Schöne neue Turbo-Welt
Mercedes hat bei der Motorentwicklung einen Vorsprung. Ferrari
scheint einen, Renault drei Schritte hinterherzuhinken. Mercedes
hat offenbar den kompromisslosesten Weg gewählt. Mit eigenen
Turboladern und Kolben. Hat Renault vielleicht am falschen Ende
gespart?
Da sind sich alle einig. Zwei Wochen vor dem Start in die neue Formel 1-Saison hat Mercedes beim Motor einen Vorsprung. Keiner fährt so viel wie die Autos mit der Antriebseinheit aus Brixworth im Heck. Auch Mercedes hat seine Pannen. Sie treten nur seltener auf als bei der Konkurrenz.
Viele der Probleme, die Renault in Bahrain aussortierte, hatte Mercedes in Jerez schon abgehakt. Bei Ferrari unterscheidet sich die Vorbereitungs-Strategie. Während Mercedes von Anfang an aufs Ganze ging, um zu lernen, hat sich Ferrari vorsichtig dem Limit angenähert. Um Kilometer zu machen.
Turbolader und Kolben aus eigenem Haus
Mercedes geht bei der Entwicklung der neuen Antriebseinheit kompromissloser voran als die Konkurrenz. Die Turbolader wurden nicht bei einschlägigen Herstellern eingekauft, sondern sind eine Eigenkonstruktion. Auch die Kolben sind made by Daimler. "Damit haben wir maximale Flexibilität und maximale Kontrolle", erklärt Motorenchef Cowell. itemprop="name" />Andy Cowell./span>.
Ferrari kauft die Turbolader bei Honeywell ein, Renault bei APC, einer Firma, an welcher der österreichische Formel 1-Großlieferant Pankl die Mehrheit hält. Auch die Kolben für den Renault-Motor werden bei den Rennsport-Experten von Pankl hergestellt.
Red Bull hilft Renault
Bei den Batterien verlässt sich Mercedes auf die Technologie des US-Herstellers A123. Die Energiespeicher werden in China aufgebaut und dann zur Qualitätskontrolle nach Chicago geflogen. Ferrari und Renault vertrauen auf den französischen Hersteller Saft. Man munkelt, dass Red Bull lieber Panasonic, den Batterie-Partner von Nissan eingesetzt hätte. Da hat wohl Nationalstolz eine Rolle gespielt.
Obwohl Nissan viel Hybrid-Erfahrung hat, ist die Zusammenarbeit zwischen den Franzosen und Japanern nicht so intensiv, wie es sich Red Bull gerne gewünscht hätte. Schon wegen der Partnerschaft mit Infiniti. In der Stunde der Not greifen die KERS-Spezialisten von Red Bull ihrem Lieferanten Renault direkt unter die Arme.
Batterien in engem Gewichtsfenster
Defizite beim Energiespeicher sind schwer zu lösen. Die FIA gibt mit dem Gewicht zwischen 22 und 25 Kilogramm ein ganz enges Fenster vor, was sich auch auf den Energiefluss auswirkt. "Du bist bei der Batterie stark eingeschränkt. Wenn du Schwierigkeiten mit dem Laden und Entladen hast, dann kannst du die Kapazität nicht beliebig erhöhen, weil das Gewichtslimit im Weg steht", erklärt Cowell.
Angesichts der Schwierigkeiten, die Renault mit den Batterien und der MGU-H hatte und teilweise immer noch hat, gehen jetzt Spekulationen um, dass man bei der Entwicklung der neuen Motorentechnik vielleicht zu sehr aufs Geld geschaut hat. Wenn dem so war, dann wird das Nachbessern jetzt doppelt so teuer.
Honda lernt heimlich mit
Mercedes hat zwar die wenigsten Sorgen auf der Strecke, aber dafür Bedenken außerhalb. McLaren wird 2015 von Mercedes- auf Honda-Power umrüsten. Ein Technologietransfer ist unvermeidlich, obwohl alle Komponenten der Antriebseinheit verplombt und auch in der McLaren-Fabrik Aufpasser von Mercedes installiert sind. Doch wie will man verhindern, dass McLaren Erfahrungen in Bezug auf die Kühlung und die Positionierung der einzelnen Elemente macht?
Es lässt sich auch nicht vermeiden, dass McLaren-Ingenieure Einblick auf das Power-Management des Mercedes PU106A bekommen. Welcher Ladedruck, welche Drehzahl, wann die MGU-K und MGU-H speichern und Leistung abgeben. Honda wird dank McLaren besser vorbereitet in die Saison 2015 gehen, als wenn man mit einem neuen Team eingestiegen wäre. Die Pioniere Mercedes, Ferrari und Renault machen gewissermaßen die Drecksarbeit für die Japaner.