Erster Q3-Reifensatz verwirrt Rosberg

Lange sah es nach einem Kopf-an Kopf-Rennen um die Pole Position zwischen den Mercedes-Fahrern aus. Doch dann sicherte sich Lewis Hamilton die 44. Pole Position seiner Karriere mit einer überlegenen Bestzeit. Nico Rosberg ließ sich vom ersten Q3-Reifensatz in die Irre führen.
Es war ein nettes Zahlenspiel: Die Startnummer 44 feierte seine 44. Pole Position. Die 4. in Kanada. Lewis Hamilton steht mit 1.14,393 Minuten überlegen auf dem besten Startplatz. Der Vorsprung auf Nico Rosberg beträgt komfortable 0,309 Sekunden. Kimi Räikkönen liegt mit 0,621 Sekunden noch deutlicher zurück.
Der große Vorsprung auf den Teamkollegen und den größten Rivalen aus der Konkurrenz kam überraschend. Im Q1 trennten die beiden Mercedes-Fahrer nur zwei Tausendstelsekunden. Im Q2 waren es 0,012 Sekunden. Und dann brach Rosberg plötzlich ein. Was mit dem ersten Reifensatz im Schlussabschnitt der Qualifikation zu tun hatte.
Extra-Reifensatz ist eine "Reise ins Ungewisse"
Rosberg ärgerte sich: "Bis dahin lief es gut. Ich hatte eigentlich einen guten Rhythmus. Plötzlich waren der Grip und die Balance weg. Das Auto übersteuerte." Als sich der Fahrer bei seiner Box erkundigte, hieß es: "Mach dir keine Sorgen. Es war unser schlechtester Reifensatz." Was die Frage aufwarf, wie Mercedes vorher wissen konnte, dass der Reifensatz schlecht sein würde? Das Team wollte darüber keine Auskunft geben.
Die Erklärung: Die erste Reifengarnitur im Q3 war jener Extrasatz Reifen, den die FIA den Top Ten zulost. Der wird erst in letzter Minute an die Teams verteilt. Deshalb können die Mercedes-Ingenieure damit nicht die aufwendige Reifenanalyse betreiben, die sie normalerweise in das Reifenstudium stecken.
Diese reicht vom Wiegen des Reifensatzes bis zur speziellen Vorbereitung des Gummis. Für die Ingenieure gilt er deshalb als "Reise ins Ungewisse". Sie stufen ihn als schlechter ein als alle anderen Reifensätze, auch wenn er es gar nicht immer ist. Es gibt nur die wenigsten Informationen über ihn.
Vom Über- ins Untersteuern./strong>
Rosberg wollte sich damit nicht zufrieden geben. "Ich kann ja nicht einfach sagen, dass der Grip schon zurückkommen wird und tatenlos zuschauen. Deshalb haben wir mit dem Reifendruck und der Frontflügelanstellung reagiert." Der Frontflügel wurde flacher gestellt, um hinten eine bessere Anströmung und mehr Abtrieb zu haben. Doch der Schuss ging nach hinten los. Aus Übersteuern wurde Untersteuern. Und so hatte Rosberg gegen einen Hamilton in Hochform keine Chance. Dem war schon die erste Runde gut gelungen.
Die zweite geriet zwei Zehntel langsamer, "weil ich mich in der zweiten Kurve quergestellt hatte." Sie hätte mit 1.14,570 Minuten immer noch zur Pole Position gereicht. Rosberg ärgerte sich: "Kleinigkeiten wie das mit dem Reifen können große Auswirkungen haben. Für die Pole Position muss einfach alles passen."
Hamilton wunderte sich darüber, wie problemlos seine Qualifikation verlief. "Ich hatte ein furchtbares drittes Training. In die ersten zwei Reifensätze habe ich mir jeweils einen Bremsplatten eingefahren. Die Reifen waren nicht mehr zu benutzen. Mir sind vor lauter Vibrationen fast die Augen rausgefallen." Als Hamilton für einen Quali-Check eine Garnitur "Supersoft" aufziehen wollte, stoppte ihn die rote Flagge.
Der Weltmeister ging praktisch ohne ein Gefühl für sein Auto in die entscheidende Zeitenjagd. "Ich war selber überrascht, wie schnell ich meinen Rhythmus gefunden habe." Mercedes schickte ihn im Q1 zwei Runden länger als üblich auf die Bahn, um das Feingefühl zu schärfen.
Ferrari wurde schneller eingeschätzt
Erstaunt war Hamilton auch über den großen Rückstand der Ferrari. "Wir sind nach unseren Analysen von 2 Zehnteln Vorsprung auf die Ferrari ausgegangen." Teamchef Toto Wolff versuchte die starke Longrun-Vorstellung der roten Autos richtig einzuordnen. "Am Freitag sah es so aus, als wäre Ferrari ein massiver Schritt gelungen. Die GPS-Messungen haben uns beunruhigt. Das passt mit den Rundenzeiten am Samstag nicht zusammen."
Mercedes geht davon aus, dass Ferrari am Freitag ungewöhnlich leicht unterwegs war. Das verwundert, denn in Montreal fährt man die Dauerläufe eigentlich mit fast vollem Tank, um zu sehen, wie stark die Bremsen beansprucht werden. Man ging bei Mercedes nicht davon aus, dass sich Ferrari selbst betrügt. Einem Ingenieur fiel noch auf: "Die Reifen haben am Ferrari stärker abgebaut als sonst. Ich würde mich wundern, wenn die im Rennen nicht unter Druck von den Autos hinter ihnen geraten."