„Traum von F1 auf der Nordschleife“
Nürburgring-Chef Mirco Markfort verrät im Interview, wie er die Formel 1 an Land ziehen konnte, wie die Zukunft des Deutschland-Grand-Prix aussehen könnte und was für ein F1-Comeback auf der traditionellen Nordschleife nötig wäre.
Die Corona-Krise hat viele Unternehmen schwer gebeutelt. Wie ist der Nürburgring bisher durch das Jahr gekommen?
Markfort: Wie alle Event-Places und Rennstrecken hat uns die Corona-Krise zunächst auch sehr hart getroffen. Von jetzt auf gleich ging fast gar nichts mehr. Mittlerweile kann man sagen, dass wir mit einem oder zwei blauen Augen durchgekommen sind. Das lag auch daran, dass wir proaktiv versucht haben, das Beste aus der Situation zu machen, indem wir relativ früh mit den Behörden in Kontakt getreten sind, um Konzepte für unsere einzelnen Produkte zu diskutieren. Was Zuschauer angeht, hatten wir im August mit dem Oldtimer-Grand-Prix als eine der ersten Veranstaltungen eine Zulassung für 5.000 Besucher erhalten. Es wird natürlich kein Super-Jahr, aber wir haben gezeigt, dass wir diese Krise meistern können. Hätten wir in den letzten Jahren nicht so gut gewirtschaftet, dann hätten wir dieses Jahr sicher mehr Probleme bekommen.
In den letzten Wochen war viel Betrieb am Ring. Konnten alle Veranstaltungen nachgeholt werden?
Markfort: Fast alle. Die wichtigsten Events, die wir leider nicht durchführen konnten, waren "Rock am Ring", der Truck-Grand-Prix, Rad am Ring und auch der Strongman-Run mit 10.000 Teilnehmern. Beim 24 Stunden Rennen haben wir mit dem ADAC Nordrhein wohl die richtige Entscheidung getroffen, die Veranstaltung so weit wie möglich nach hinten zu schieben, um die Durchführbarkeit noch zu ermöglichen. Genau wie bei der Formel 1 war die Strecke für das Wochenende eigentlich schon ausgebucht. Das setzt natürlich gute Partnerschaften voraus, wenn man die gebuchten Veranstaltungen dann verschieben muss.
Am Nürburgring sind normalerweise ja hauptsächlich Sportwagen unterwegs. Sind Sie überhaupt ein richtiger F1-Fan?
Markfort: Meine Formel-1-Begeisterung hat natürlich auch mit Michael Schumacher angefangen. Er war der Nationalheld. Ich habe damals noch Fußball gespielt. Um zumindest die Renn-Starts von ihm nicht zu verpassen, mussten auch schon mal ein paar Treffpunkte für die Spiele verschoben werden. Das war eine spannende Zeit damals. Ich habe die Formel 1 natürlich immer weiter verfolgt. Vor allem die Rennen in Deutschland waren für mich immer die Highlights des Jahres.
Was deutsche Fahrer angeht, sieht es aktuell nicht so gut aus. Vettel befindet sich mit Ferrari in der Krise. Drückt das etwas auf die Stimmung, was das Heimspiel angeht?
Markfort: Nein, überhaupt nicht. Mit Mercedes vorneweg ist das deutsche Gesicht gewahrt. Dazu kam die schöne Nachricht, dass Sebastian Vettel weiterfährt. Und dann können wir ja auch noch Mick Schumacher begrüßen, der hier sein erstes Training für Alfa Romeo fährt. Es gibt also auch positive Nachrichten für die deutschen Motorsportfans.
Wie liefen die Gespräche mit den Bossen der Formel 1 ab?
Makfort: Wir befanden uns eigentlich seit der Formel-1-Übernahme von Liberty Media 2016 immer in Kontakt. In den letzten Jahren ist es hauptsächlich an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gescheitert. Für uns hat immer gezählt, dass wir ein Rennen nur mit einer schwarzen Null durchführen können. Irgendwann haben wir dann in der Corona-Phase begonnen konkret darüber zu reden. Und dann ging es ganz schnell. Die Wochen vor der Verkündung Ende Juli waren sehr intensiv.
Hatten Sie das Gefühl, dass Hockenheim und der Nürburgring gegeneinander ausgespielt wurden, um den besten Deal zu bekommen.
Markfort: Nein, überhaupt nicht. Weil der Zeitrahmen so kurz war, hatten wir sehr konstruktive und partnerschaftliche Gespräche mit der Formel 1. Da ging es auch nicht darum, um den letzten Euro zu feilschen. Wichtig war vor allem, ein sicheres Rennen stattfinden zu lassen. Was am Ende den Ausschlag für uns gegeben hat, können wir gar nicht sagen. Hockenheim hatte zunächst einmal sicher den intensiveren Kontakt, weil sie ja auch die letzten F1-Rennen in Deutschland ausgetragen haben. Wir haben dann am Ende glücklicherweise das Rennen gemacht.
Stimmt es, dass Ihre Seite schon in den Verhandlungen in Aussicht gestellt hat, dass Zuschauer dabei sein werden?
Markfort: Natürlich haben wir auch über den Wunsch geredet, Fans zurück an die Strecke zu holen. Mit dem Oldtimer-Grand-Prix hatten wir ja schon im August das erste Rennen mit Zuschauern. Wir waren also schon mit den Behörden in Kontakt. Es gab den Wunsch, aber versprechen kann man so etwas nie. Das war auch keine Bedingung für den Vertrag.
Sind die Einnahmen des Nürburgrings abhängig von den Ticketverkäufen, oder geht das ganze Geld an Liberty?
Markfort: Ins Detail darf ich zu den vertraglichen Angelegenheiten leider nicht gehen. Man kann nur so viel sagen, dass es natürlich auch für uns umso besser ist, je mehr Zuschauer kommen.
Und die Gefahr, dass es ein Verlustgeschäft wird, ist komplett ausgeschlossen?
Markfort: Die Gefahr ist ausgeschlossen. Wir haben einen guten Vertrag, der natürlich unter Corona-Bedingungen zustande gekommen ist. So fair muss man sein. Unter normalen Bedingungen wäre das sicher so nicht möglich gewesen.
Der Vorverkauf lief kurzfristig an. Haben Sie mit so einem Ansturm auf die Tickets gerechnet?
Markfort: Wir haben natürlich darauf gehofft. Zur heutigen Zeit ist es aber kein Selbstläufer Tickets zu verkaufen. Man muss sich nur die Bundesliga anschauen. Trotz Reduzierung der Zuschauerzahl hatten da auch Vereine Probleme die Tickets loszuwerden. Deshalb waren wir sehr gespannt auf den Vorverkauf. Der große Run zeigt aber, dass die Lust auf die Formel 1 da ist.
Können Sie verraten, wo die meisten Fans herkommen?
Markfort: Es kommen Fans aus ganz Europa, aber der Großteil aus Deutschland. Wir haben gewisse Auflagen, nach denen wir Fans aus Risikogebieten nicht auf die Tribünen lassen dürfen. Die Kunden werden von uns darüber informiert, um rechtzeitig Wege zu finden, dass es doch noch klappt, zum Beispiel durch das Vorlegen von negativen Tests.
Wie laufen die Gespräche mit den Behörden ab? Machen die Ämter Vorgaben oder reichen Sie eigene Konzepte ein?
Markfort: Wir müssen für jede einzelne Veranstaltung und alle Bereiche individuelle Konzepte entwickeln. Da arbeiten wir auch mit dem Bonner Hygiene-Institut zusammen. Natürlich kommen immer mal Rückfragen. Die werden dann konstruktiv geklärt. Es gibt auch mal kleine Änderungen im Konzept.
In der Bundesliga wurden manche Spiele in letzter Minute für Fans gesperrt. Gibt es solche Sorgen auch bei Ihnen? Und haben Sie einen Plan B?
Markfort: Der Plan B wäre, dass dann die Tribünen einfach geschlossen bleiben. Aber eine große Sorge ist das eigentlich nicht. Bei der Bundesliga ist es ja so, dass die meisten Ticketkäufer aus der direkten Umgebung kommen. Wenn die Zahlen vor Ort zu hoch sind, dann ist es sinnvoll, gleich das ganze Event für Fans zu sperren. Bei uns im Kreis Ahrweiler sind wir aktuell weit von den Grenzwerten entfernt. Deshalb bin ich guter Dinge, dass ein Gesamtausschluss nicht zu befürchten ist. Bei uns ist es mehr das Thema, dass wir die Fans aus den einzelnen Risikogebieten aussortieren müssen.
Können Sie erklären, warum das Rennen unter dem Titel "Großer Preis der Eifel. firmiert und nicht als "Deutschland Grand Prix"?
Markfort: Ein Faktor ist, dass wir uns nicht einer Diskussion über die Namensrechte unterwerfen wollten. Wir hätten auch einen anderen Namen finden können, aber wir wollten ganz bewusst diesen regionalen Bezug herstellen. Der Nürburgring gehört zur Eifel und ist das Aushängeschild der Eifel. Deshalb wollten wir auch mal etwas zurückgeben, damit der Name der Region in die Welt getragen wird.
Was hat sich am Nürburgring seit dem letzten Formel-1-Rennen vor sieben Jahren getan?
Markfort: Es ist viel passiert in Sachen Modernisierung. Wir haben im letzten Winter zum Beispiel noch einmal groß in die Sicherheit investiert. Es gibt jetzt hier für die Rennleitung einen der mondernsten Race-Control-Leitstände der Welt. Wir haben neue Kameras aufgestellt und alles rund um die Rennstrecke neu verkabelt. Dann wurde die Mercedes-Arena neu asphaltiert. Das haben wir alles gemacht, ohne zu wissen, dass die Formel 1 kommt. Wir führen jedes Jahr Maßnahmen durch und haben nicht ohne Grund auch wieder die "Grade-1-Lizenz" der FIA erhalten, ohne die wir nicht in der Lage wären, Formel-1-Rennen durchzuführen. Es war auch unser Vorteil gegenüber anderen Rennstrecken, dass wir nicht viel Vorlauf brauchten. Als die Sicherheitsdelegation der FIA mit Rennleiter Michael Masi Mitte September hier war, gab es nur noch Kleinigkeiten, die angepasst werden mussten.
Wie groß sind die Chancen, dass es nicht wieder der letzte Grand Prix in der Eifel für längere Zeit bleibt?
Markfort: Das wird sich zeigen. Wir konzentrieren uns jetzt darauf, dass wir hier eine gute Vorstellung abliefern, was die Operation aber auch die Außendarstellung angeht. Wir wollen zeigen, dass der Nürburgring eine hervorragende Place ist und auch von der Marke her anders zu behandeln ist als andere Rennstrecken auf der Welt. Alles andere hängt dann auch von den weltweiten Rahmenbedingungen ab. Wenn nächstes Jahr wieder alles beim Alten ist, wovon ich erst einmal nicht ausgehe, dann wird es natürlich schwer. Ich denke aber, dass es bei den Formel-1-Verantwortlichen auch ein Umdenken gibt, dass traditionelle Rennstrecken mit einer international anerkannten Marke künftig bessere Chance bekommen, wieder in den Kalender reinzurutschen. Vielleicht können wir das Rennen auch wieder in Abwechslung mit dem Hockenheimring austragen.
Es gibt also nicht den Anspruch am Nürburgring, dass die Formel 1 in Deutschland nur in der Eifel stattfinden sollte?
Markfort: Nein, definitiv nicht. Die alternierenden Rennen hatten für die Fans auch immer etwas Interessantes. Das könnte also ein Modell für die Zukunft sein.
Viele Rennsport-Fans träumen immer noch von einer Rückkehr der Formel 1 auf die Nordschleife. Haben Sie mal durchgerechnet, was dafür nötig wäre?
Markfort: Der Traum ist sicher auch bei uns da. Das wäre wirklich fantastisch. Um bei diesem Thema aber weiterzukommen, müssten alle Parteien an einen Tisch kommen – von der FIA und Liberty bis zu den Rennställen und den Fahrern. Da müsste man gemeinsam schauen, wie man das umsetzen kann. Die Fahrzeuge bräuchten sicherlich ein anderes Setup. Aber in Monaco und in Baku fährt man ja auch. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Aber das ist natürlich noch weit entfernt.
Sie wollen es also nicht ganz ausschließen?
Markfort: Wir verfahren immer nach dem Motto: Geht nicht gibt’s nicht. Viele haben uns auch für verrückt erklärt, als wir im Juli verkündeten, die Formel 1 mit wenigen Monaten Vorlauf an den Start zu bringen. Mal schauen, was die Zukunft bringt. In den letzten beiden Jahren haben ja auch schon zwei hoch performante Fahrzeuge gezeigt, dass es funktioniert. Das war einerseits der Porsche LMP1 mit Timo Bernhard in 5:19 Minuten und letztes Jahr auch noch der VW ID.R. Das sind ja zwei Fahrzeuge, die eigentlich für reine Grand-Prix-Strecken mit glattem Asphalt gebaut wurden. Da wurde gezeigt, dass es mit dem richtigen Setup und einem Fahrer, der sich auf die Strecke einlässt, funktioniert. Die Hersteller hätten das ja nicht gemacht, wenn die Nordschleife an irgendeiner Stelle ein großes Sicherheitsrisiko hätte. Ich denke also schon, dass es die Strecke hergeben würde. Was die jährlichen Modernisierungsmaßnahmen angeht, gilt für die Nordschleife natürlich das gleiche wie für die Grand-Prix-Strecke. Wir haben hier in den letzten Jahren einen großen Kraftakt geleistet, und viel neuen Asphalt verlegt und zusätzliche Fangzäune errichtet. Man kann die Nordschleife also nicht vergleichen mit den Zeiten von Niki Lauda.