42 Brunnen für 42 Mal WM-Punkte

Racing Point präsentiert sein neues Auto in Etappen. Zuerst Farbe und Hauptsponsor, dann die Technik. Teamchef Otmar Szafnauer will bei jeden Grand Prix mit beiden Autos in die Punkte fahren.
Der erste Auftritt endete mit einer kleinen Panne. Beim ersten Foto-Shooting des Formel 1-Autos von Racing Point in seinen neuen Farben an den Ufern des Mondsees schoss ein Paparazzi das Auto ab. Das hielt den Englischen Rennstall nicht davon ab, einen Tag später im Hauptquartier von BWT noch einmal die Decke von seinem Auto zu ziehen.
Es war der alte RP19 in neuen Farben. Das neue Auto wird es erst am Mittwochmorgen in Barcelona zu sehen geben. Laut Team.anager Andy Stevenson trägt der RP20 viele neue Elemente in sich. „Er sieht wirklich spektakulär aus.“
Bei der Präsentation im österreichischen Mondsee ging es nur um die Farben. Auf der Lackierung des Autos und den Overalls ist die Farbei pink noch stärker vertreten. Kein Wunder. BWT ist in seinem vierten Jahr mit dem Team zum ersten Mal Titelsponsor. Für mehr Geld gab es auch mehr Werbefläche.
Neben der Hausfarbe prangt auch große BWT-Logo quer über der Motorabdeckung, auf dem Heckflügel, den Frontflügel-Flaps und den Endplatten vorne. Insgesamt fünf Sponsoren und sechs Partner stocken das Budget des Rennstalls um 30 Prozent auf. Das wären rund 140 Millionen Dollar. „Damit sind wir immer noch das kleinste und effizienteste Team., meint Team.hef Otmar Szafnauer stolz.
Optimismus trotz Grosjean
Ganz und gar nicht bescheiden gibt sich der Amerikaner bei den Saisonzielen. Nachdem BWT-Chef Andreas Weißenberger verkündet hatte, dass sein Wasseraufbereitungs-Unternehmen für jede Punkteplatzierung seiner Fahrer in der Saison 2020 einen Trinkwasser-Brunnen im afrikanischen Gambia bauen wird, konterte Szafnauer: „Dann werdet ihr 42 Brunnen bauen müssen. Wir wollen mit beiden Fahrern bei jedem Grand Prix punkten.“ Und noch mehr. Szafnauer verspricht, dass beide Fahrer je einmal auf dem Podium auftauchen werden.„
Selbst Sergio Perez meinte: “Das ist eine mutige Ansage, Otmar.„ Der Team.hef machte eine kleine Einschränkung: “Es kann hier und da schon mal was in der ersten Runde passieren. Grosjean fährt ja immer noch mit.„
Szafnauer ist trotz des wiedererstarkten McLaren-Teams, trotz der geballten Kraft des Renault-Werksteams mit 700 Mitarbeiter und trotz Alpha Tauri, die von Red Bull und Honda profitieren, überzeugt, dass der vierte Platz in der Konstrukteurs-WM machbar ist: “Wir haben die Weichen dafür gestellt.„
Grund für den Optimismus sieht die Team.eitung in den Aus- und Umbauten im Team. Im letzten Jahr musste Racing Point zuerst einmal verkraften, nicht mehr jeden Tag ums Überleben kämpfen zu müssen. Im Hintergrund wurden Design- und Produktionsabteilung umstrukturiert und die Mannschaft von 405 auf 465 Mitarbeiter aufgestockt. Bis Sommer soll die 500er Marke geknackt werden. 2020 konnte Racing Point zum ersten Mal auf der neuen Struktur aufbauen.
Mehr Output durch bessere Hardware
Dazu blieb im Hintergrund kaum ein Stein auf dem anderen. Der Rennstall hat nicht nur mehr Geld und mehr Leute, sondern mittlerweile auch eine bessere Infrastruktur. Alle 280 Techniker sitzen neuerdings unter einem Dach.
Seit Racing Point im Mai 2019 vom Toyota- in den Mercedes-Windkanal umgezogen ist, entfallen die lästigen Transfers von England nach Köln. “Alle Leute in einem großen Büro zu haben verbessert die Kommunikation. Wir kommen schneller zu den richtigen Entscheidungen„, erzählt die Team.eitung.
Die Korrelation zwischen Labor und Wirklichkeit wurde in zwei Schritten über einen Zeitraum von fünf Monaten sichergestellt. Zuerst zwischen den beiden Windkanälen, dann zwischen der Mercedes-Anlage und der Rennstrecke. “Das neue Auto wurde bereits mit dem Wissen entwickelt, dass die Daten des Mercedes-Kanals auch auf der Rennstrecke ankommen. Das hat unser letztes Upgrade 2019 bestätigt„, versichert Szafnauer.
In der Produktionsabteilung wurden 30 neue Leute angeheuert. Racing Point fertigt jetzt etwa 10 Prozent mehr Teile selbst als vorher. “Und wir bauen sie schneller, weil wir neue und bessere Fertigungsmaschinen haben. Das garantiert einen größeren Teileumsatz und damit eine schnellere Umsetzung der Entwicklungsschritte„, meint Szafnauer stolz.
Der neue Maschinenpark wurde in einer Halle gegenüber dem Haupteingang untergebracht. Es ist wie alle anderen Schritte der Aufrüstung eine Zwischenlösung. Der Plan und die Genehmigungen für einen kompletten Neubau der Firma stehen bereits.
Auch auf der CFD-Seite hat Racing Point einen wichtigen Schritt vorwärts gemacht. Bessere Hardware garantiert eine um 25 Prozent höhere Rechenleistung. Und damit mehr Output trotz Beschränkungen der Kapazität durch das Reglement.
RP20 mit mehr Grip im Heck
Die Fahrer hielten sich noch bedeckt. Lance Stroll hat das neue Auto immerhin schon gesehen. “Es ist ein anderes Biest. Wir haben jetzt sechs Tage Zeit, ein Verhältnis zu ihm aufzubauen, seine Stärken und seine Schwäche herauszufinden. Auf dem Papier sieht es schon mal gut aus„, hofft der Kanadier.
Sergio Perez geht in seine bereits zehnte Formel 1-Saison und sieht die Sache nüchterner als sein junger Kollege: “Um diese Zeit des Jahres ist jeder Weltmeister. Ich warte lieber ab, bis ich in Barcelona gefahren bin.„ Der 30-jährige Mexikaner hat das neue Auto noch gar nicht gesehen. “Ich lerne es am Mittwoch zum ersten Mal kennen.„
Perez verbrachte zum ersten Mal den kompletten Winter in Mexiko. Nicht nur wegen seiner beiden kleinen Kinder. “Ich hatte eine Nasenoperation, um endlich meine chronische Nebenhöhlenentzündung loszuwerden.„
Trotz der Entfernung von 10.000 Kilometern zur Basis hielt Perez ständig Kontakt zu seinem Team. “Ich habe die Ingenieure alle zwei Tage angerufen, bin also voll im Bild, was passiert.„ Man hat ihm versprochen, dass der neue RP20 nicht mehr die gleichen Schwächen in sich trägt wie der alte. “Wir hatten im Heck einfach zu wenig Grip. Mechanisch und aerodynamisch. Das haben wir versucht abzustellen„, verrät Perez.
In diesem Jahr ist das Auto noch pink. 2021 wird Aston Martin dem Team nicht nur den Namen geben, sondern auch die Farbe mitbestimmen. Sergio Perez sieht sich in seiner langfristigen Bindung an das Team bis Ende 2023 bestätigt: “Jetzt habe ich es doch noch geschafft, für ein Werksteam zu fahren.„