Wie repräsentativ sind die Mule-Cars?

Durch die geringere Luftmenge im Inneren würden auch Druckunterschiede bei Temperaturschwankungen kleiner Ausfallen.
Nach der Sommerpause will Pirelli mit ersten Testfahrten für die Saison 2021 beginnen. Doch der Bau der Mule-Cars dürfte nicht so einfach werden. Das Reglement für 2021 steht nämlich noch gar nicht fest.
Während die Details der neuen Formel-1-Generation weiter auf sich warten lassen, ist eine große Änderung schon sicher. Von den aktuellen 13-Zoll-Ballonreifen wird die Königsklasse künftig auf 18 Zoll große Niederquerschnittsreifen wechseln. Nicht nur die Zuschauer müssen sich an den Look gewöhnen. Auch Pirelli und die Teams betreten 2021 komplettes Neuland.
Damit es in der Entwicklung keine unliebsamen Überraschungen gibt, wird Pirelli schon im September, also anderthalb Jahre vor dem ersten Renneinsatz, mit den Praxistests auf der Rennstrecke beginnen. Mercedes, Renault und McLaren haben sich bereit erklärt, Autos speziell für den Einsatz mit den neuen Gummis vorzubereiten.
Doch das wird nicht so einfach werden, wie Pirelli-Sportchef Mario Isola erklärt: „Über die 2021er-Autos wird ja immer noch diskutiert. Wir brauchen aber im Herbst schon ein Mule-Car, das die neuen Regeln so gut wie möglich repräsentiert.“ Eigentlich sollte das Reglement für das neue F1-Modell im Juni vorgestellt werden. Doch in letzter Sekunde einigten sich die Verantwortlichen auf einen Aufschub bis Ende Oktober.
Die Situation ist vergleichbar mit der Situation vor drei Jahren. Nach der Saison 2016 wurde die Reifenbreite massiv erhöht. Darüber hinaus produzierten die Autos auch deutlich mehr Abtrieb als ihre direkten Vorgänger. Um die Regeländerung zu simulieren stellten damals Mercedes, Ferrari und Red Bull umgebaute Rennwagen für die Pirelli-Tests auf die Räder.
Noch keine Regeln für Mule-Cars
Wie die Testträger jetzt an die 2021er Autos angepasst werden, ist dagegen noch in vielen Punkten unklar. Die technische Direktive der FIA, in der festgelegt werden soll, welche Modifikationen erlaubt sind und welche nicht, ist noch nicht an die Teams verschickt worden. Klar ist nur: „Als Basis dürfen die Teams entweder ein Auto von 2018 oder 2019 nehmen“, so Isola.
Der italienischen Reifenpapst erklärt aber, dass es ein paar Bereiche gibt, in denen die Ingenieure gar nicht um Modifikationen herumkommen: „Die Aufhängungen müssen verändert werden, damit die 18-Zöller überhaupt passen. Aber auch der Federweg muss vergrößert werden. Am Unterboden dürften ebenfalls Arbeiten notwendig sein, weil der Durchmesser der neuen Räder größer wird.“
Was den Abtriebslevel angeht, sieht Isola dagegen keine großen Probleme: „Der Plan sieht vor, den Anpressdruck mit den neuen Autos zu reduzieren. Da muss man dann bei den aktuellen Autos einfach nur kleinere Flügel montieren. Beim Wechsel auf die 2016er Autos war es damals deutlich komplizierter. Da wurde der Abtrieb erhöht, weshalb die Mule Cars mit zusätzlichen Schürzen am Unterboden ausgerüstet wurden.“
Ein Bereich, über den die Teams, die FIA und Pirelli aktuell noch diskutieren, sind die Felgen. Man will vermeiden, dass die Teams individuelle Daten sammeln. Außerdem sollen die Daten bei den drei Autos möglichs vergleichbar sein. „Wir überlegen deshalb, ob wir eine Standardfelge oder nur ein Standard-Design festlegen. Wir haben bereits die grundlegenden Dimensionen der Auflagefläche der Reifen auf den Felgen weitergeleitet. Natürlich würden die Teams gerne Felgen verwenden, die schon dem neuen Reglement entsprechen.“
Pirelli plant ohne Heizdecken
Neben den Felgen sind auch die Dimensionen der Bremsen wichtig. Aktuell wird die Abwärme der Carbonscheiben von den Ingenieuren dazu missbraucht, Temperatur in die Reifen zu bekommen. Die Verkleidungen liegen ganz eng an den Innenwänden der Felgen an. Das wird sich in Zukunft ändern.
„Die Bremsen an den aktuellen Autos entsprechen von den Dimensionen her nicht den Bremsen der 2021er Modelle“, erklärt Isola. „Es ist aber jetzt schon klar, dass die Bremsen die Felgen in Zukunft nicht mehr ganz bis zum Rand ausfüllen werden, wie es momentan mit den 13-Zöllern der Fall ist. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Aerodynamik.“
Auch die neuen Abmessungen der Gummis werden im Windkanal zu neuen Ergebnissen führen. Bei der Breite der Lauffläche entsprechen die neuen Reifen noch den aktuellen Modellen. Der Durchmesser wächst allerdings von 670 Millimetern auf 720 Millimeter. Die schmalere und steifere Flanke verhält sich unter Last konstanter als die alten Ballonreifen, was die Aerodynamik.r freuen dürfte. Das reduzierte Walkverhalten erschwert aber natürlich den Aufwärmprozess.
Ein weiterer Faktor in Sachen Arbeitsfenster ist das Verbot der Heizdecken für die Saison 2021, das allerdings zuletzt von einigen Teams schon wieder in Frage gestellt wurde: „Aktuell entwickeln wir spezielle Reifenmischungen für den Gebrauch ohne Heizdecken. Diese Änderung ist für uns eine größere technische Herausforderung als der Wechsel der Größe“, erklärt Isola.
Formel-1-Radsatz wird 10 Kilo schwerer
Puristen wird dagegen die Erhöhung des Gewichts ärgern. Konkrete Zahlen hat Isola noch nicht, aber immerhin eine grobe Idee: „Wir schätzen, dass die neuen Reifen pro Stück ca. ein Kilogramm schwerer werden. Bei den Felgen rechnen wir mit einem Gewichtszuwachs von zwei Kilos hinten, vorne wegen der dünneren Reifen etwas weniger. Für das ganze Auto kommen wir somit auf etwa zehn Kilogramm Mehrgewicht.“
Nach den Testfahrten mit den Mule-Cars im Herbst beginnt auch die Erprobung der Formel-2-Reifen, die schon 2020 auf das 18-Zoll-Format gehen. Der Wechsel entspricht vom Delta ungefähr der Änderung in der Königsklasse. Die Maße sind aber nicht ganz identisch.
„Der Durchmesser bei den Formel-2-Reifen beträgt zum Beispiel nur 705 Millimeter“, wirft Isola ein. „Und die Autos sind natürlich andere. Sie produzieren deutlich weniger Abtrieb und belasten die Reifen damit auch deutlich weniger. Aber ich bin sicher, dass wir trotzdem ein paar verwertbare Daten sammeln können.“