So viel schneller ist die Formel 1
Die Formel 1 bricht in diesem Jahr Rekorde. Die Autos sind im Qualifying und Rennen durchschnittlich über zwei Sekunden schneller als in der Vorsaison. Die Kurvengeschwindigkeiten steigen dramatisch. Wir haben Daten von Pirelli aufbereitet.
Breitere Autos, um 25 Prozent breitere Reifen, mehr Aerodynamik. Der Konzeptwechsel der Formel 1 2017 geht auf. Die Fahrer sind glücklich. Endlich können sie wieder ihre Autos durch die Kurven prügeln. Die Reifen bieten mehr Grip, bauen weniger ab und sind resistenter gegen Überhitzung.
Die Ingenieure sind auch zufrieden. Sie können sich wieder mehr austoben. „Mit diesem Reglement gibt es noch viel Raum für Verbesserungen. Mit neuen Regeln fängt die Entwicklung für gewöhnlich erst nach 3 bis 4 Jahren an zu stagnieren“, sagt Force India-Technikchef Andy Green. Die Fans sind glücklicher. Wie zuletzt gesehen: Belgien und Monza meldeten Rekordzahlen. Nicht nur wegen der schnelleren Autos. Sondern auch, weil die WM keine One-Team-Show mehr ist. Es ist ein Zweikampf zweier Traditionsmarken: Mercedes gegen Ferrari. Mit Red Bull als Unruhestifter.
Großer Zeitgewinn in Belgien
Reifenlieferant Pirelli hat die Daten für 2016 und 2017 feinsäuberlich aufbereitet. Im Qualifying ist die Formel 1 in dieser Saison um durchschnittlich 2,416 Sekunden schneller als 2016. Monza einmal rausgerechnet. Das Zeittraining zum GP Italien fand auf einer klatschnassen Piste statt. Im Renntrimm legen die 2017er Autos durchschnittlich in den 14 bisherigen Rennen um 2,795 Sekunden zu.
Beim Blick auf die Daten zeigt sich ein Muster. Je mehr schnelle und langgezogene Kurven, desto größer ist der Vorteil der neuen Autos. In Belgien stürmte Lewis Hamilton in 1:42.553 Minuten zur Pole-Position. Ein Jahr davon war Nico Rosberg die schnellste Zeit im Qualifying in 1:46.744 Minuten auf dem 7,004 Kilometer langen Ardennenkurs geglückt. Das entspricht einer Differenz von 4,191 Sekunden. Die Reifendrücke waren vergleichbar: 23,5 PSI vorn und 22,0 PSI hinten 2016. 23,5 PSI vorn und 21,5 PSI hinten 2017.
Allerdings fuhr Hamilton auf einer weicheren Sorte: Ultrasoft gegen Supersoft. Wobei Pirelli in dieser Saison mit seinen Mischungen auf der konservativen Seite liegt. 2018 will der italienische Reifenlieferant wieder etwas aggressiver entwickeln. Die Konstruktion für die neuen Reifen hinterlegte Pirelli bereits am 1. September bei der FIA. Mit der Definition der Mischungen hat man noch etwas Zeit.
Alles deutet darauf hin, dass Pirelli einen sechsten Reifen bringen wird. Eine Mischung, die weicher als der Ultrasoft ist. „ Wir müssen uns noch einen Namen überlegen“, sagt Pirelli-Rennleiter Mario Isola. „Wir wollen unser Portfolio auffächern, um variabler bei der Reifenwahl für die verschiedenen Rennen zu sein. In diesem Jahr hatten wir oft die Kombination Supersoft/Soft/Medium. Generell wollen wir etwas weichere Reifen bauen, um unsere Boxenstopp-Vorgaben zu erfüllen. Da liegen wir dieses Jahr etwas drüber. Aus dem harten Reifen wird der Medium. Aus dem Medium die Softmischung. Und so weiter.“
Größte Steigerung im Ungarn-Qualifying
In Spanien und Silverstone legte die Formel 1 im Qualifying ebenfalls deutlich zu. In Silverstone mit einem auf dem Papier weicheren Gummi (Supersoft gegen Soft). Das Speed-Delta lag in Spanien bei 2,851 Sekunden und in England bei 2,643 Sekunden. Auf Highspeed-Strecken schrumpft der Vorteil der neuen Autos. Weil die breiteren Autos einen höheren Luftwiderstand haben. Obwohl auf der anderen Seite die Motoren leistungsstärker sind. Doch auf Stop-and-Go-Strecken mit Kurven mit kurzen Radien lässt sich nicht so viel Zeit gutmachen durch eine bessere Aerodynamik. In Bahrain verbesserte sich die Formel 1 im Vergleich zur Vorsaison um 0,724 Sekunden. In Kanada immerhin um 1,353 Sekunden.
Monza muss man aufgrund des Regens ausklammern. Aber die Rundenzeit aus dem zweiten Training gibt ein Indiz, dass der Unterschied zwischen 2016 und 2017 gering ausgefallen wäre. Valtteri Bottas umrundete die 5,793 Kilometer in 1:21.406 Minuten. Lewis Hamilton war auf seiner Pole-Runde 2016 um rund 3 Zehntel besser. Diese Marke hätte man mit den 2017er Autos geknackt. Wenn wohl auch nicht erheblich.
Auf den Kilometer gerechnet, hat sich die Formel 1 im Qualifiying in Ungarn am meisten gesteigert. Der Hungaroring hat vor allem im Mittelabschnitt viele langgezogene Kurven, die aufeinander folgen. Hinzu kommt die weichere Mischung (Ultrasoft zu Supersoft). Auf den Kilometer gerechnet waren die 2017er Autos in Ungarn in der Qualifikation um 0,831 Sekunden schneller.
In Monaco, der langsamsten Strecke im Kalender, sind es 0,433 Sekunden. Mehr als zum Beispiel in Australien, Russland, Aserbaidschan und fast so viel wie in Silverstone. Monaco ist mit 3,337 Kilometern die kürzeste Bahn, hat dafür aber auch 19 Kurven. In Singapur sind es vier mehr. Die Runde ist lang. Die 2017er Autos wetzen den Kilometer durchschnittlich um 0,610 Sekunden schneller ab als ihre Vorgänger. Auf die ganze Runde gerechnet sind es 3,093 Sekunden.
F1 2017 dramatisch schneller in schnellen Kurven
Im Rennen fiel jede Marke aus 2016. Den größten Zeitsprung machte man in Belgien (- 5,006 s), England (-4,927 s) und China (-4,446 s). Gerechnet auf die jeweils schnellste Rundenzeit während des Grand Prix. In Belgien wiegte der Reifenvorteil. Sebastian Vettel erzielte die schnellste Rennrunde 2017 auf Ultrasofts. Hamilton die schnellste Rennrunde 2016 auf den Mediums. Die geringste Verbesserung der schnellste Rennrunde gab es in Österreich (- 1,000 s). Blasenbildung auf den Reifen hemmte die Fahrer.
Auf den Kilometer gesehen feilte die Formel 1 im Renntrimm in Monaco am meisten ab (- 0,935 s). Zum Vergleich die schnellsten Rundenzeiten im Rennen. Lewis Hamilton 2016: 1:17,939 Minuten. Sergio Perez 2017: 1:14,820 Minuten. Beide jeweils auf Ultrasoft. Natürlich lassen sich Vergleiche nicht immer eins zu eins ziehen. Weil die Runden zu anderen Zeitpunkten gefahren wurden. Und weil die Streckenbedingungen sich erheblich unterscheiden können.
Fakt ist, dass die Fahrer in schnellen Kurven das Abtriebsplus von rund 30 Prozent drastisch wahrnehmen. Pirelli nennt die Zahlen für vier bekannte Kurven. Turn 3 Barcelona: 212 km/h (2016) zu 248 km/h (2017). Turn 9 Barcelona: 215 km/h (2016) zu 245 km/h (2017). Copse-Corner Silverstone: 260 km/h (2016) zu 290 km/h (2017). Pouhon in Spa: 253 km/h (2016) zu 289 km/h (2017). Das sind Unterschiede zwischen 26 und 36 km/h. Eine Welt. Pirelli bekam die Daten von den Teams, will aber nicht verraten, welches Auto und welcher Fahrer jeweils dahinter steckt.
Der GP Italien gab den Pirelli-Technikern erstmals konkrete Rückschlüsse über die neuen Vollregenreifen. Die Fahrer sind immer noch nicht zufrieden. Eine Stimme: „Da muss Pirelli echt noch arbeiten. Mit Bridgestone wäre die Wartezeit in Monza nicht so lange ausgefallen.“ Aquaplaning sei das große Problem. Pirelli rechnet vor, dass durch die Verbreiterung der Reifen von 245 auf 305 Millimeter vorn und 325 auf 405 Millimeter hinten die Gefahr durch Aquaplaning gestiegen ist.
„Die Auftriebskräfte der 2016er Regenreifen lagen bei 350 Kilogramm. Hätten wir nur die Reifen verbreitert, würden wir bei rund 450 Kilogramm liegen. Durch die Änderungen, die wir an Konstruktion und Oberflächenbeschaffenheit vorgenommen haben, liegen wir wieder ungefähr auf Vorjahresniveau.“ Pirelli vergleicht die Höchstgeschwindigkeiten aus dem trockenen zweiten Training und dem dritten Qualifikationsteil von Monza. Je nach Sektor verlieren die Regenreifen zwischen fünf und 15 km/h an Top-Speed. Das veranlasst die Italiener zu sagen. „So schlecht können unsere Regenreifen nicht sein.“