Golf 7: Wisch und weg
Man muss schon sehr genau hinsehen, um zu erkennen, was am neuen Golf neu ist. Das ist von VW so gewollt. Der Fokus beim Facelift lag mehr auf dem Innenraum. Erstmals gibt es virtuelle Instrumente und eine Gestensteuerung.
Sogenannte Facelifts dienen in der Autobranche dazu, ein Modell über dessen Lebenszyklus von etwa sieben Jahren attraktiv zu halten. Das gilt natürlich auch für den Golf, noch immer mit weitem Abstand das Lieblingsauto der Deutschen. Mittlerweile ist der Wolfsburger mehr als vier Jahre alt - aber deswegen nicht wirklich unmodern oder altbacken. Mit ein Grund, warum Volkswagen diesmal im Zuge der Modellpflege, intern PA - Produktaufwertung - genannt, äußerlich nur ganz behutsam vorging.
Vom Blech ließ man daher die Finger. Änderungen wären schlicht zu teuer, weil in millionenteure Presswerkzeuge investiert werden müsste. Und für die restliche Laufzeit - der Golf 8 soll bereits 2019 erscheinen - lohnt sich das nicht. Also bleibt es wie üblich bei den Erneuerungen der Anbauteile wie Stoßfänger, Grill und Scheinwerfer. Letztere erhielten eine neue Lichtsignatur. Die Tagfahrlichter wirken optisch wie eine Verlängerung der Chromleiste im Kühlergrill. Voll-LED-Scheinwerfer lösen dabei die Xenonlichter ab, sind aber erst in den höheren Ausstattungslinien serienmäßig. Bei den Rückleuchten ist VW spendabler, durchweg alle Varianten haben ab Werk jetzt LED-Rückleuchten mit 3D-Effekt.
Großes Display und Gestenwischerei
Spätestens nach dem Hineinsetzen bemerkt der Golf-Fahrer aber, dass sich etwas geändert hat. Zwar behielt das obere Armaturenbrett seine Form, doch ein riesiges Display (9,2 statt 8,0 Zoll in der Diagonalen) und eine linksseitige Schalterleiste unter Glas weisen unmissverständlich den Weg in die digitale Neuzeit. Vorgestellt hatte VW den großen Bildschirm bereits vor über einem Jahr auf der Consumer Elektronik Messe CES in Las Vegas. Jetzt kommt der Kunde in den Genuss der neuen Technik - vorausgesetzt, er bestellt die Topversion des Infotainment-Systems, genannt Discover Pro (2.385 Euro).
Integriert ist dann unter anderem eine Gestensteuerung. "Wir sind damit die ersten im Kompaktsegment", sagt Elektronik-Ingenieur Kai Höbrink. Bislang reagieren nur der Siebener und Fünfer von BMW auf Handbewegungen. Beim Golf ist die Bedienvielfalt allerdings sehr eingeschränkt. Lediglich die Auswahl der Musiktitel oder des Radiosenders kann per Geste gesteuert werden. Auch muss die Hand sehr sorgfältig wischen, damit das Menü aktiviert wird. Da sehnt sich manch einer nach dem guten alten Drehknopf.
Was Audi im A3 "Virtual Cockpit" nennt, heißt bei der Mutter Volkswagen "Active Info Display" (665 Euro). Der Passat und der Tiguan haben es bereits, nun bekommt es auch der Golf. Das digitale und virtuelle Kombiinstrument lässt sich ganz nach den persönlichen Wünschen des Fahrers konfigurieren. Ob man lieber die Navi-Karte oder die Instrumente groß angezeigt haben möchte - ein Tastendruck am Lenkrad genügt. Die Anzeige ist gestochen scharf.
Nach wie vor Klassenbester
Über Fahr- und Federungskomfort, über Lenkverhalten und Innenraumgeräusche, über Verarbeitung und Materialauswahl; über all dies muss beim Golf kein Wort mehr verloren werden. Der Wolfsburger Evergreen markiert hier die Spitze des Segments. Gleiches gilt für die Antriebsvielfalt. Sie reicht vom kleinen Dreizylinder-Benziner TSI bis zum Plug-in-Hybrid und Elektromotor. Selbst ein Erdgasantrieb (TGI) ist zu bekommen. Ins Golf-Programm aufgenommen hat VW den neu entwickelten 1,5-Liter-Vierzylinder mit 150 PS. Er ersetzt den bisherigen 1,4-Liter-TSI mit gleicher Leistung, verbraucht nach Norm aber nur noch 4,9 Liter. Nachschieben will man im Sommer eine noch sparsamere BlueMotion-Version mit 130 PS, die auf 4,6 Liter kommen soll.
Auch bei den Assistenzsystemen dürfte der Golf die Messlatte gegenüber den Mittbewerbern wieder ein Stück höher gelegt haben. Im Stau oder im Stop-and-Go-Verkehr fährt er nun teilautonom. Das System lenkt, bremst und beschleunigt selbstständig, wenn der Fahrer mindestens eine Hand am Lenkrad hat.
Der Grundpreis lässt sich leicht verdoppeln
Preislich geht es beim Facelift-Golf bei 17.850 Euro los. Doch dafür dürfte kein Exemplar den Verkaufsraum des Händlers verlassen. Wer sich beispielsweise für den von uns gefahrenen 1,5-Liter-TSI entscheidet, ihn mit dem - absolut empfehlenswerten - Direktschaltgetriebe (DSG) sowie dem virtuellen Cockpit in Verbindung mit dem großen Display bestellt, überfährt bereits locker die 30.000-Euro-Marke. Soll dann noch ein Kreuzchen hinter ein paar Assistenzsystemen, einer Lederausstattung, LED-Scheinwerfern und dem Panoramadach gemacht werden, ist es ein Leichtes, den Grundpreis zu verdoppeln.
Viele werden dies tun. Weil sie wissen, dass sie mit dem Golf das stimmigste Gesamtpaket und die beste Qualität im Segment bekommen - auch wenn die Konkurrenz so groß ist wie nie zuvor. VW hat ausgerechnet: Alle 40 Sekunden bestellt irgendwo auf der Welt jemand einen Golf.
Technische Daten, VW Golf 7:
Fünftüriger, fünfsitziger Kompaktwagen mit Frontantrieb, Länge: 4,26 Meter, Breite: 1,79 Meter (mit Außenspiegeln 2,03 Meter), Höhe: 1,49 Meter, Radstand: 2,62 Meter, Kofferraumvolumen: 380 bis 1270 Liter. Motor: 1,5-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner (TSI), 110 kW/150 PS bei 5.000-6.000 U/min, maximales Drehmoment: 250 Nm bei 1.500-3.500 U/min, 0-100 km/h: 8,3 s, Höchstgeschwindigkeit: 216 km/h, Durchschnittsverbrauch: 5,2 l/100 km, CO2-Ausstoß: 119 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Preis: ab 24.125 Euro