Taktikcheck GP Spanien 2016
Zwei Stopps ware in Spanien besser als drei. Trotzdem setzten Ferrari und Red Bull 2 ihrer Autos auf die langsamere Strategie. In unserem Taktik-Check analysieren wir die Optionen an der Spitze.
Der GP Spanien ist normalerweise ein überschaubares Rennen. Seit 1991 haben 19 Fahrer von der Pole Position gewonnen. Von den sieben Siegern, die nicht vom besten Startplatz aus ins Rennen gingen, stand Fernando Alonso 2013 am weitesten hinten: Auf Startplatz 5. Das zeigt, dass Barcelona in den meisten Fällen eine eher eintönige Prozession war. Diesmal nicht. Obwohl es nur noch 47 Boxenstopps gab und nicht mehr 79 wie 2013. Dafür aber 54 Überholmanöver. Das ist viel für Barcelona.
2016 kam der Sieger vom vierten Startplatz. Max Verstappen fuhr wie sein Verfolger Kimi Räikkönen mit einer Zweistopp-Strategie. Sie war nicht nur auf dem Papier der schnellste Weg über die 66 Runden-Distanz. Der Vorteil gegenüber 3 Stopps betrug 6 Sekunden. Auch auf der Rennstrecke erwies sich die Reifenfolge soft-medium-medium als Erfolgsmodell. 9 Fahrer vertrauten dieser Taktik. Auch die beiden Mercedes wären mit 2 Stopps gefahren. Die Boxenstopps waren für die Runden 14 und 40 geplant.
Ferraris Konter auf Verstappen war richtig
Da waren Verstappen und Räikkönen deutlich früher dran. Was weniger am Reifenverschleiß lag, sondern an der Konkurrenzsituation zwischen Red Bull und Ferrari. Aus Angst, der eine könnte den anderen mit dem früheren Boxenstopp austricksen, zog Red Bull seine Reifenwechsel so weit vor wie möglich. "Wir haben bei Vettel, wenn er frei fahren konnte gesehen, dass Ferrari im Schnitt 2 Zehntel schneller war als wir", gibt Red Bull-Teamchef Christian Horner zu bedenken.
Ferrari blieb nichts anderes übrig, als auf Red Bulls Manöver zu kontern. Bei Räikkönen war das nachvollziehbar. Verstappen holte sich in Runde 34 den zweiten Reifensatz ab. Hätte Ferrari mit dem Finnen nicht gleich nachgezogen, hätte man Verstappen die Gelegenheit gegeben, die Reifen in den ersten Runden zu schonen, bis Räikkönen wieder aufgeschlossen hätte. Man wollte aber, dass der Holländer den Satz Medium kaputtfährt. Tatsächlich erreichte der Sieger mit minimaler Gummiauflage das Ziel.
Erste Garde mit der schlechteren Taktik./strong>
Soweit macht alles Sinn. Die Taktik.Experten erstaunt jedoch, dass Red Bull und Ferrari die bessere Taktik der zweiten Garde mit auf die Reise gab. Daniel Ricciardo und Sebastian Vettel wurden dagegen auf ein Dreistopp-Rennen geschickt. Was sich am Ende als Fehler erwies. Vettel sagte klipp und klar: "Wir haben versucht, dem Spitzenreiter mit der Taktik zu folgen und mussten hinterher erstaunt feststellen, wie überlegen die Zweistopp-Strategie gegenüber 3 Stopps war."
Ricciardo drückte es weniger höflich aus: "Mein Team muss mir die Taktik erklären. Mit der Entscheidung auf 3 Stopps zu gehen, war ich gezwungen 3 Autos auf der Strecke zu überholen. Das ist in Barcelona extrem schwierig. Rückblickend war es auf jeden Fall der falsche Schachzug."
Die Strategen der Konkurrenz unterschreiben das: "Red Bull hat Ricciardo auf die denkbar schlechteste Strategie gesetzt. Von außen sah es so aus, als wollte das Team, dass Verstappen gewinnt. Ferrari hat den Fehler gemacht, mit Vettel auf Ricciardo zu reagieren."
Horner verteidigt sich: "Es war klar, dass Ferrari uns nur schlagen konnte, wenn sie es mit 3 Stopps probieren würden. Uns blieb nur übrig, das besser platzierte Auto gegen Vettel zu stellen, und das war zu dem Zeitpunkt Ricciardo. Ferrari hat dann entschieden, Vettel sehr früh zum letzten Stopp hereinzuholen, um ihn an Ricciardo vorbeizubringen. Daraufhin haben wir mit Daniel das Gegenteil gemacht. Ihn so lange fahren lassen wie möglich, damit er im letzten Stint von allen 4 Fahrern die besten Reifen hat."
Berichte aus dem Verstappen-Lager, dass der zweite Reifensatz von Ricciardo schon am Ende war und ihn zu einem frühen zweiten Stopp gezwungen habe, bezeichnet Horner als falsch: "Beide hatten ungefähr die gleiche Reifenabnutzung. Das konnten wir anhand der Rundenzeiten und der Reifentemperaturen erkennen."
Einfacher Weg aus Red Bull-Dilemma
Aus Sicht der Strategie-Spezialisten war der Wechsel auf 3 Stopps ein höchst riskanter Schachzug ohne große Erfolgsaussichten. "Der Grund, warum Red Bull Ricciardo auf 3 Stopps umdisponierte war die Angst, eine Position mit einem ihrer Autos durch einen Undercut von Ferrari zu verlieren. Sie haben das dadurch zu unterbinden versucht, indem sie die Taktik gesplittet haben."
Es hätte aber einen viel einfacheren Weg aus dem Dilemma gegeben, ohne den Führenden Ricciardo zu beschädigen: "Das Problem von Red Bull war, dass beide Autos eng zusammenlagen. So hätte es Vettel theoretisch durch einen vorgezogenen Stopp an beiden Red Bull vorbei schaffen können. Aber er hätte dann bei einer Zweistopp-Strategie sehr lange auf einem Reifensatz fahren müssen. Es wäre ein Poker mit hohem Risiko geworden, weil Vettels Reifen in den letzten Runden ziemlich am Ende gewesen wären. Ein Undercut mit 3 Stopps hätte für Ferrari gar keinen Sinn gemacht. So hätte Vettel nie gewonnen."
Red Bull musste wissen, dass Ferrari nur auf Soft-Reifen schneller war. Mit den Medium-Sohlen lag der Vorteil bei Red Bull, wie Vettel nach dem Rennen zugab. Es gab also wenig Grund nervös zu werden. Und was wäre der Königsweg für Red Bull gewesen? "Sie hätten sich gegen einen Undercut von Ferrari dadurch absichern müssen, indem Verstappen ein bisschen Abstand hält, um Ricciardo davor zu schützen. So hätten sie Ricciardos Sieg sichergestellt, was auch immer passiert wäre. Ferrari hätte es dann auch nicht mit einem frühen Stopp von Vettel probiert. Im Gegenteil: Verstappen hätte dann noch vor den Ferrari stoppen und auch noch Platz 2 verteidigen können."
Ferrari hat auf Ricciardo falsch gekontert
Ferraris Fehler war nach Ansicht der Analysten fast noch schlimmer. "Es gab an Hand der Erfahrungen von den Longruns am Freitag bis hin zu den ersten beiden Stints kein Indiz, dass sich ein Dreistopprennen für Ferrari auszahlen würde. Es war mehr eine Verzweiflungstat. Ricciardo wäre auch Vierter geworden, wenn Vettel auf der Strecke geblieben wäre."
"Schlimmstenfalls wären Seb und Kimi auch so Zweiter und Dritter geworden. Richtig war, ihn früh zum dritten Stopp zu holen. Vielleicht hätte Vettel sogar gewinnen können, wenn man ihn zuerst draußen gelassen hätte, um dann Verstappen mit dem früheren zweiten Stopp zu überholen."
Horner bestreitet diese Theorien: "Was wir unterschätzt hatten war, dass Sebastian nicht so schnell auf die Spitzenreiter aufschließen konnte wie erwartet. Das hat Daniel Zeit gekostet. Wenn er früher an Seb vorbei gekommen wäre, hätte er gegen die ersten beiden Autos einen riesigen Reifen-Vorteil gehabt." Sein Fazit: "Nachher ist man immer schlauer, doch zu dem Zeitpunkt des Rennens war Vettel unser Hauptgegner, und gegen den mussten wir uns mit Ricciardo absichern."