Briten und Bayern im Titelrausch

Die Zeit von BMW in der Formel 1 war überschaubar. 16 Jahre als Motorenlieferant, vier Jahre mit einem eigenen Team. Doch ein Ereignis hat sich bis heute in das Gedächtnis der Motorsportfans eingebrannt. 1983 wurde BMW mit Brabham erster Turbo-Weltmeister.
Das neue Technische Reglement stellte 1983 alles Bekannte auf den Kopf. Der Unterboden musste zwischen den Rädern flach sein. Schürzen waren verboten. Der Heckflügel war 100 Zentimeter hoch, aber nur noch 100 statt 110 Zentimeter breit. Dazu durfte er nur noch 60 statt 80 Zentimeter über die Hinterreifen hinausragen. Die Maßnahmen reduzierten den Abtrieb um 25 Prozent. Das Mindestgewicht wurde als Zugeständnis an die Saugmotor-Fraktion von 575 auf 540 Kilogramm gesenkt. Allrad und Autos mit sechs Rädern waren verboten. Williams musste sein Sechsradprojekt beerdigen. Vor den Fahrerbeinen war eine 50 Zentimeter lange und 25 mal 25 Zentimeter große Knautschzone angebracht worden.
Die Ingenieure tappten nach fünf Jahren Groundeffect-Technologie völlig im Dunkeln. Das produzierte optisch höchst unterschiedliche Autos. Die Delta-Segler Brabham, Ligier und Tyrrell. Autos mit langen Seitenkästen wie der Lotus, Renault, Arrows, ATS und der Alfa Romeo. Oder mit kurzen wie der Brabham, Ferrari, Williams, March oder Spirit. Den Toleman mit zwei Heckflügeln. Den McLaren mit der Flaschenhalsform. Weil der Abtrieb vor allem im Heck fehlte, wuchsen den Heckflügeln Ohren. Wenn sie vor der Hinterachse lagen, zählten sie zur Karosserie. Die durfte 140 Zentimeter breit sein. So tricksten die Konstrukteure die neue Breitenvorschrift aus.
BT52 entstand in nur drei Monaten
Brabham hatte bereits einen BT51B nach dem Groundeffect-Prinzip konstruiert, als die FIA ihre Regelreform verkündete. Drei modifizierte Vorjahresautos wanderten ins Museum. Brabham stellte einen Notplan auf. Gordon Murray entwarf innerhalb von nur drei Monaten ein hecklastiges Auto wie ein Keil mit einem Chassis aus einem Aluminiumboden, einem Karbondeckel und einem Tank, dessen Kapazität von 220 auf 191 Liter reduziert wurde. Brabham setzte voll auf Tankstopps. Alle anderen machten es nach.
Druckstreben ersetzten an den Aufhängungen vorne wie hinten Zugstreben. Eigentlich war die Form mit dreieckigen Seitenkästen eine aerodynamische Bankrotterklärung. Die Brabham-Konstrukteure befürchteten, dass lange Seitenkästen mit einem flachen Unterboden Auftrieb produzieren würden. Also legte sie Brabham so kurz wie möglich aus. Sie konnten nur in diesem ersten Jahr der neuen Formel bestehen. Minimaler Luftwiderstand schlug maximalen Abtrieb.
Die Konzentration von fast 70 Prozent des Gewichts im Heck verbesserte die Traktion. Dafür wuchsen die Frontflügel. Zu Saisonmitte brachte Murray eine abgespeckte Version des BT52 mit kürzerer Nase. Leicht zu erkennen an einem anderen Farbschema. Mit dem Wechsel von Goodyear zu Michelin landete Brabham einen Treffer. Der Goodyear-Gummi bot mehr Grip auf eine Runde. Die Michelin-Sohlen waren ausdauernder.
So wurde der BMW-Motor standfest
Weil die Turbo-Technik noch viele Ausfälle produzierte, kamen Brabham und BMW auf die Idee, Motorwechsel zu beschleunigen. Es gab schon aus Gründen der Laufzeit mindestens drei planmäßige pro Wochenende. Die Kühler rechts und links in den kurzen Seitenkästen gehörten zu dem Hilfsrahmen im Heck, in dem auch der BMW-Vierzylinder und das Getriebe mit wahlweise fünf oder sechs Gängen ihre Heimat fanden. Musste das Triebwerk getauscht werden, wurde einfach die komplette Heckpartie ausgebaut. Das sparte Zeit.
Der Brabham BT52 war einfach zu fahren. Das kompensierte den Abtrieb.vorteil der Konkurrenz. Von der Motorleistung her mussten sich Nelson Piquet und Riccardo Patrese keine Sorgen machen. Der BMW R4-Turbo war mit unglaublichen 760 PS im Training Klassenprimus. Im Rennen reichte es immer noch zu 640 PS.
Das größte Problem war die Standfestigkeit. Eine erste Maßnahme zu einem längeren Leben war die Wahl von Uralt-Motorblöcken. Der Grauguss-Serienblock war umso stabiler, je mehr Kilometer er im Einsatz war. Für die Formel 1 wurden vornehmliche Blöcke mit Laufzeiten über 100.000 Kilometer verwendet. Darauf kam dann ein Zylinderkopf aus Aluminium. So richtig standfest wurden die bayerischen Vierzylinder aber erst in der zweiten Saisonhälfte, als Wintershall einen Spezialmix aus der Chemieküche braute. Das verhinderte die gefürchteten Klopfschäden.
Als BMW mitten in der Saison neue Turbolader einsetzte, prophezeite Piquet Motorenpapst Paul Rosche: „Jetzt gewinnen wir den Titel.“ Rosche ließ sich noch einen weiteren Trick einfallen. Ab dem GP Holland war das Wastegate-Ventil so programmiert, dass es beim Beschleunigen schon früh überschüssigen Ladedruck abblies, um die Kraft besser auf die Straße zu bringen. Die Reifen dankten es im Rennen.
630 Tage nach Debüt Weltmeister
Die Saison begann nach Maß. Piquet gewann den Auftakt in Brasilien. Nach einigen guten Ergebnis im ersten Saisondrittel fiel der Brasilianer zu Saisonmitte gegen seine Rivalen Alain Prost im Renault und René Arnoux im Ferrari zurück. Der Brabham BT52B, der verbesserte BMW-Motor und der neue Kraftstoff brachten die Wende. Vier Runden vor Schluss hatte Prost 14 Punkte Vorsprung. Renault stellte die Entwicklung ein, um nichts mehr zu riskieren. Prompt gewann Piquet in Monza und Brands Hatch. Sein Rückstand war vor dem Finale in Südafrika auf nur noch zwei Punkte geschrumpft.
630 Tage nach dem Debüt feierte sich BMW als erster Turbo-Weltmeister. Piquet reichte nach dem Ausfall von Prost ein dritter Platz. Teamkollege Patrese gewann das Finale, das ihn für eine lange Pechsträhne entschädigte. Während Patrese nur einen Sieg in Kyalami und einen 3. Platz in Hockenheim als zählbare Resultate vorweisen konnte, sammelte Piquet 59 Punkte, drei Siege, drei zweite und zwei dritte Plätze. Patreses Ausfallserie kostete den Konstrukteurs-Titel. Brabham wurde hinter Ferrari und Renault nur Dritter.
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