„Die schnellsten Autos der Geschichte“
Carlos Sainz jagte seinen McLaren MCL35 am ersten Testtag von Barcelona 161 Mal um die Strecke. Fahrer und Teamführung waren zufrieden. Speed und Zuverlässigkeit stimmen. Und es kommt noch mehr: McLaren verspricht bis zum Saisonauftakt noch viele Neuteile.
Es war ein Auftakt nach Maß für McLaren. Vom Start weg schnell, keine Probleme mit der Zuverlässigkeit, 161 Runden, Platz sechs in der Tageswertung. Carlos Sainz resümierte nach acht Teststunden vor der Presse: „161 Runden, das ist eine große Leistung. Wir waren sofort schnell und haben alle Punkte abgehakt, die auf unserem Plan standen. Dabei habe ich mich sofort wohl im Auto gefühlt.“
Das erste Gefühl stimmt. Der neue MCL35 scheint einen Fortschritt gegenüber dem Vorjahresmodell zu bringen. Der erste McLaren aus der Feder von James Key bestätigte die Daten aus dem Windkanal. „Das Gesehene stimmt mit der Erwartungshaltung überein“, berichtet Teamchef Andreas Seidl. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. So viele Runden haben wir an einem ersten Testtag noch nie geschafft.“
McLaren sofort schnell
Das erste Klassentreffen 2020 begann für McLaren mit Systemchecks. Die Ingenieure glichen die Korrelation zwischen Windkanal, CFD, Prüfstand und Simulator mit der Rennstrecke ab. Dieses Mal unter Volllast. Der Filmtag ein paar Tage zuvor war eher ein Einrollen, um zu sehen, ob alle Teile am Auto halten und die Pumpen und Leitungen das Benzin und Öl ohne Lecks an die richtigen Stellen fördern.
Es war aufgrund des Programms ein Tag für die Ingenieure und weniger für den Fahrer. Sainz startete gemütlich in den Testtag und war dennoch auf Anhieb schnell. „Ich habe es langsam angehen lassen und fuhr trotzdem schon eine Rundenzeit von 1:18 Minuten. Da war ich baff. Ich dachte, wir müssen den goldenen Treffer gelandet haben, so leicht fiel mir das Fahren. Als ich sah, dass die anderen genauso schnell sind, hat sich das relativiert.“
Das gute Gefühl blieb. Am Nachmittag verlagerte McLaren das Augenmerk auf Longruns. Und auch da verhielt sich der MCL35 so, wie es Fahrer und Ingenieure erwartet hatten. Eine Rundenzeit von 1:17.842 Minuten auf Pirellis mittelharter Reifenmischung führte Sainz auf den sechsten Platz. Das war aber nebensächlich. McLaren war nicht auf eine gute Platzierung aus, sondern arbeitete hauptsächlich mit härteren Reifenmischungen.
Ein Jahr der Rekorde?
Es könnte eine Formel 1-Saison werden, in der viele Streckenrekorde fallen. Die neuen Autos sind im letzten Jahr des bestehenden Reglements von Jets auf Rädern zu Raketen gereift. „Ich bin noch nie ein schnelleres Auto gefahren“, bestätigt Sainz. „Es scheint ganz so, als dass wir einige der Schwachpunkte, die wir mit dem alten Auto hatten, ausgemerzt haben. Wir hatten über den Tag hinweg keine großen Balance-Probleme.“
Trotzdem bleibt Sainz auf dem Boden. Der Mann, der im Vorjahr auf dem sechsten Platz der Weltmeisterschaft landete, setzt die Ergebnisse des ersten Testtages in den Kontext. Die Verhältnisse hätten die Teams begünstigt. „Frische Luft, Sonne, kein Wind. Kein Vergleich zum Vorjahr“, erklärt der 25-jährige Spanier. „Nicht nur wir waren schneller, sondern auch die anderen. Deshalb müssen wir vorsichtig sein.“
Der orange-blaue Rennwagen lief, ohne zu murren. McLaren schaffte nach Mercedes (174 Runden) und Red Bull (168) die drittmeisten Kilometer. Es waren 750 für den Traditionsrennstall. Zuverlässigkeitsprobleme? Keine Spur. „Wir haben über den Winter ein riesiges Programm gefahren, um sicherzustellen, sofort standfest zu sein“, erzählt der Teamchef. „Das Auto baut auf den Erfahrungen des Vorjahres auf. Die Antriebseinheiten sind bekannt. Da rücken Haltbarkeitsthemen zwangsläufig in den Hintergrund.“
Neue Boxenausrüstung schon da
Und so konzentrierte sich McLaren schon in der letzten Stunde auf Boxenstopps und Startübungen. „Weil uns die Reifen ausgingen“, sagt Sainz. Der Teamchef führt andere Gründe auf. „Es war von Anfang an der Plan. Am Abend wird die Strecke schlechter.“ Die Boxenstopps waren eine der Schwachstellen 2019. McLaren verschenkte mit Pannen einige wertvolle WM-Punkte. Deshalb rüstete man über den Winter auf. Neue Ausrüstung soll die Reifenwechsel sicherer machen. Die Mechaniker arbeiten bereits in Barcelona damit.
Natürlich kam auch bei McLaren die Sprache auf den neuen Racing Point RP20 zurück – eines der Konkurrenzautos. Der rosa Rennwagen sieht aus wie eine Kopie des letztjährigen Mercedes. Racing Point hat seine Zusammenarbeit mit Mercedes intensiviert. „Es erschwert uns das Leben, wenn andere kleine Teams von der Arbeit der Großen profitieren“, meint Sainz dazu.
Teamchef Seidl sieht es pragmatisch. „Es besteht kein Grund, sich zu beschweren. Jeder hat das Recht, ein anderes Auto zu kopieren. Es gibt ein Reglement, dass es erlaubt, gewisse Teile eins-zu-eins zu übernehmen.“ Die neben der Antriebseinheit wären: Aufhängungen, Getriebe, Hydraulik.
Das Saisonziel heißt Konsolidierung: „Es wird praktisch unmöglich, uns von den Positionen her zu verbessern“, sagt Sainz. „ Ich wurde letztes Jahr Sechster in der Fahrer-WM. Mehr geht nicht mit den Top-Teams vor unserer Nase. Das Team wurde Vierter. Wir haben uns keine Zielrundenzeiten gesetzt. Wir wollen aber einen Schritt vorwärts machen und näher an die Top-Teams rücken.“
Damit das gelingt, wird McLaren vor Melbourne weiter aufrüsten. Die ersten Upgrades kommen zur zweiten Testwoche. Bis Australien wird der MCL35 sein Gesicht weiter verändern.