24h-Rennen Le Mans 2017

Renn-Strategen sitzen am Kommandostand an der Boxenmauer. Nicht alle. Urs Kuratle verfolgt die 24 Stunden von Le Mans in der Porsche-Lounge. Weil er für seinen Job 16 Bildschirme braucht.
Le Mans hat sich das Leben schwer gemacht. Bei Unfällen will der Veranstalter Safety Cars vermeiden. Stattdessen wurden so genannte „ Slow zones“ eingerichtet. Wenn dort Gelb blinkt, müssen die Fahrer vom Gas. Das Speedlimit von 80 km/h erlaubt es den Helfern, an beschädigten Absperrungen zu arbeiten, ohne dass das Rennen gestoppt werden muss.
Le Mans ist in neun Slow zones unterteilt. Wegen ihrer unterschiedlichen Länge kann es rennentscheidende Bedeutung haben, wo es einen gerade erwischt. Für die Strategen ist der Ernstfall deshalb ein wichtiger Punkt. Sie haben jedoch ein Problem. Die Rennleitung ist mit ihren Hinweisen nicht immer exakt.
Verwirrung um Slow zones, Sektoren und Kurven
Da der 13,629 Kilometer lange Kurs auch noch in 3 große und 35 kleine Sektoren, 33 Kurven und zahlreiche Flaggenposten unterteilt ist, kommt es bei der Information der Gefahrenpunkte schon genau darauf an, wie präzise die Information ist. „Und da geht es zwischen Slow zones, Flaggenposten und Kurven gerne hin und her“, weiß Urs Kuratle. Der Schweizer ist bei Porsche dafür da, die Meldungen der Rennleitung zu deuten und zu überprüfen. So können sich Chefingenieur Steven Mitas und Chef-Taktiker Emiliano Giangiulio auf das Rennen konzentrieren.
Kuratle verbringt das Rennen nicht an der Boxenmauer, sondern in der Porsche-Lounge im ersten Stock des Boxengebäudes. Dort ist Platz für 16 Monitore, auf denen das Bild der Streckenkameras eingespielt wird. „So weiß ich immer genau, wo auf der Strecke was los ist. Wenn der Rennleiter wieder mal in Kurvennummern spricht, obwohl er Sektoren oder Slow zones meint, wissen wir hier immer Bescheid was wirklich Sache ist.“
Kuratle berichtet dann an die Renningenieure, an welcher Stelle des Kurses Gefahr droht oder wie weit weg die Fahrer von der Gefahrenstelle noch sind. Die Fahrer werden dann von ihren Ingenieuren instruiert. Und zwar in Kurvennamen und nicht Nummern. „ Bei uns ist T16 Mulsanne und T22 Arnage. Die Fahrer kennen alle Kurven mit Namen“, erzählt der Schweizer. Der Mann im Cockpit erfährt übrigens erst kurz vorher davon, dass er vom Gas gehen muss. „Oft hebt sich eine gelbe Flagge schon wieder auf, bis der Fahrer dort angekommen ist. Wir wollen ihn nicht mit unnötigen Informationen belasten.“
Ein Wettermann und drei Spotter
Gelbe Flaggen werden direkt von der Rennleitung kommuniziert. Für die Einrichtung einer Slow zone gibt es einen Vorlauf von 30 Sekunden. „Bei den gelben Flaggen sind wir noch nicht so weit, wie in der Formel 1. Da drückt Charlie Whiting auf einen Knopf und alle wissen sofort Bescheid, wann und wo. Bei uns muss die Assistentin des Rennleiters erst eine Nachricht schreiben, die auf Seite 4 des Zeitenmonitors ausgegeben wird“, erzählt der frühere Chefmechaniker von Sauber.
Auch beim Wetter überlässt Porsche nichts dem Zufall. Der Chefmeteorologe sitzt an der Strecke. Er postiert drei Spotter rund um das Gelände. Die Entfernung und Positionierung hängt davon ab, aus welcher Richtung das Wetter kommt und wie schnell sich die Wetterzonen bewegen. Die Informationen der mobilen Spione laufen in der Zentrale ein und werden dort mit einer speziellen Software in einer möglichst exakte Wetterprognose aufbereitet.
Diesmal müssen die Wetterfrösche keinen Regen befürchten. Damit wird das Rennen deutlich einfacher. Trotzdem kommt den Spottern Bedeutung zu. Jede Wolke kann Einfluss auf die Asphalttemperatur haben. Und von der hängt ab, ob der harte, der mittlere oder der weiche Reifen gerade geeignet sind.