Technik-Tricks im WM-Kampf
Die F1-Top-Teams kümmern sich nicht nur um sich selbst. Sie belauern auch die Konkurrenz. Und stellen dabei Dinge fest, die ihnen seltsam vorkommen. Unter Verdacht sind bewegliche Flügel, Tricksereien mit dem Öl oder Kommandos am Funk.
Je näher die WM-Entscheidung rückt, desto härter die Bandagen. Mercedes, Ferrari und Red Bull misstrauen sich gegenseitig. Kaum fährt Red Bull wieder um Siege mit, schauen die Gegner genau auf die blauen Autos. Und wollen gesehen haben, dass sie die Frontflügelendplatten erneut deutlich verbiegen. Und die Bügelflügel über den Seitenkästen dazu. Da hatte es schon nach Silverstone eine Abmahnung durch die FIA gegeben. Lewis Hamilton nahm bei seiner Donnerstags-Pressekonferenz sogar das böse Wort „ Flexi-wings“ in den Mund. Ohne den Adressaten zu nennen.
In Suzuka geriet auch Ferrari ins Visier. Warum wurde das Getriebe von Sebastian Vettel nach dem GP Malaysia zum Check nach Maranello geflogen? Kann man nicht vor Ort prüfen, ob die Kraftübertragung durch die Kollision mit Lance Stroll in der Auslaufrunde des Rennens in Mitleidenschaft gezogen wurde? In den Fragen schwingt der Verdacht mit, dass Ferrari die Innereien des Getriebes heimlich getauscht hat, um einer Strafe zu entgehen.
Alles heiße Luft, heißt es aus FIA-Kreisen. Die Siegel wurden nach der Ankunft in Suzuka am Getriebe im ausgebauten Zustand überprüft. Ferrari durfte die Kraftübertragung vorher nicht einbauen. Die Siegel waren alle unbeschädigt und am richtigen Ort.
Außerdem würden nach Informationen des Verbandes alle Top-Teams ihre Kraftübertragungen zwischen den Rennen nach Hause schicken, um sie auf Schäden hin zu untersuchen. Dort haben sie spezielle Prüfstände, auf den sie die Funktionen der Schaltbox prüfen können. Es muss ein Vermögen kosten, die Teile für ein paar Tage rund um die Welt zu fliegen.
Wozu braucht man so viel Öl?
Ein viel ernsterer Vorwurf ist, dass Ferrari eine Flüssigkeit benutzt haben soll, die bei Bedarf in die Brennräume gespritzt wird, um kurzfristig mehr Leistung zu erzielen. Es soll in Montreal und in Monza Beanstandungen gegeben haben. Es ist das alte Ölverbrauchsthema, neu aufgewärmt. Für alle neuen Motoren, die ab Monza eingeführt wurden, gelten 0,9 Liter pro 100 Kilometer. Davor waren es 1,2 Liter.
Die FIA hält sich zu dem Thema bedeckt. Es ist eine Gratwanderung, weil es dafür noch keine Regel gibt, sondern nur eine technische Direktive. Man hört nur, dass Mercedes und Ferrari beim Ölverbrauch weit über Renault und Honda liegen. Da muss ein Plan dahinterstecken. Ansonsten braucht keiner Öl in einem Maße, bei dem man laut Red Bull-Teamchef Christian Horner schon von „ Dieselmotoren“, sprechen könnte.
Es wird vermutet, dass zumindest Ferrari mit unterschiedlichen Ölsorten fährt, diese in mindestens drei Tanks lagert und bei Bedarf so mischt, dass man sie als leistungsförderndes Additiv im Verbrennungsprozess nutzt. Die Regeln verbieten die Nutzung unterschiedlicher Öle nicht.
Der Transfer in die Zylinder geht theoretisch über extrem dünnflüssige Öle, die es von unten an den Kolbenringen vorbei in den Brennraum schaffen. Das würde aber nur für die schnellen Qualifikationsrunden Sinn machen. Über längere Distanz würde der Motor in Mitleidenschaft gezogen.
Der andere Trick ist es, die bei der Öl-/Luftabscheidung entstehenden Gase als Power-Hilfe zu nutzen. Sie müssen laut Reglement wieder in den Ansaugtrakt geblasen werden. Allerdings muss die Konsistenz des Öls der entsprechen, die die FIA vor dem Rennen gemessen hat. Wer zwischendrin über Zusatztanks ein Öl dem anderen beimischt, hat hinterher bei der technischen Abnahme ein Problem.
Der Verdacht gegen Ferrari wurde verstärkt, seit es die ersten Bilder vom offenen Ferrari-Heck gibt. Die Motorprobleme in der Startaufstellung gaben unter anderen den Blick auf einen länglichen Behälter oberhalb des Zylinderkopfes frei. Viele würden gerne wissen, was da drin ist.
Was macht der OVR-Knopf bei Ferrari?
Ein Ölmix, der im Fahrbetrieb durch gezieltes Vermischen von Flüssigkeiten entsteht, müsste vor Ende des Rennens abgelassen werden, damit er bei der technischen Abnahme nicht entdeckt wird. Die Warnlampen gingen an, als Vettel in Monza drei Mal gebeten wurde, den OVR-Knopf zu drücken. Zu einem Zeitpunkt, wo seine Position im Rennen sicher war, er also keine Extra-Power mehr brauchte.
Wir hören aus eingeweihten Kreisen, dass es nach Monza eine letzte Warnung gab. Und dass bei WM-Gegner Mercedes auch keine Engel arbeiten. Auch dort wird das Motoröl trickreich eingesetzt, einfach nur anders. Im nächsten Jahr ist damit Schluss. Dann gibt es für Öl gleich strenge Regeln wie für Benzin.
Abhören ist in Zeiten des offenen Funkverkehrs ein normaler Vorgang. Die meisten Teams zeichnen den kompletten Funkverkehr auf und bringen ihn zu Papier. Bei seltsamen Befehlen wird genauer nachgeschaut, was im Cockpit des betreffenden Autos passiert.
Die Konkurrenz rätselt zum Beispiel, was es mit Ferraris Kommando „secure the cockpit“ auf sich hat. Der wird den Fahrern hin und wieder nach dem Rennen ins Auto gefunkt. Es fiel in Sotschi und in Sepang auf.
Die Verschwörungstheoretiker vermuten geheime Referenzpunkte für die Kupplung, die in der Auslaufrunde entfernt werden müssen. Vielleicht hören die Teams in ihrer Paranoia aber auch das Gras wachsen, und die Befehle stellen sich am Ende als ganz banal heraus.