Debakel für VW, Triumph für Citroën

13 Jahre nach seinem WM-Debüt wurde für Kris Meeke ein Traum wahr. Der Nordire gewann seinen ersten WM-Lauf und beendete eine lange Durststrecke für Citroën.
Yves Matton konnte sich noch nicht so richtig freuen: "Das kommt erst später. Im Moment ist der Druck noch zu groß.“ Der Citroën-Sportchef hatte eigentlich schon am Sonntag seinen Rückflug gebucht, um sein WTCC-Team rechtzeitig zum Tourenwagen-Test am Nürburgring zu beaufsichtigen. Doch bei dieser Rallye Argentinien kam überraschend eine Doppelführung dazwischen. Ein Jahr und acht Monate ist es her, dass Citroën bei der Deutschland-Rallye den letzten Siegerchampagner versprühen durfte, und die Durststrecke beendeten die Franzosen gleich mit einem Doppelsieg.
Zwar litt Mads Östberg an einer fiebrigen Erkältung und sein DS3 am ersten Tag an einem Elektrikproblem, das ihn für 40 Sekunden lahmlegte, ansonsten aber liefen die Citroën bei der härtesten Rallye seit Jahren wie Uhrwerke, was man von den Weltmeisterautos nicht gerade behaupten konnte. Das Desaster begann am Freitagmorgen (24.4.) schon nach zehn Kilometern, als an Sébastien Ogiers VW Polo der Motor ausging und sich nicht mehr erwecken ließ. Dem Franzosen war schlicht das Benzin ausgegangen. Das Team hatte nicht etwa vergessen zu tanken, stattdessen haben die Ingenieure einen defekten Injektor der Einspritzanlage im Verdacht.
VW von technischen Gebrechen eingebremst
Nachdem sich Andreas Mikkelsen nach einem Reifenschaden auch noch die rechte Vorderradaufhängung zerschlagen hatte, brachten seine Mechaniker den dritten Werks-Polo zwar ohne Zeitverlust beim Service wieder auf Kurs, aber eine Stunde später war der Norweger zurück. Die Servolenkung war zwar gewechselt worden, aber nicht die Pumpe, und die hatte den Geist aufgegeben.
Blieb Jari-Matti Latvala, der sich keinen Fehler leistete, aber mit einem Antriebsproblem am Freitagnachmittag kämpfte sich der Finne mit Frontantrieb über die letzten Kilometer und verlor über eine halbe Minute und damit den Anschluss an die Spitze. Das Tempo der Citroën traute sich der Finne aber bei der Aufholjagd nicht mitzugehen, zu viele große Felsblöcke lugten aus den Schotterprüfungen, die durch schwere Regenfälle und Überschwemmungen bereits im Februar schwer in Mitleidenschaft gezogen waren. Mangels Zwischenzeiten im Cockpit schwankten die Ergebnisse auf den zwölf Prüfungen erheblich. Nach einem Dreher in eine Wiese war Latvala so von der Rolle, dass er die Verfolgung aufgab und sich am Samstagabend vor den abschließenden zwei Prüfungen weitgehend mit Rang drei abgefunden hatte.
Zu diesem Zeitpunkt war das Feld schon schwer gerupft. Ogier hatte weitere Minuten verloren, weil auch bei ihm die Servolenkung versagte. Bei Hyundai hatte Thierry Neuville mehrere Minuten mit einem Plattfuß verloren und weitere Zeit kassiert, als er hinter dem havarierten Mikkelsen in dessen Staubfahne festhing. Der Belgier boxte seinen Kumpel so heftig aus dem Weg, dass er sich fast den Kühler leckschlug. "Das macht hier keinen Spaß“, befand der Belgier angesichts der knüppelharten Pisten. Den Teamkollegen Dani Sordo legte nach einer Wasserdurchfahrt für eine Minute ein Elektrikproblem lahm.
Paddon fährt in die Zuschauer
Das war harmlos gegen das Wochenende für Teamjunior Haydon Paddon, der im dritten Werks-i20 am Freitag mit gerissenem Auspuffkrümmer strandete und am Samstagnachmittag nach einem verunglückten Sprung in einer schnellen Rechtskurve auf der linken Seite rutschend in eine Zuschauergruppe rutschte, die in einer Sperrzone stand, ohne dass der Streckenchef der Prüfung von Capilla del Monte nach San Marcos den Start verhindert hätten. Die Prüfung wurde erst nach dem Zwischenfall neutralisiert, sechs Zuschauer wurden verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Zwei erlitten Knochenbrüche. Nach Aussage des Veranstalters schwebte immerhin niemand in Lebensgefahr. Der an dem Zwischenfall unschuldige Paddon war geschockt und rollte am Sonntag nur noch auf Platz 16.
Kollege Neuville lag am Sonntag als bester Hyundai-Fahrer auf Rang vier, aber auf dem letzten Durchgang der legendären Prüfung El Condor übertrieb es der Belgier und warf das Heck seines i20 gegen einen Fels und musste danach mit drei gebrochenen Radaufhängungen aufgeben. "Vermutlich ein Kurzschluss im Gehrin“, mutmaßte Teamchef Michel Nandan. Sordo rückte auf und kam als Fünfter als bester Mann der Koreaner ins Ziel.
Ausgerechnet Neuvilles Freund Mikkelsen hatte sich schon zuvor vor den gleichen Fels geworfen und damit die Chance auf die drei Extrapunkte der finalen Powerstage vergeben. Die holte sich Tabellenführer Ogier, und der früh aus dem Rennen geworfene Franzose war als 17. sogar bester VW-Athlet, denn auf dem Weg zu den letzten zwei Prüfungen am Sonntag meldete Jari-Matti Latvala Motorprobleme, die ihn kurz vor dem Ende der vorletzten Prüfung zur Aufgabe zwangen. Der Finne marschierte die verbleibenden vier Kilometer bis zum Ziel der Prüfung und tröstete sich mit einem Kaffee und einem Hamburger für 120 Pesos. "Ich habe immer mein Portemonnaie dabei“, sagte der ausfallerprobte Finne nach der Rückkehr in den Service.
Sein seit sieben Rallyes ungeschlagenes Team verließ Argentinien mit gerade vier Pünktchen und Sportchef Jost Capito rettete sich in Galgenhumor. In Erinnerung an die zwei Heimpleiten in den letzten Jahren in Trier verkündete er: "Wir haben einfach das Deutschland-Wochenende vorgezogen.“
Meeke holt seinen ersten Sieg
Bei Citroën dagegen hat man sich an den letzten Triumph an der Mosel erinnert. Der überarbeitete DS3 ist nicht nur schnell, sondern auch ausgesprochen robust. "Ich habe nie befürchtet, dass Jari-Matti mich einholen könnte“, sagte Mads Östberg, der mit Medikamenten vollgepumpt trotz Fieber auf Platz zwei fuhr und sogar noch einen Extra-Zähler als Dritter der Powerstage einfuhr. Der Nordmann grämte sich nicht, dass der Teamkollege vor ihm lag. Er wurde mit nur 18 Sekunden Rückstand Zweiter. Ohne das Elektrik-Problem am Freitag hätte auch er Siegchancen gehabt.
Ganz vorne landete am Ende einer, der schon als ewiger Verlierer galt: Kris Meeke, einst Schützling des legendären Colin McRae, hat schon mehr als einen Karriereknick hinter sich. Der Nordire galt immer als schnell, war aber auch seit seiner Juniorenzeit als Autozerstörer berüchtigt. "Ich muss mich bei Yves Matton bedanken, der an mich glaubte, als es kein anderer tat“, sagte der Mann aus Tyrone in Nordirland. Der Citroën-Sportchef hatte Meeke gegen erheblichen Widerstand 2014 in ein Werks-Auto gesetzt, obwohl sein Protegé bei Probeläufen 2013 sein Auto geschultert hatte.
Doch an diesem Wochenende in Argentinien fand der 35-Jährige mit Beifahrer Paul Nagle sofort seinen Rhythmus und die perfekte Mischung aus Technikschonung und Tempo. Jeden Angriff von Latvala konterte Meeke mühelos, den Abstand zum Teamkollegen Östberg verwaltete er souverän. Meekes Auto war am Ende eines denkwürdigen Wochenendes das einzige, an dem es nicht das kleinste technische Problem gab. Mir dem Doppelsieg schob sich Citroën in der Markentabelle auf Rang zwei, gleiches gelang Mads Östberg in der Fahrerwertung. "Das ist nicht nur wichtig für die Fahrer, sondern vor allem für das Team, das seit zwei Jahren hart arbeitet, ohne belohnt wurden zu sein“, sagte Yves Matton.
Den Citroën-Jubeltag machte Khalid al Qassimi im dritten Werks-DS3 perfekt. Der Mann aus den arabischen Emiraten holte sich mit Rang sechs wie Sieger Meeke das beste Ergebnis seiner WM-Karriere. Der war im Ziel sprachlos, beim ersten Interview kamen die Tränen. Als er die Sprache wiederfand, dankte er seinem großen Mentor, der beim ersten WM-Sieg des Kris Meeke nach 57 Anläufen in 14 Jahren nicht dabei sein konnte: Colin McRae.
McRae, der im September 2007 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, hatte vor 13 Jahren in Kenia für den letzten WM-Erfolg eines Briten gesorgt. Meeke ist neben dem Schotten und den Engländern Richard Burns und Roger Clark erst der vierte Fahrer, der unter dem Union-Jack einen WM-Sieg erringen konnte. Und Großbritannien hatte ausgerechnet im seit dem Falkland-Konflikt eher nicht befreundeten Argentinien gleich noch jemanden zu feiern: Im M-Sport-Team hatte Ott Tänak seinem Ford Fiesta am Samstag in einer Wasserdurchfahrt an einem versteckten Fels ein Rad amputiert und dem Team aus Cumbria jede Erfolgsaussicht genommen, aber Elfyn Evans fuhr im zweiten Fiesta eine fehlerlose Rallye, ließ sich von einer ausgefallenen Servolenkung am Freitag nicht aus der Ruhe bringen und rollte mit viel Luft nach vorn und hinten eigentlich in Erwartung auf Platz vier in Richtung Ziel. Neuvilles Abflug spülte ihn aufs Podium.
Evans hatte genug Vorsprung, dass ihm selbst eine rumorende Antriebswelle in der letzten Prüfung nicht seine erste Podiumsplatzierung streitig machen konnte. "Ehrlich gesagt, habe ich das Treppchen gar nicht verdient. Ich bin eher verhalten gefahren“, sagte der Youngster nach dem größten Highlight seiner erst zweijährigen WM-Karriere bescheiden. Bei der Siegerehrung wehte zwei Mal die englische Flagge, ohne, dass ein Engländer etwas gewonnen hatte, Evans ist Waliser. Doch der Mann aus Dolgellau berichtigte sofort: "Moment, mein Beifahrer Daniel Barritt kommt aus England.“
Die Bilder aus Argentinien haben wir in unserer Galerie.