Neue Motoren-Architektur erst 2022
Alpine will mit neuem Namen, neuer Führungsspitze und einem Rückkehrer um Podestplätze fahren. Der Fokus liegt allerdings vielmehr auf dem 2022er Projekt. Die Entwicklung von Auto und Motor ist auf die Regelrevolution ausgerichtet.
Der Rückkehrer ließ sich entschuldigen. Fernando Alonso fehlte bei der virtuellen Präsentation des neuen Alpine A521. Der Doppelweltmeister von 2005 und 2006 konzentriert sich auf die Genesung nach seinem Trainingsunfall. Die Quarantäne-Vorschriften wurden als offizielle Begründung angeführt, warum Alonso nicht zum Team nach England reiste. Virtuell hätte er sich aber durchaus zuschalten können. Renndirektor Davide Brivio war auch nicht in England, sondern in Dubai, und trotzdem irgendwie dabei – wenn auch mit technischen Problemen.
Den Italiener hatte Alpine im Winter vom Suzuki-MotoGP-Team abgeworben. Er teilt sich die Aufgaben mit Technikdirektor Marcin Budkowski. Einen klassischen Teamchef gibt es beim Rennstall aus Enstone nicht mehr. Brivio soll an der Rennstrecke den Hut aufhaben, und dafür sorgen, dass Fahrer, Mechaniker und Ingenieure das Beste aus sich und dem vorhandenen Paket herausholen, wie es so schön floskelhaft heißt. Budkowski übernimmt diesen Part in der Fabrik. Er führt die Arbeit in Viry-Châtillon (Motoren) und Enstone (Chassis) zusammen. Die beiden berichten an Alpine-CEO Laurent Rossi.
Der neue Boss gab das Saisonziel aus. "Wir wollen mindestens so gut sein wie letztes Jahr. Und ein dauerhafter Anwärter auf Podestplätze sein." 2020 schaffte es Renault, das jetzt Alpine heißt, dreimal auf das Podest und wurde Fünfter in der Team-Weltmeisterschaft. Fahrer Esteban Ocon meint: "Wenn das Auto gut für Platz fünf ist, müssen wir sicherstellen, immer Fünfter zu werden. Die Aufgabe ist es, an jedem Wochenende das Maximum herauszuholen. Dann werden wir auch in der Weltmeisterschaf gut abschneiden." Fehlende Konstanz war es, die Renault im Vorjahr ein besseres Abschneiden in der WM kostete.
Präsentation mit vielen Worthülsen
Es war eine Fahrzeug-Präsentation mit ein paar Wacklern. Alpine-Fans können nur hoffen, dass die technischen Gebrechen in der virtuellen Welt kein Vorbote waren für die Realität an der Rennstrecke. Brivio war erst flüssig zu hören, als ihm die Kamera abgeklemmt wurde. Ohnehin war die Vorstellung des neuen A521 von vielen Worthülsen und Floskeln umgeben. Es gab wenig Greifbares. Schade: In einer Welt, die wegen Corona kaum Begegnungen erlaubt, sollte maximale Transparenz eigentlich das oberste Gebot sein. Das gilt aber für alle Teams.
Große Unterschiede zu den Vorjahresmodellen macht nur der geübte Beobachter aus. Umso mehr sollte man Journalisten einbinden, mit ihnen offen sprechen, weil die dann den Fans erklären, was an der Technik gemacht wurde – trotz der Homologationsvorschriften, die eine Übernahme des Chassis und vieler Komponenten vom 2020er Auto mit sich bringen.
Zwei Entwicklungstoken erlauben es den Teams, eingefrorene Fahrzeugteile für die neue Saison neu aufzusetzen. Alpine setzte seine dafür ein, das Heck des A521 umzubauen. "Wir haben uns auf den hinteren Teil des Autos konzentriert, weil dort die Änderungen vom Reglement und die Auswirkungen am größten sind", sagt Technikchef Budkowski. Konkreter wird er nicht, leider.
Auf die Geheimniskrämerei angesprochen entschuldigt sich Technik-Direktor Pat Fry: "So sind wir Formel-1-Ingenieure einfach. Wir hören jetzt nicht einfach damit auf. Wenn wir bei anderen Autos eine interessante Lösung finden, dann probieren wir die direkt in der Computer-Simulation aus. Und wenn es sich lohnt, ist es innerhalb von einem Tag im Windkanal."
Evolution bei Auto und Motor
Alpine spricht von einer Evolution bei Auto und Motor. Auf den Computer-Animationen fallen vor allem die geänderten Seitenkästen auf. Der Shakedown, den Esteban Ocon im neuen Auto am Mittwoch (3.3.) über 100 Kilometer in Silverstone absolvierte, brachte etwas mehr Aufschluss. Auch wenn Alpine selbst nur vier Bilder veröffentlichte, die mehr den Piloten als das Auto zeigten. Auf Videos war wenigstens ein bisschen was zu erkennen.
Für die aerodynamischen Oberflächen braucht es nicht den Einsatz von Token. Bleiben eigentlich nur das Getriebe und die Hinterradaufhängung übrig. Und da haben die Alpine-Ingenieure augenscheinlich an der Hinterradaufhängung Hand angelegt und die Geometrie verändert. Das kann sowohl mechanische als auch aerodynamische Vorteile bringen. Ein neues Getriebe würde beim Schaltvorgang zwar keine Rundenzeit bringen, doch eine verschlankte Konstruktion schafft mehr Freiheiten im Heck. Ferrari zum Beispiel hat diesen Weg eingeschlagen, hört man.
Die Kühler im Seitenkasten scheinen anders positioniert. Beim Übergang in den Cola-Flaschenhals wirkt der Alpine A521 weitaus weniger aggressiv als zum Beispiel der Mercedes oder der Red Bull. Zwischen den Zeilen war herauszuhören, dass Alpine zwar gut in die neue Ära starten möchte, doch der Fokus vielmehr auf 2022 und darüber hinaus liege. Die Ressourcen hat man ganz offenbar schon zum Großteil auf das 2022er Auto verlagert.
2022 neue Motor-Architektur von Alpine
Das gilt auch für den Motor. Ferrari kündigt eine neue Power Unit an, die dafür sorgen soll, dass die roten Schnecken endlich wieder über die Geraden fliegen. Aus dem Red Bull.Honda-Lager ist zu hören, dass die Japaner noch einmal alles in Bewegung gesetzt haben, um endlich zu Mercedes aufzuschließen. Das bedingt größere Änderungen. Der Klassenprimus selbst spricht davon, einen neuen Turbolader verbaut, den Motorblock in eine andere Legierung gehüllt und die MGU-K sattelfester gemacht zu haben. Dazu kämen "einige komplett neue Innovationen, die zum ersten Mal in einer Renn-Power-Unit zum Einsatz kommen werden".
Von Renault-Seite sind keine großen Ankündigungen zu hören. Nur so viel: "Unser Motor war schon im letzten Jahr gut. Der diesjährige Motor ist eine Evolution davon. Es gibt Veränderungen, und etwas mehr Leistung", sagt Budkowski. Anders als im letzten Jahr: Da beschränkte sich Renault einzig auf die Standfestigkeit.
Den Entwicklungsschritt für mehr Power musste man aufschieben. Corona und einhergehende Regeländerungen führten dazu, dass unter der Saison keine Motoren-Updates erlaubt waren, und es der weiterentwickelte V6-Turbo deshalb erst jetzt ins Auto schafft. "Unser für 2021 geplantes Projekt wurde wegen der Fabrikschließung nicht fertig. Das haben wir also auf 2022 verschoben", entschuldigte sich Motorenchef Remi Taffin.
Ein Großumbau für diese Saison wäre zeitlich eine Mammutaufgabe gewesen. Klar ist aber auch: Wie in Enstone stehen in Viry-Châtillon die Uhren längst schon auf 2022. Dann ist ein kompletter Umbau des Power-Unit-Layouts geplant. Die Motoren-Ingenieure kokettieren damit, Turbine und Kompressor nach Mercedes-Vorbild zu trennen. Beim Klassenprimus sitzt der Kompressor an der Vorderseite des V6, die Turbine hinten. Eine Welle, die durch das heiße V führt, verbindet sie.
Budkowski bezieht sich bei der Aufteilung der Ressourcen nicht nur auf das Budget, sondern wohl auch auf die Nutzung des Motoren-Prüfständs. Um die Kosten auch hier zu reduzieren, verfügte die FIA bereits 2020 ein Limit für die Prüfstandstunden. Mercedes-Motorenchef Hywel Thomas erklärt den Unterschied zu früher: "Wir müssen jetzt früher entscheiden, auf welche Projekte wir uns konzentrieren, weil wir es uns nicht leisten können, wertvolle Stunden auf dem Prüfstand für Ideen aufzuwenden, die es nicht ins Auto schaffen." Oder weitergedacht: Wer hier für 2021 etwas opfert, kann mehr in den 2022er Motor investieren. Offenbar ist das bei Alpine der Fall.
Hoffnung auf Regel-Revolution
Im kommenden Jahr erlebt die Formel 1 auf der Chassisseite ihre wahrscheinlich größte Revolution der Geschichte. Doch bei allen Änderungen wird auch dem Motor weiter eine besondere Bedeutung zukommen. Nicht nur wegen der Leistung, sondern vor allem wegen des Einbaus. Das neue Chassis wird zwangsläufig zu anderen Anlenkpunkten und zu einer geänderten Installation führen. Wer Motor, Elektromaschinen, Batterie, Kühler, Steuergeräte kompakt und platzsparend unterbringt, profitiert bei der Aerodynamik. Der Umstieg auf E10-Sprit verändert den Verbrennungsprozess, was Entwicklungsarbeit bedarf, um Power und Effizienz beizubehalten.
Alpines Zielsetzung ist es, mit dem neuen Reglements-Zyklus zur Spitze aufzuschießen – bei Chassis und Motor -, um mittelfristig um Siege und die Weltmeisterschaft zu fahren. Alonso, der große Hoffnungsträger, wird in diesem Jahr 40. Da hat man nicht mehr viel Zeit. 2022 oder spätestens 2023 – sofern Alonsos Geduld nicht vorher reißt – sollte der Großangriff schon gelingen.