Mercedes kein Auto für dünne Luft
Mercedes war in den Longruns die Nummer eins, auf eine Runde aber nur dritte Kraft. Vielleicht hat das Team zu lange bei der Reifenvorbereitung gezockt. Wir haben die Stimmen auf dem Silber-Lager.
Das Trainingsergebnis erinnert ein bisschen an den GP Mexiko. Da war Mercedes hinter Red Bull und Ferrari auch nur dritte Kraft. Am Sonntag lagen die Silberpfeile dann vorn. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Lewis Hamilton und Valtteri Bottas auch beim GP Brasilien den Spieß wieder umdrehen. Für Sonntag ist wärmeres Wetter vorhergesagt. Die Streckentemperaturen sollen von 35 auf bis zu 50 Grad steigen.
Damit kann sich ein völlig anderes Bild ergeben als am Freitag oder Samstag. „Wir müssen wie auch bei den letzten Grand Prix wieder offen und unvoreingenommen in das Rennen gehen. Wenn es signifikant wärmer wird, gewinnen das Auto und die Strategie, die sich am besten an die veränderte Reifenabnutzung anpassen werden“, prophezeite Technikdirektor James Allison in Vertretung von Teamchef Toto Wolff.
So sieht es auch Valtteri Bottas: „Wir hatten heute kein Auto für die erste Startreihe. In den Longruns fühlte sich das Auto gut an. Mit unserem Auto und unserem Team kann man auch aus der zweiten Startreihe gewinnen. Unser Rennspeed ist so gut wie der des Red Bull und hoffentlich etwas besser als der des Ferrari.“
Die Mercedes-Piloten führten die Trainingsniederlage auch auf die besondere Lage der Rennstrecke zurück. Sao Paulo liegt 800 Meter über dem Meer. „Red Bull war gleich schnell in den Kurven, aber schneller auf den Geraden. Das kann schon etwas mit der Höhe zu tun haben“, mutmaßte Lewis Hamilton. Bottas ging ins Detail: „ Wir verlieren wie in Mexiko auf den Geraden. Hier speziell die meiste Zeit die Passage den Berg hoch.“
Besser mit Verzicht auf Heizdecken?
Hamilton und Bottas sagten übereinstimmend, dass sie fast alles aus ihren Silberpfeilen herausgeholt hätten. Es gab keine offensichtlichen Fehler, bei denen Rundenzeit liegengeblieben wäre. Trotzdem fehlten 0,191 Sekunden auf die Pole Position und 0,168 auf den schnelleren der beiden Ferrari.
Dabei sah es nach der Bestzeit von Hamilton im dritten Training noch so aus, als läge der beste Startplatz im Bereich des Möglichen. Doch wahrscheinlich war es gerade diese Runde des Weltmeisters, über die Mercedes am Ende gestolpert ist.
Allison verrät: „Die Erfahrungen aus dieser extrem guten Runde waren für uns der Anlass, unseren Ansatz bei der Reifenvorbereitung etwas zu ändern. Wir glaubten, dass es besser wäre, mit kühleren Reifen auf die Strecke zu gehen.“
Tatsächlich sah man in allen Qualifikationsrunden in der Mercedes-Garage Merkwürdiges. Die Vorderreifen wurden meistens nicht in Heizdecken gesteckt. „Wir haben das schon einmal so in China praktiziert“, erinnert sich Reifenexperte Andrew Shovlin.
Mercedes hatte die Erfahrung gemacht, dass sich die Vorderreifen in den lang gezogenen Kurven im Mittelteil zu schnell aufheizten, wenn man sie wie üblich vorwärmte. „Deshalb haben wir im Q1 und Q2 viel mit den Reifentemperaturen und Drücken gespielt, um herauszufinden, was am besten für uns ist“, erzählte Bottas.
Der letzte Versuch im Q3 zeigte das Ergebnis. Die Vorderreifen steckten wieder in den Heizdecken. Allison meinte selbstkritisch: „ Wir haben zu spät gemerkt, dass wir in die falsche Richtung gelaufen waren. Deshalb sind wir zum Schluss wieder zu der normalen Prozedur zurückgekehrt. Hätten wir früher umgeschaltet, wären dabei vielleicht bessere Startplätze herausgesprungen.“
Merkwürdigkeiten bei Ferrari./strong>
Natürlich war auch Ferrari wieder ein Thema. Zum dritten Mal in Folge haben Sebastian Vettel und Charles Leclerc die schnellste Trainingszeit verfehlt. Und wie schon in Austin war der Vorteil auf den Geraden in der Qualifikation im Vergleich zu den freien Trainingssitzungen geschrumpft.
Allison relativierte: „Ferrari ist immer noch sehr schnell auf den Geraden, aber nicht mehr in dem Ausmaß wie am Freitag. Das kann aber alle möglichen Gründe haben.“ Vielleicht eine andere Fahrzeugabstimmung, vielleicht auch der Verzicht auf bestimmte Power-Stufen im Angebot.
Allison fand nur eines merkwürdig: „Seit zwei Rennen steht Ferrari nicht mehr auf der Pole Position. Vorher haben sie das regelmäßig geschafft, zum Teil mit einem respektablen Vorsprung. Das ist zumindest eine interessante Beobachtung. Wir werden uns jetzt das Rennen anschauen müssen, ob sich da Ähnliches beobachten lässt.“
Dass jetzt plötzlich auch Red Bull auf den Geraden so Gas gibt, überrascht Bottas nicht: „Die waren schon in Mexiko schnell.“ Allison kann sich vorstellen, dass Honda möglicherweise mit größeren Turboladern und Kompressoren fährt, was sich in dünner Luft auszahlen würde.„ Andere im Team glauben, dass Honda bei der Einspeisung elektrischer Energie effizienter ist.