Carthago Chic C-Line 4.9 im Test

Das Gesicht prägt sich ein. Doch außer dem markigen Auftritt hat der Bestseller von Carthago noch mehr zu bieten. Kann der C-Line die hohen Erwartungen, die der Grundpreis weckt, erfüllen?
Mit dem Chic begann der Aufstieg von Carthago. Als Campingbus-Ausbauer gestartet, konzentrierte sich der Hersteller später auf aufgebaute Reisemobile der Oberklasse. Vor rund zehn Jahren schließlich stieß der Chic in volumenträchtigere Segmente vor und mischt seitdem erfolgreich bei den Integrierten mit Premiumanspruch mit. Viele Varianten wurden von dem Modell abgeleitet, vom günstigeren C-Tourer bis zum teuren S-Plus – und eben dem C-Line, der als Kern der Modellfamilie das Maß der Dinge ist: Aushängeschild, Innovationstreiber und Renditebringer zugleich. Die Konkurrenz war ebenso beeindruckt wie das Publikum. promobil-Leser kürten den Chic kürzlich zum beliebtesten Reisemobil seiner Klasse.
Ein wichtiges Erfolgsmerkmal des Chic war neben hochwertiger Technik stets auch das Design. In einem C-Line reist man nicht nur auf gehobenem Komfortniveau, sondern obendrein auch ansehnlich; und noch auffälliger, seit die Miene mit dem großen Facelift zur Saison 2015 noch deutlich aggressiver geworden ist. Wesentliche Stärken behielt der Integrierte bei, wurde aber auch in einigen Punkten verbessert. Im Modelljahr 2016 folgten weitere Detailoptimierungen vor allem optischer Art. Im Supercheck schauen wir uns das Einzelbetten-Modell 4.9 genauer an.
Carthago Chic C-Line 4.9
- Gurte/Schlafplätze: 4/4
- Zul. Gesamtgewicht: 4.500 kg
- Länge/Breite/Höhe: 7,45/2,37/2,89 m
- Grundpreis ab 91.350 Euro
Wohnen
Die Extravaganz bleibt dem Außendesign vorbehalten. Der Innenraum strahlt vor allem Gediegenheit aus. Wer im C-Line auf Reisen geht, genießt dieses wohnlich-wohlige Zuhausegefühl. Am Stellplatz angekommen, sind die Vordersitze schnell gedreht. Die hintere Eckbank mit den angenehm konturierten Lehnen lädt so richtig schön zum Reinlümmeln ein und lässt sich bei Bedarf so umbauen, dass zwei Passagiere angegurtet mitfahren können. Der Tisch allerdings, der zwar dreh- und verschiebbar ist, beim Durchstieg nach hinten aber trotzdem immer ein bisschen im Weg steht, lässt sich nicht abbauen und ist so für hinten Mitfahrende immer ein gewisses Sicherheitsrisiko.
Im Heck findet man zwei bequem zugängliche Längsbetten vor. Auf immerhin 2,01 Meter Länge streckt sich das rechte Bett, während das linke mit 1,86 Meter spürbar kürzer ist. Am tadellosen Liegekomfort auf nachgiebig federnden Kaltschaummatratzen ändert das freilich nichts. Die Sitzhöhe reicht aus, und wer will, kann alles mit einem genial einfachen System zur Liegewiese umbauen. Literaturfreunde werden sowohl die Ablagen in den Ecken als auch die zwei Lesespots zu schätzen wissen.
Dass der Chic vornehmlich auf eine Zweier-Nutzung ausgelegt ist, merkt man nach einer Nacht im Hubbett. Zwar senkt sich das überdurchschnittlich große Bugbett weit herunter, liegt sicher und wackelfrei auf, doch die dünne Matratze samt Unterbau ist hart und der Schlaf entsprechend weniger erholsam. Der Mechanismus selbst erfordert viel Kraft. Die Chance, sich zu profilieren, werden wohl manche Männer gern annehmen.
Die Küche ist edel, optisch gelungen und macht auch funktional einen glänzenden Job. Mit ihrer geschwungenen Arbeitsplatte kommt sie dem Koch ergonomisch entgegen und bietet viel Abstellmöglichkeiten auf mehreren Ebenen. Die eingelassene Spülenabdeckung ist gut als Arbeitsfläche nutzbar. Stauraum gibt’s im Überfluss, auch für gekühlte Vorräte. Hinter der Vitrine versteckt sich sogar ein Aufzug für eine Kaffeekapselmaschine, und im mittleren Auszug finden sich zwei Mülleimer. Eher klein ist der Kocher, zwei größere Töpfe sind darauf kaum unterzubringen, und auch die unhandlichen Drehknöpfe sind fummelig zu bedienen.
Weniger opulent ist das Raumgefühl im angrenzenden Wasch- und WC-Raum. So kommt die Möglichkeit, die Tür auch über den Gang hinweg zu schließen und Waschraum und Dusche zu verbinden, gerade recht. Ohne eine Abschottung zum Schlafzimmer fällt der Blick auf die ausreichend große Dusche, in der allerdings der Absatz über dem Radkasten die Standfläche empfindlich einschränkt.
Vor allem beim Waschtisch ist die Materialwahl nicht wirklich erstklassig. Was auch für die Möbel mit ihren einfachen Papierdekor-Oberflächen gilt, der überwiegend soliden Machart jedoch keinen Abbruch tut.
Beladen
Gut gerüstet für die große Reise ist der C-Line in Sachen Stauraum. Wie bei nicht zu ausladenden Modellen dieses Zuschnitts gängig finden sich beim 4.9 die zwei Kleiderschränke allerdings unter den Heckbetten. Dennoch kommt man gut an die Kleiderstangen, weil sich die Fußenden hochklappen lassen. Dazu gibt es neun Hängeschränke, die man ebenso wie die Schuhschublade in der Sitzbank gern in Anspruch nimmt.
So findet alles seinen Platz, und noch ein bisschen mehr, denn obendrein stattet Carthago den Chic mit zwei tief abgesenkten, isolierten Bodenwannen aus. An zwei Staufächer im Doppelboden kommt man von außen heran. Sie sind unter der Sitzgruppe über eine schmale, 13 Zentimeter hohe Durchlade verbunden. Kabeltrommel und Keile sind hier gut aufgehoben. Für Fahrräder oder E-Bikes dient sich die große Heckgarage an. Zurrösen, Lampe und die praktischen Gummizüge an der Rückwand erleichtern das Verstauen. Angenehm, dass die Türen jetzt weiter öffnen und nicht mehr im 90-Grad-Winkel abstehen. Der dazu notwendige breite Spalt in den Schürzen ist ästhetisch allerdings keine Offenbarung.
Stattliche Länge und hohes Ausstattungsniveau haben einen Preis: ein amtliches Leergewicht. Wie unsere Wiegung zeigt, reicht die Zuladung nur, wenn man das Maxi-Chassis gleich dazubestellt.
Technik
Vielen Reisemobilkennern gilt Carthago als Technik-Primus, und diesem Ruf wird die Aufbaukonstruktion auch gerecht. Selbst in emanzipierten Preisklassen um 90.000 Euro sind beidseitig mit Aluminium beplankte Wände keine Selbstverständlichkeit. Stabilität verleihen der Karosserie mit den elegant gerundeten Dachkanten außerdem Ankerprofile, mit denen Wände und Boden miteinander verbunden sind. In den Klappenrahmen versteckte Scharniere betonen die plane Optik. Die Aufbautür fällt bemerkenswert leise und satt ins Schloss. Sie lässt sich optional auch über die Fernbedienung entriegeln. Die Dämmung wurde zum Modellwechsel 2015 nochmals verbessert: Nun hat auch der obere Laufboden einen Kern aus Isolierschaum.
Wintercamper freuen sich über große Wassertanks, die frostsicher und für die Wartung über eine große Bodenluke sehr gut zugänglich im Doppelboden untergebracht sind. Für Reisen in der kalten Jahreszeit empfiehlt sich statt der serienmäßigen Combi- aber eine Warmwasserheizung. Beim Testwagen mit Gebläseofen blieb es im Cockpit merklich kühler, und mangels Ausströmern neigen die Seitenscheiben zum Beschlagen. Eine Doppelverglasung sowie eine elektrisch heizbare Frontscheibe gibt es optional.
Beruhigende Stromreserven steuern serienmäßig zwei 80-Ah-Gel-Batterien bei, für deren Ladung das einfache 16-Ampere-Ladegerät gerade ausreicht. Die Elektrozentrale samt Sicherungen und FI-Schalter ist sehr aufgeräumt in der Heckgarage installiert. Im Innenraum sorgt die sparsame, teils dimmbare LED-Beleuchtung für Wohlfühlatmosphäre. Trotz vielfältiger Lichtquellen – vom praktischen Kartenlicht im Cockpit über die dezenten, indirekten Leuchtstreifen an der Decke bis hin zu dem sehr schick gestalteten Eingangsbereich mit hinterleuchtetem Bügelgriff – wird es in einigen Bereichen jedoch nur mittelmäßig hell.
In Sachen Sicherheit gibt es Abzug für das fehlende Absturznetz am Hubbett und scharfe Metallteile in den Hängeschrankeingriffen. Bescheiden ist zudem der Zugang zum Motorraum, ein Tribut an das steil abfallende Armaturenbrett. Doch die gute Sicht auf die Straße ist einem herzlich egal, wenn man sich beim Kühlwassernachfüllen plagt.
Fahren
Mit dem Facelift zum Modelljahr 2015 erhielt der Chic C-Line neben dem augenfälligen Kühlergrill auch eine um neun Zentimeter höhere Frontscheibe. Die Auswirkungen beim Fahren sind durchaus spürbar, denn besonders der Blick auf Ampeln oder Verkehrsschilder fällt nun erheblich leichter als vorher. Wie eh und je vermittelt das steil abfallende Armaturenbrett einen guten Blick auf die Straße. Im Zusammenspiel mit den großen Spiegeln und der Rückfahrkamera beherrscht man den C-Line trotz stattlicher Länge und Breite und eingeschränkter Handlichkeit schnell.
Für eine gewisse Leichtigkeit beim Fahren sorgt im Fall des Testwagens der optionale, teure und schwere 3-Liter-Diesel. Doch dessen Drehmoment lässt sich wegen der limitierten Höchstgeschwindigkeit kaum je auskosten. Stattdessen genehmigt sich die große Maschine einen ordentlichen Extraschluck aus dem Tank. Wer schwere Lasten, wie ein Pkw-Beiboot zu ziehen hat, ist damit jedoch zweifellos gut bedient, denn schon der Chic selbst ist kein Leichtgewicht. Nachsicht erfordert der straffe Federungskomfort, Umsicht der lange Hecküberhang, sowohl beim Befahren von Fährrampen als auch beim Ausschwenken in Kurven. Die Geräuschkulisse hat Carthago im Griff: Ein Klappern der Möbel ist praktisch nicht zu vernehmen, und auch der Motor ist gut gedämmt.
Preise
Zum emanzipierten Grundpreis rollt der Chic C-Line bereits sehr gut ausstaffiert zum Kunden und kann sich auch im Wettbewerbsvergleich sehen lassen. Da für Reisemobile dieser Größe generell eine Rückfahrkamera sinnvoll ist, lohnt sich gleich der Griff zum "Super-Paket", das zwar weitere 4290 Euro kostet, aber auch andere sinnvolle Ausstattungen enthält. Untentbehrlich ist zudem ein tragfähigeres Fahrgestell. Der 177-PS-Motor macht Spaß, ist aber teuer und schwer. Die Vernunft spricht für den laufruhigen 148-PS-Diesel.