Ricciardo verspricht Attacke
McLaren hat in Monza die realistische Chance, zum ersten Mal seit dem Brasilien-Grand-Prix 2012 wieder ein Rennen zu gewinnen. Dazu muss man aber am Start irgendwie an Max Verstappen vorbei. Daniel Ricciardo verspricht volle Attacke. Andreas Seidl mahnt, keine dummen Dinge zu tun.
Nach der Enttäuschung von Zandvoort sind bei McLaren in Monza wieder fröhlichere Gesichter zu sehen. Schon das Qualifying am Freitag hatte einen klaren Aufwärtstrend angedeutet. Im Sprint am Samstag lief es dann für Daniel Ricciardo und Lando Norris noch besser. Beide schossen schon auf den ersten Metern an Lewis Hamilton vorbei und rollten auf den Plätzen drei und vier ins Ziel.
Ein Schlüssel für die Platzverbesserung lag in der riskanten Strategie mit weichen Reifen am Start. "Wir waren überzeugt, dass sie die komplette Distanz durchhalten. Aber als dann alle um uns herum auf Mediums standen, bin ich schon etwas ins Grübeln gekommen, ob wir das Richtige machen", gab Teamchef Andreas Seidl zu.
Ricciardo lobte die aggressive Entscheidung: "Wir waren die einzigen, die in den Top Ten gepokert haben. Das hat funktioniert. Es hat auch gleich allen klargemacht, dass wir angreifen wollten." Auch Norris freute sich über den Taktik-Coup: "Wir wussten, dass wir mit den Softs Vorteile am Start haben. Wir konnten perfekt umsetzen, was wir uns vorgenommen hatten."
Mögliche Führung verteidigen
Weil Valtteri Bottas mit seiner Motorenstrafe das Rennen am Sonntag von ganz hinten starten muss, trennt nur noch Polesetter Max Verstappen das McLaren-Duo vom Sieg. Norris versucht allerdings, die Erwartungen klein zu halten. "Der Red Bull und der Mercedes sind so stark. Heute konnte ich Lewis hinter mir halten. Aber auf die längere Distanz macht sich ihr besserer Reifenverschleiß deutlicher bemerkbar."
Ricciardo hingegen will einen möglichen Italien-Sieg nicht voreilig abschreiben. Der Australier plant, seinen ehemaligen Red-Bull-Teamkollegen direkt auf dem Weg in die erste Kurve zu schnappen: "Ich denke, dass wir am Start eine gute Möglichkeit haben, die Führung zu übernehmen. Und dann werden wir sehen, was in den 50 Runden danach passiert. Ich bin sehr positiv eingestellt – vielleicht sogar etwas zu selbstbewusst."
Ricciardo warnt seine Strategen schon mal vor, dass sie am Sonntag möglicherweise eine Führung verteidigen müssen: "Die größte Gefahr sehe ich bei den Boxenstopps. Da können die schnelleren Autos ihre Vorteile mit Over- und Undercuts ausspielen. Ich bin dafür, dass wir voll angreifen. Max hat dieses Jahr schon genug Rennen gewonnen. Da könnte er mich doch einfach mal nach hinten abschirmen. Ich würde ihm auch die schnellste Rennrunde überlassen."
Solide Punkte oder volle Attacke?
Teamchef Andreas Seidl mahnt vor zu viel Optimismus. Der direkte Konkurrent heißt Ferrari und nicht Mercedes oder Red Bull. Solange die roten Autos weiter hinten stehen, muss man dem Rivalen um Platz drei in der Teamwertung wertvolle Zähler abnehmen. "Ich wäre mit soliden Punkten schon zufrieden. Wir dürfen einfach nichts Dummes machen."
Der Bayer ist aber auch ein echter Racer. Der erste Sieg seit neun Jahren wäre für alle bei McLaren eine willkommene Belohnung für die harte Arbeit: "Wir wachen jeden Sonntag mit dem Ziel auf, wieder Rennen zu gewinnen. Wir wissen, dass wir ein konkurrenzfähiges Auto haben. Da werden sich Möglichkeiten ergeben. Die wollen wir nutzen."
Besonders freut sich der Teamchef, dass Sorgenkind Ricciardo wieder zu alter Form zurückgefunden hat: "Die Sommerpause hat ihm geholfen. Er besitzt nun mehr Vertrauen in sich selbst und in sein Auto. Das sieht man in den Daten und in der Rundenzeit. Für uns ist es ganz wichtig, dass beide Fahrer regelmäßig punkten."
Der Pilot erklärt, wie er die Wende geschafft hat: "Ich habe den August genutzt, um etwas Abstand zu gewinnen und das ganze aus einer anderen Perspektive zu betrachten." Dass jetzt der alte Ricciardo wieder zurück ist, bestreitet der Sunnyboy aus Perth aber. "Der alte Ricciardo war nie wirklich weg. Er hat nur einen kleinen Schritt zur Seite gemacht."