Alonso und Leppert kämpfen Seite an Seite

Die auto motor und sport Formel 1-Reporter berichten in ihren F1-Tagebüchern von ihren persönlichen Erlebnissen bei den 19 Grand Prix-Rennen der Saison 2014. Im zehnten Teil blickt Tobias Grüner hinter die Kulissen vom GP Deutschland.
Obwohl Hockenheim der nächstgelegene Grand Prix-Ort ist, bin ich hier nach 2010 erst zum zweiten Mal bei der Formel 1 dabei - zumindest was mein Journalistenleben angeht. Privat saß ich schon 1986 im Alter von 6 Jahren als begeisterter Zuschauer im vollgepackten Motodrom. Ich kann mich immer noch gut erinnern, wie Nelson Piquet zum Sieg fährt und Alain Prost kurz vor dem Ziel das Benzin ausgeht. Trotz des strengen Spritlimits passiert das heute leider nicht mehr.
Nicht nur für die deutschen Piloten, auch für uns Reporter ist das Heimrennen etwas Besonderes. Wegen der kurzen Anreise schaue ich schon am Mittwoch kurz an der Strecke vorbei. Die Teams sind gerade mit dem Einrichten der Garagen beschäftigt. Bei Temperaturen von 30°C geht aber alles noch ziemlich gemütlich ab. Nachdem die ersten Impressionen im Kasten sind, geht es wieder zurück nach Stuttgart.
Deutschland feiert WM-Titel
Am Donnerstag geht es dann mit Kollege Schmidt und Übernachtungsgepäck auf die 120 Kilometer kurze Reise. Noch immer schwingt die Freude über den wenige Tage zuvor gewonnen Fußball-WM-Titel nach. Kollege Schmidt ist wenig begeistert. Aus einem unerfindlichen Grund drückt er immer für die Gegner die Daumen. Im Speziellen freut er sich vor allem über Siege der britischen und südamerikanischen Teams.
Im Fahrerlager kann aber auch er nicht dem Titel-Jubel ausweichen. Mercedes feiert den vierten Stern mit einem großen Schriftzug am Motorhome. Nur Nico Rosberg darf seine Begeisterung nicht wie gewünscht ausdrücken. Der Deutsche, der als WM-Spitzenreiter zum Heimspiel anreist, wollte eigentlich mit einem WM-Pokal auf dem Helm fahren. Doch zur Überraschung aller ist die Trophäe ein geschütztes Markenzeichen. WM-Sponsor Hyundai ist offenbar nicht so begeistert, dass ein Mercedes-Mitarbeiter damit spazieren fährt. Also muss Rosberg den Pokal kurzfristig überpinseln lassen.
Die ersten Geschichten des Wochenendes kommen leider nicht so schnell wie sonst auf die Webseite. Das Internet in Hockenheim bricht ständig zusammen. Wenn die WLAN-Verbindung dann mal ein paar Minuten hält, ist sie einfach langsam. Auch das Mobilfunknetz erweist sich als keine Alternative. Von wegen gute deutsche Technik und Organisation. Da der Internetservice mit einem Preis von 60 Euro auch noch zu den teuersten des Jahres gehört, sind die Journalisten natürlich wenig begeistert.
Nachdem sich die Kollegen mehrmals beschweren, entscheiden sich die Organisatoren zu einem drastischen Schritt. Über Nacht verlegen Mitarbeiter der Deutschen Telekom an allen Arbeitsplätzen im Pressezentrum Kabel. Damit sind die Probleme endgültig beseitigt. Wegen des Ärgers wird den Journalisten auch noch die komplette Internetgebühr erstattet.
Ferrari-Sponsor lädt zum Kart-Rennen ein
Ebenfalls zur guten Laune der Pressevertreter trägt eine Einladung zum Kartfahren am Donnerstagnachmittag bei. Im Zuge der Fußball-WM kommt Ferrari-Sponsor Santander auf die Idee, einen Ländercup auf der Kartstrecke in Walldorf auszutragen. Ich werde damit beauftragt, ein deutsches Team zusammenzustellen. Da ich nicht die Zeit habe, alle Medienvertreter nach ihrem Interesse zu fragen, entscheide ich mich Vertreter der 3 großen deutschen TV-Stationen einzuladen: Fahrerlager.Reporter Felix Görner von RTL, Sky-Kommentator Sascha Roos und ARD-Reporter Andreas Troll.
Dazu schickte ich noch meine auto motor und sport-Kollegin Bianca Leppert ins Rennen. Dass sie über einige Rennerfahrung verfügt und dieses Jahr schon das Audi R18 Le Mans-Siegerauto pilotieren durfte, wussten die anderen nicht. Umso überraschter waren die Gesichter, als die Flotte Dame als Schnellste aus unserem Quartett ins Finale einzog. Dort wurden die Fahrer dann per Lotterie-Verfahren mit Ferrari-Formel 1-Piloten zusammengespannt. Bianca zog mit dem zweifachen Weltmeister Fernando Alonso das große Los. Im Finalrennen boxte die männliche Konkurrenz unsere Vertreterin allerdings schon am Start unsanft aus der Bahn und verhinderte damit jede Siegchance für das deutsche Team.
Ingenieurs-Legende spricht über PS-Zahlen
Mein persönliches Highlight kam erst am Sonntag vor dem Rennen. Der ehemalige BMW-Motorenchef Paul Rosche besuchte das Fahrerlager. Im Red Bull-Motorhome kann ich persönlich ein paar Worte mit "Nocken-Paule" wechseln. Kollege Roger Benoit vom Schweizer Blick hatte mich dem legendären Ingenieur freundlicherweise vorgestellt.
Ich hatte schon vorher einige verrückte Geschichten aus der guten alten Zeit gehört. Der 80-Jährige hatte aber noch einige weitere gute Schmankerl zu bieten, die aber leider nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Schade, dass die Ingenieure heutzutage nicht mehr so offen über die faszinierende Technik sprechen wie zur damaligen Zeit. Früher war man noch stolz über die erreichten PS-Zahlen. Heute will man den Gegnern nicht zu viel verraten.
Unserer Meinung nach sorgt die politische Korrektheit und Technik-Paranoia der Formel 1-Teams auch für das schwindende Interesse der Zuschauer. Am Sonntag sah man viele leere Plätze auf den Tribünen. Diejenigen, die sich die teuren Eintrittskarten gönnten, bekamen allerdings ein wahres Spektakel geboten. Die Show auf der Piste stimmte. An allen Ecken der Rennstrecke gab es spannende Action zu beobachten.
Schon am Start legte sich Felipe Massa in Kurve 1 unfreiwillig aufs Dach. Lewis Hamilton kämpfte sich nach seinem Quali-Crash von Startplatz 20 bis aufs Podium. Fernando Alonso und Daniel Ricciardo lieferten sich packende Duelle im Motodrom. Daniil Kvyat stellte seinen Toro Rosso lichterloh brennend in der Haarnadel ab. Mit dem Sieg für Nico Rosberg, Platz 4 für Sebastian Vettel und Rang 7 für Nico Hülkenberg war das Rennen aus deutscher Sicht sehr erfolgreich. Die Heimfahrt nach Stuttgart war viel zu kurz, um mit Kollege Schmidt noch einmal alle Highlights zu diskutieren.
In unserer Bildergalerie nehmen wir Sie mit hinter die Kulissen des GP Deutschland.