, von dieser Traumzeit noch einmal neun Sekunden abknapsen zu können – 8.11 Minuten also, knapp über der Carrera S-Zeit (8.05 Minuten). Mit der rechnerischen Distanz zur Supertest-Runde – immerhin 14 Sekunden – eröffnet sich damit allerdings ein Graben, der mit den gängigen Erklärungsversuchen – Klima, Tagesform et cetera – kaum mehr zugeschüttet werden kann. Wie dem auch sei: Die gefahrene Runde war ein fahrdynamischer Festschmaus ohne den geringsten Beigeschmack: Ungemein agil, sowohl was den Motor als auch was das Fahrwerk angeht.

Unkritischer Grenzbereich

Der Grenzbereich ist völlig unkritisch; die Handhabung – Lenkung, Schaltung, Kupplung – optimal. Für Porsche generell untypisch treten allerdings an so kritischen Stellen wie an der Auffahrt Ex-Mühle leichte Traktionsschwächen auf. Das entlastete, kurveninnere Rad beginnt also unter Schub durchzudrehen. Mit Wohlwollen betrachtet hat der Verzicht auf eine Differenzialsperre allerdings auch zur Folge, dass der Grenzbereich des Cayman S sehr breit und frei von Tücken ist. Die Jubelarien, die der im Rücken installierte Boxermotor vor allem in der Nähe seines roten Drehzahlbereichs so eindrucksvoll und den Gehörgang schmeichelnd von sich gibt, könnte auch als Übersetzung dessen angesehen werden, was auch die Besatzung empfindet: reinste Freude. Das neue, 295 PS starke Cayman S-Aggregat ist erwartungsgemäß nicht von schlechten Eltern: Die Bohrung des Carrera.Motors (96 Millimeter) ist mit dem Hub des Boxster-Triebwerks (78 Millimeter) kombiniert. Daraus errechnet sich ein Hubraum von 3,4 Liter, aus dem der Vierventiler eine Leistung von 295 PS bei 6.250/min schöpft. Die Abregeldrehzahl liegt wie beim Carrera.Motor bei 7.300 Umdrehungen.

295 PS aus 3,4 Litern Hubraum

Von ihm stammen zudem sowohl die Zylinderköpfe als auch die Nockenwellen- und Ventilhubverstellung Vario-Cam Plus. Das Aluminium-Kurbelgehäuse ist ebenfalls weit gehend identisch mit dem des 3,6-Liter-Motors aus dem 911 Carrera. Was die Fahrleistungen des in vollem Ausstattungsornat und mit gefülltem 64-Liter-Tank 1.412 Kilogramm schweren Testobjekts angeht, bleibt der Cayman S allerdings ebenfalls hinter den Erwartungen zurück. Den Sprint auf 100 km/h schaffte der gelbe Zweisitzer bei Außentemperaturen um 28 Grad Celsius in 5,7 Sekunden – 0,3 Sekunden über der Werksangabe. Auch die Vorgabe für den Wert bis 200 km/h – 18,6 Sekunden – verfehlte der Cayman S mit 19,8 Sekunden.

Den Beleg dafür, dass entweder das versprochene Leistungsangebot am Messtag nicht zur Gänze vorhanden war und/oder sich das gegenüber der Werksangabe doch deutlich erhöhte Leergewicht (1.412 gegenüber 1.340 Kilogramm) dämpfend auf das Temperament auswirkt, zeigen auch die Durchzugswerte, etwa von 80 bis 120 km/h im vorletzten fünften Gang. Porsche spricht von 6,6 Sekunden, der Messwert beträgt 7,1 Sekunden. Inwieweit sich diese weniger gefühlsmäßig als auf der Uhr eindeutig schlechteren Fahrleistungen auf die Rundenzeiten auswirken, lässt sich zahlenmäßig nur schwer beziffern – dass sie es tun, steht außer Frage. Ein stichhaltigen Hinweis darauf, dass die allseits hoch gelobten Michelin Pilot Sport 2 in der Porsche-Spezifikation N1 in jüngster Zeit möglicherweise eine Optimierung in Hinblick auf ihre Nassgripeigenschaften erfahren haben und deshalb im Trockenen Leistung eingebüßt haben, geben allerdings die Resultate im Nasshandling. Der gleich bereifte, um 15 PS schwächere und geringfügig schwerere Boxster S (1.426 Kilogramm), der seinem geschlossenen Bruder sowohl auf der Nordschleife, als auch bei den Fahrdynamiktests einen einschenkte, war auf dem bewässerten Handlingkurs interessanterweise um fast zwei Sekunden langsamer unterwegs als der Cayman S – das lässt tief blicken.

Der Cayman schlägt den Boxster im Nasshandling

Auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim, wo der Cayman S sozusagen als Ausgleich für die erlittene Schmach mit einer Zeit von 1.15,9 Minuten die Pace macht ( Boxster S : 1.16,2 Minuten), bringt das Coupé sein Plus an Leistung stärker ins Spiel. Am Ende der Zielgeraden standen 182 km/h auf der Uhr; der Boxster S brachte es an gleicher Stelle auf 178 km/h. Mit den fahrdynamischen Unterschieden zwischen den beiden ungleichen Porsche-Brüdern ist es also keineswegs soweit her, wie vom Werk prophezeit. Woher soll’s auch kommen, wenn die technischen Voraussetzungen bei beiden Modellen so ähnlich sind? Ein kleiner Vorteil hinsichtlich des Setups hier und ein kleiner Einbruch auf der Reifenseite dort – und schon sind die Karten neu gemischt. Unter exakt gleichen Bedingungen, mit identischem Reifenmaterial und auf beiden Seiten optimal angepasster Fahrwerksgeometrie sollte der Cayman S schon auf Grund seines – wenn auch geringen Leistungsplus – seinen Frontsplitter ein Stück weit vorn haben. Aber wie heißt es doch so treffend: Alle Theorie ist grau. P.S.: Die auffällige Nervosität des Testwagens in puncto Geradeauslauf bei hohem Tempo in schnellen, mit Bodenwellen gespickten Autobahnkurven, die sich durch starke Einflüsse der vertikalen Radbewegungen in der Lenkung einstellte, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht konzeptioneller Natur ...