China spaltet Berg für Autobahn

Mitten im südwestchinesischen Gebirge entsteht eine neue Autobahnverbindung, auf ungewöhnliche Weise gebaut.
Mitten im südwestchinesischen Gebirge entsteht eine neue Autobahnverbindung, auf ungewöhnliche Weise gebaut. Statt einen Tunnel zu graben, wurde ein ganzer Berg gesprengt. Die Trasse führt direkt zur künftig höchsten Brücke der Welt.
Statt einen Tunnel durch den Fels zu treiben, haben chinesische Ingenieure an einer Schlüsselstelle der Strecke einen Berg vollständig aufgesprengt – und damit buchstäblich einen neuen Weg geschaffen.
Straße durch gespaltenen Berg
Die betreffende Trasse ist Teil des sogenannten Liuzhi–Anlong Expressway, eines 152 Kilometer langen Infrastrukturprojekts, das abgelegene chinesische Regionen Guizhous mit dem Fernstraßennetz und dem chinesischen Hochgeschwindigkeitsbahnnetz verbinden soll. Das Herzstück des Projekts ist die im Bau befindliche Huajiang-Grand-Canyon-Brücke, die mit einer Höhe von über 600 Metern die höchste Brücke der Welt werden soll.
An einem besonders steilen Bergrücken entschieden sich die Bauverantwortlichen jedoch gegen einen Tunnel. Stattdessen wurde der Gipfel gesprengt, abgetragen und mit schwerem Gerät so weit geöffnet, dass die vierspurige Fahrbahn nun zwischen zwei fast senkrechten Felswänden hindurchführt. Offizielle Aufnahmen zeigen die eindrucksvolle Schneise mit dramatischen Höhenunterschieden – die Felswände ragen teilweise bis zu 200 Meter über die Straße hinaus.
Geplant, geprüft, umgesetzt
Nach Angaben der zuständigen Behörden erfolgte der Eingriff nicht unüberlegt. Eine geologische Machbarkeitsstudie hatte ergeben, dass der Berg an dieser Stelle aus festem Gestein besteht, das eine kontrollierte Sprengung zulässt. Mit Hilfe von Bohrungen, gezielten Sprengladungen und täglichem Abtrag durch Großgeräte wurde der Durchbruch in mehreren Monaten realisiert. Die verbleibenden Felsflanken wurden zur Stabilisierung mit Metallgittern gesichert.
Ziel war eine möglichst direkte Trassenführung ohne langgezogene Tunnelkurven. Gleichzeitig sollte die Bauzeit im Vergleich zum Tunnelbau verkürzt und die langfristige Wartung vereinfacht werden.
Fahrzeit verkürzt sich dramatisch
Die spektakulären Bilder des durchtrennten Berges wurden unter anderem vom chinesischen Außenministerium, von der Volkszeitung sowie von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlicht. Auch Drohnenaufnahmen, die über offizielle Kanäle verbreitet wurden, zeigen die realen Baustrukturen.
Laut Projektträger wird die neue Autobahn voraussichtlich noch 2025 fertiggestellt. Die Fahrzeit auf der bislang schwer zugänglichen Strecke soll sich durch das Gesamtprojekt deutlich verkürzen – an einigen Stellen von rund drei Stunden auf weniger als 90 Minuten.
Auch in anderen Ländern üblich
Die Methode, steile Felsmassive durch gezielte Sprengung für den Straßenbau zu öffnen, ist keineswegs ein rein chinesisches Phänomen. In Norwegen wird diese Technik seit Jahrzehnten bei Straßenverläufen entlang von Fjorden und in steilem Gelände eingesetzt – dort häufig in Kombination mit Tunneln und Brücken. Auch in den USA sind vergleichbare Einschnitte in den Appalachen oder den Rocky Mountains dokumentiert, etwa beim historischen Projekt am Cumberland Gap. Zwar geschieht dies dort meist in kleinerem Maßstab, doch das Grundprinzip – statt eines teuren Tunnels einen offenen Einschnitt zu wählen – ist international erprobt.
Umweltbedenken und Kritik
Während das Projekt als technisches Meisterstück gefeiert wird, gibt es auch kritische Stimmen. Umweltverbände und Naturschützer warnen vor möglichen Folgen für das empfindliche Ökosystem des Karstgebirges. Die Zerschneidung ganzer Bergzüge könne die Erosion beschleunigen, Lebensräume fragmentieren und die Tierwanderung unterbrechen. Offizielle Stellungnahmen zu Ausgleichsmaßnahmen liegen bislang nicht vor.