Konfliktherd Reißverschlussverfahren

In der Theorie ist das Reißverschlussverfahren relativ simpel. In der Praxis könnte man aber meinen, dass es sich hierbei um eine Mischung aus Raketenwissenschaft und Hexenwerk handeln muss. Wir erklären, wie es richtig geht und was es zu vermeiden gilt.

Zur Auffrischung einmal kurz der Gesetzestext: „Ist auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder endet ein Fahrstreifen, ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass… 

…sich diese Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können (Reißverschlussverfahren).“ (§ 7 Straßenverkehrsordnung, Absatz 4) 

Auf Deutsch übersetzt bedeutet das: Wird ein Fahrstreifen unbefahrbar oder endet, sollen die Fahrer auf der wegfallenden Spur so weit wie möglich vorfahren, bevor sie die Spur wechseln. Die Fahrer auf der durchgehenden Spur sollen am Verengungspunkt dem Fahrzeug, dass dem Beginn der Verengung am nächsten ist, das Einfädeln ermöglichen, bevor sie selbst weiterfahren.

Das bedeutet nicht, wir wiederholen, NICHT, dass man bereits hunderte von Metern vor dem Verengungspunkt das Tempo verringert, um so früh wie möglich in die durchgehende Spur zu kommen. Dadurch erreicht man eher, dass der Stau sich verschlimmert, weil die befahrbare Strecke nicht maximal ausgenutzt wird. 

Genauso wenig bedeutet es, sich auf der freien Spur über Leute aufzuregen, die das Prinzip nicht nur verstanden haben, sondern es auch anwenden wollen. Fahrer, die ganz bis zur Verengung vorfahren, gehören nicht für „Vordrängeln“ bestraft, sondern in die freie Spur reingelassen. 

Um Verkehrsteilnehmer rechtzeitig auf die Situation hinzuweisen, gibt es Verkehrsschilder, die auf eine anstehende Verengung der Fahrbahn hinweisen. Zum Beispiel:

Ein dreieckiges Schild mit rotem Rand und zwei schwarzen Linien. Eine der Linien verläuft gerade durch, die andere Linie knickt in der Mitte ein. Die Linie mit dem Knick steht für die Spur, die blockiert ist, beziehungsweise endet.

Ein viereckiges Schild mit zwei schwarzen Pfeilen. Auch hier stehen der gerade Pfeil für die durchgehende Spur und der einknickende Pfeil für die wegfallende Spur. Das Schild kann auch durch Anweisungen wie „Reißverschluss“, „Reißverschlussverfahren“, „Einfädeln lassen“ und eine Meter-Angabe ergänzt werden.

Ein Schild, auf dem das Reißverschlussverfahren sogar bildlich dargestellt wird. Wie man erkennen kann, fädelt sich nur das Fahrzeug, das unmittelbar vor der Fahrbahnverengung ist, in die freie Spur ein. Die Fahrzeuge dahinter fahren ganz bis zur Engstelle vor, wie es sich geziemt.

Auch elektronische Leuchttafeln, wie zum Beispiel diese hier, können auf eine Spurverengung hinweisen.

Das Reißverschlussverfahren ist übrigens nicht nur dann anzuwenden, wenn es durch ein Schild angekündigt wird, sondern immer, wenn die Bedingungen dafür eintreten. Für Beschleunigungsstreifen gilt es natürlich nicht.

Ein paar Worte zur Haftung bei Unfällen: Der Spurwechsler hat erhöhte Sorgfaltspflicht. Das Einfädeln darf nicht erzwungen werden und man sollte sich auch nicht blind darauf verlassen, reingelassen zu werden. 

Wenn sich also beim Reißverschlussverfahren zwei finden, liegt in der Regel ein Großteil der Haftung beim Spurwechsler. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat zum Beispiel in einem Fall dem Spurwechsler eine Haftungsquote von 70 Prozent zugeschrieben. In einem anderen Fall hat das Oberlandesgericht München die komplette Haftung für den Unfall auf den Spurwechsler übertragen.

Bei Missachtung des Reißverschlussverfahrens drohen neben erhöhtem Blutdruck anderer Verkehrsteilnehmer auch Bußgelder:

- Vorfahrt missachtet/am Hindernis vorbeigefahren: mindestens 20 Euro, 30 Euro mit Gefährdung, 35 Euro mit Unfallfolge

- Kein Blinker beim Spurwechsel: 10 Euro

- Kein Blinker beim Einordnen: 10 Euro

Noch einmal zusammengefasst: Wird ein Fahrstreifen unbefahrbar oder endet, ist das Reißverschlussverfahren anzuwenden. Auf der durchgehenden Spur bis zur Fahrbahnverengung vorfahren, das vorderste Fahrzeug, und nur das vorderste Fahrzeug, auf der wegfallenden Spur reinlassen und dann weiterfahren. 

Auf der wegfallenden Spur ganz bis zur Engstelle fahren, blinken, warten, bis man reingelassen wird, einfädeln und weiterfahren. Im Idealfall geschieht dies direkt. Blind verlassen oder darauf beharren sollte man allerdings nicht. Zum Abschluss ein guter Tipp für das Reißverschlussverfahren und den Straßenverkehr allgemein: Immer cool bleiben.