12 Fahrer schuld am Massencrash
In der Rennanalyse klären wir die letzten offenen Fragen zum Rennen in Mugello. Wir haben die Stimmen vom Rennleiter Michael Masi zum Massencrash und verraten, wie Alex Albon das erste Podium feierte.
War der Mercedes-Sieg jemals gefährdet?
Lewis Hamilton und Valtteri Bottas rasten in Mugello souverän zum dritten Mercedes-Doppelsieg des Jahres. Im Rennen konnte niemand das Tempo der beiden schwarz lackierten Silberpfeile mitgehen. Am Kommandostand war von Entspannung aber nichts zu spüren. Die Reifen ließen die Ingenieure lange zittern. Kurz nach Rennmitte hatte sich Bottas mit einem Notruf bei den Strategen gemeldet. Der Finne spürte Vibrationen in seinen Gummis. Da wurden Erinnerungen an die Plattfüße beim ersten Silverstone-Rennen geweckt.
Der Stopp wurde unplanmäßig vorgezogen. "Wir mussten Valtteri zuerst reinholen", erklärte Teamchef Toto Wolff den Strategiewechsel. "Seine Vorderreifen waren total abgefahren." Tatsächlich hatte der Reifen vorne links praktisch keinen Gummi mehr auf der Karkasse, der vorne rechts noch zehn Prozent.
Die Entscheidung zum frühen Stopp war auch noch aus einem anderen Grund richtig. Nach einem ersten Augenschein durch die Ingenieure stand der rechte Vorderreifen, also der etwas weniger abgefahrene, kurz vor einem Schaden. Möglicherweise verursacht durch ein Wrackteil. Mit so wenig Gummi auf der Lauffläche kann jeder Karbonsplitter, jeder Randstein zu einem Risiko werden.
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Eigentlich hatte Bottas verlangt, dass man ihm nicht die gleiche Mischung aufschnallt wie dem Schwesterauto von Hamilton. Dieser Bitte wollten die Strategen auch nachkommen. Doch nachdem klar war, dass die Reifen nicht so gut durchhalten wie geplant, bekamen beide Werkspiloten die harte Sorte für den letzten Stint mit auf den Weg.
Nach dem Unfall von Lance Stroll versuchte der Kommandostand das Risiko weiter zu minimieren. An beide Autos ging der Funkspruch raus, sich von den Randsteinen fernzuhalten. "Zum Glück war uns das Silverstone-Rennen eine Warnung", erklärten die Ingenieure. "Wir sind heute schlauer und wissen es besser zu deuten, wenn die Fahrer Vibrationen melden."
Wer hatte Schuld am Massencrash?
Mercedes hatte das Safety-Car zu Ehren von Ferrari mit einer roten Spezial-Lackierung versehen. Und passend dazu spielte Bernd Mayländer auch eine Hauptrolle in Mugello. Nach dem Crash von Max Verstappen und Pierre Gasly in der Startrunde hatte der AMG GT R früh seinen ersten Auftritt. Sechs Runden lang dauerte es, bis die havarierten Rennwagen aus dem Kiesbett geborgen waren.
Doch kaum ging es wieder los, stockte den Fans der Atem. Mayländer war gerade wieder in Richtung Boxengasse abgebogen, als Valtteri Bottas das Feld auf die Zielgerade führte. Um der Konkurrenz keine Chance zu geben, aus dem Windschatten einen Angriff zu starten, wartete der Finne bis zum letzten Moment mit dem Beschleunigen.
Das Safety-Car-Protokoll schreibt vor, dass alle Piloten hinter dem Führenden eine konstante Geschwindigkeit und gleichmäßige Abstände einhalten müssen. Es gilt selbstverständlich Überholverbot. Doch einige Fahrer im Mittelfeld konnten es offenbar kaum erwarten, wieder loszulegen. Sie gaben Gas, bevor Bottas sein Tempo erhöhte.
Die Piloten ganz hinten reagierten auf die Autos vor ihrer Nase und begannen ebenfalls zu beschleunigen. Als die Frühstarter bemerkten, dass Bottas noch gar nicht angezogen hatte, stiegen sich plötzlich wieder in die Eisen. Doch auf der Zielgerade zu bremsen ist bekanntlich nie eine gute Idee. Es kam es zu zahlreichen Auffahrunfällen.
Kevin Magnussen, Antonio Giovinazzi und Carlos Sainz landeten in der Mauer. Nicholas Latifi rollte mit einem Hecktreffer am Boxenausgang aus. Rennleiter Michael Masi konnte es nicht fassen: "Die Piloten wurden am Freitag im Fahrerbriefing auf zwei Dinge speziell hingewiesen: Erstens, dass sie das Safety-Car nicht vor der SC1-Linie überholen dürfen. Und zweitens, dass die sogenannte Control Linie, ab der sie überholen dürfen, nahe des Boxenausgangs liegt. Wir haben solche Szenen schon bei anderen Rennen wie zum Beispiel in Baku gesehen, wo es eine lange Anfahrt zur Control Linie gibt."
Romain Grosjean gab zunächst den führenden Piloten die Schuld, die seiner Meinung nach zu lange gezögert und damit die "lebensgefährliche" Situation heraufbeschworen haben. Doch Valtteri Bottas ließ sich den Schwarzen Peter nicht zuschieben. "Mich trifft keine Schuld. Ich habe natürlich so spät wie möglich beschleunigt. Aber vorher bin ich eine konstante Geschwindigkeit gefahren. Und das Rennen beginnt bekanntlich erst an der Linie. Die Jungs, die gecrasht sind, brauchen gar nicht zu jammern."
Die FIA-Kommissare kamen zum gleichen Urteil. Nachdem alle direkt Beteiligten vorgeladen und die Telemetrie-Daten und Onboard-Aufnahmen analysiert wurden, entschieden die Schiedsrichter, nicht einem Fahrer alleine die Hauptschuld zu geben. Stattdessen wurde gegen zwölf Piloten eine Verwarnung ausgesprochen. Bei Kevin Magnussen, Daniil Kvyat, Nicholas Latifi, Alex Albon, Lance Stroll, Daniel Ricciardo, Sergio Perez, Lando Norris, Esteban Ocon, George Russell, Antonio Giovinazzi und Carlos Sainz erkannte man in den Daten, dass sie während des Restarts immer wieder mit Gas und Bremse gespielt und keine konstante Geschwindigkeit eingehalten haben.
Wird die Sicherheit für die Show geopfert?
Lewis Hamilton nahm Teamkollege Bottas gegen die Anschuldigungen der Fahrerkollegen in Schutz. Der Weltmeister attackierte stattdessen die Rennleitung: "Die Lichter am Safety-Car werden immer später ausgemacht. Dadurch hat man keine Chance, eine Lücke aufreißen zu lassen und schon vor der letzten Kurve das Tempo anzuziehen. Die Verantwortlichen versuchen es aufregender zu machen und die Show zu verbessern. Aber heute wurden Piloten dadurch in Gefahr gebracht. Das war wohl ein bisschen über dem Limit."
Masi widersprach den Anschuldigungen vehement. "Die Sicherheit steht bei der FIA immer an oberster Stelle. Punkt. Die Lichter sind, wenn man es ins Verhältnis zur Control-Linie setzt, nicht später ausgegangen als sonst. Eher noch früher." Der Rennleiter sieht die Verantwortung bei den Piloten. "Am Ende sind hier die 20 besten Fahrer der Welt unterwegs. In der Formel 3 hatten wir am Vormittag einen sehr ähnlichen Safety-Car-Restart, und der lief bei den Juniorpiloten gesittet und ohne Zwischenfälle ab. Ich glaube auch nicht, dass man die Regeln überdenken muss. Natürlich hat die lange Gerade zum Crash beigetragen. Aber am Ende beginnt das Rennen erst ab der Linie. Vorher darf nicht überholt werden. Die Regeln sind ja nicht neu."
Einige im Fahrerlager fragten sich auch, warum das Rennen nach dem Stroll-Crash direkt abgebrochen und nicht mit dem Safety-Car neutralisiert wurde. Nach dem Abbruch in Monza wurden die roten Flaggen nun schon drei Mal in zwei Rennen geschwenkt. "Im Falle von Lance Stroll hatten sich 30 bis 40 Meter Abdeckung von den Reifenstapeln gelöst", erklärt Masi. "Man hätte auch 20 Runden hinter dem Safety-Car zurücklegen können um die Banden zu reparieren. Aber das will ja keiner sehen."
Wie raste Albon zum ersten Podium?
Alexander Albon wurde nach mäßigen Leistungen zuletzt immer wieder kritisiert. Nach dem ersten Podium in Mugello dürften die Kritiker nun erst einmal verstummen. Der Thailänder holte nach dem Verstappen-Ausfall das maximal Mögliche für sein Team heraus. Dabei deutete am Anfang noch gar nichts darauf hin, dass sich der Youngster am Ende einen Pokal abholen darf. Beim zweiten stehenden Start in Runde neun war der Red-Bull-Pilot von Rang vier bis auf sieben abgerutscht.
Doch anstatt den Kopf in den Sand zu stecken zeigte Albon sein Kämpferherz. Bis zum Boxenstopp hatte sich der 24-Jährige schon wieder auf Rang fünf nach vorne gearbeitet. Der Stroll-Crash bescherte Albon eine weitere Position. Doch beim zweiten Neustart ging es für Albon erneut kurz rückwärts. "Die Starts waren wirklich etwas frustrierend heute. Ich wusste aber, dass wir eine gute Pace haben und ich nur geduldig sein muss."
Fünf Runden vor dem Ende hatte er plötzlich Daniel Ricciardo im Renault auf dem letzten Podiumsplatz vor der Flinte. Doch eigentlich hieß es doch, dass man in Mugello gar nicht überholen kann? "Wir waren zum Glück im letzten Sektor und speziell in der letzten Kurve sehr stark unterwegs. Das hilft auf einer Strecke, wo es nur eine Möglichkeit zur Attacke am Ende der Zielgeraden gibt", erklärte der WM-Fünfte. "Der Renault ist aber leider auch sehr schnell auf der Geraden, deshalb bin ich nicht so einfach rangekommen, wie ich dachte. In letzter Sekunde habe ich mich zum Angriff auf der Außenbahn entschieden. Ich hatte schon etwas Sorgen, aber Daniel hat mir genug Platz gelassen. Ich bin erleichtert, dass es endlich mit dem ersten Podium geklappt hat. Das war überfällig."
Warum war Ferrari so schwach?
Nach der Pleite in Monza hatte man bei Ferrari in Mugello eigentlich auf einen Aufschwung gehofft. Die hauseigene Strecke in der Toskana verlangt deutlich mehr Abtrieb. Das sollte dem SF1000 eigentlich entgegen kommen, dem es bekanntlich vor allem an Motorleistung mangelt. Charles Leclerc gab den Tifosi mit Platz fünf in der Qualifikation zusätzliche Hoffnung. Doch im Rennen zeigte sich schnell, dass die gute Startposition zum Teil der überragenden Leistung des Fahrers zum anderen dem Gelbe-Flaggen-Pech der Konkurrenz im Q3 zuzuschreiben war.
Das Startchaos hatte den Ferrari mit der Startnummer 16 zunächst noch bis auf Rang drei weiter nach vorne gespült. Doch kaum war das Rennen nach dem zweiten stehenden Start in die Gänge gekommen, musste sich der Youngster rückwärts orientieren. Innerhalb von drei Runden verlor Leclerc drei Positionen. Erst ein vorgezogener Boxenstopp erlöste den Monegassen. Am Ende hatte es Ferrari nur den vielen Ausfällen zu verdanken, dass es beim Jubiläumsrennen überhaupt noch mit WM-Punkten klappte. Ohne die Fünfsekunden-Strafe gegen Kimi Räikkönen wär das Scuderia-Duo sogar hinter dem Alfa-Kundenteam gelandet.
Ein Grund für die schwache Vorstellung lag im Aero-Setup. Um auf der langen Geraden mithalten zu können, wurde der Abtrieb reduziert. Dadurch fehlte die Bodenhaftung im kurvigen Teil, was wiederum den Reifenverschleiß in die Höhe trieb. Sebastian Vettel fand deutliche Worte: "Wir waren nicht so schnell wie erhofft. Uns fehlt einfach Speed. Auch die neue Motor-Regel hat uns nicht weitergeholfen. Das ist ernüchternd. Ich hatte zu keiner Zeit den Grip zu attackieren. Es gab heute nicht viele Autos, die langsamer waren als wir." Leclerc und Vettel hoffen jetzt, dass es in Sotschi mit einem neuen Aerodynamikpaket aufwärts geht. Binotto trübte diese Hoffnung schnell: "Es ist nur ein kleines Upgrade."
In der Galerie zeigen wir noch einmal die Highlights des Rennens.