Im Handumdrehen zum Elektro-Pick-up
Zulieferer Magna entwickelt einen Antriebsstrang, mit dem sich ohne großen Aufwand elektrisch angetriebene Pritschenwagen realisieren lassen sollen. Die einzelnen Komponenten sind schon länger bekannt.
Kenner des dortigen Automarktes sind sich einig: Der Schlüssel, die Elektromobilität in Nordamerika flächendeckend zu verbreiten, liegt in der Elektrifizierung von Pick-ups. Nur wenn es die Autoindustrie schafft, die dort so beliebten Pritschenwagen mit Stromantrieb auszurüsten und gleichzeitig ihre praktischen Seiten möglichst vollständig zu erhalten, wird man dort stark und dauerhaft steigende Marktanteile für Elektroautos verzeichnen. Nicht umsonst präsentiert die Branche derzeit ständig neue E-Pick-ups; es ist ein Feld, auf dem sich neben den etablierten Herstellern längst auch ambitionierte Start-ups tummeln (hier eine Übersicht der bereits erhältlichen und geplanten Neuheiten).
Vielleicht wächst das Angebot noch schneller, wenn die Zulieferer "Plug-and-Play"-Lösungen in ihren Regalen hätten, die es Pick-up-Herstellern erlauben, selbst elektrisch angetriebene Modelle anzubieten, ohne einen riesigen Entwicklungsaufwand betreiben zu müssen. Eine solche Technologie treibt derzeit Magna voran. Der kanadische Zulieferer will bis 2025 seinen Etelligent-Force-Antriebsstrang zur Serienreife entwickelt haben.
E-Motor vorne, E-Achse hinten
Die Idee hinter dem System: Statt eine eigene Plattform für einen elektrischen Pritschenwagen entwickeln zu müssen, können die Komponenten vergleichsweise einfach anstelle des Verbrenner-Strangs in den Antrieb eingebunden werden. Vorne kommt dabei Magnas E-Drive-Motor zum Einsatz, der hinten mit der E-Beam genannten Achse zu einem Allradantrieb kombiniert wird. Im Fokus hat Magna dabei vor allem die in den USA überaus beliebten Pick-up-Trucks, die an der Hinterhand immer noch überwiegend auf uralte Kutschentechnik setzen. An zwei Blattfederpaketen hängt bei ihnen gewöhnlich eine starre Achse, die bei Hinterradantrieb mit einem Differenzial bestückt ist. Ähnlich sind viele Transporter-Modelle in den USA konstruiert; auch diese hat Magna mit der Etelligent-Force-Technik im Blick.
Die neue E-Beam-Achse könnte eine echte Alternative zur konventionellen Starrachse bieten. Sie bündelt einen Elektromotor, die Steuerelektronik, ein Differenzial, je nach Version ein Getriebe sowie eine konventionelle Bremsanlage und ist so konzipiert, dass sie direkt unter den bestehenden Leiterrahmen geschraubt werden kann. Alternativ soll sie sich aber auch in Verbindung mit den Fahrwerks- und Bremsenkomponenten der Verbrenner-Pendants kombinieren lassen.
Bis zu 585 PS Systemleistung
Für den Etelligent-Force-Antriebsstrang nennt der Zulieferer eine Systemleistung von bis zu 430 kW (585 PS) als Ziel, wobei 250 kW (340 PS) vom E-Drive-Motor und 180 kW (245 PS) von der E-Beam-Achse beigesteuert werden. Autohersteller, die das System nutzen wollen, sollen die Daten jedoch je nach eigener Prioritätensetzung anpassen können. So lässt sich die E-Beam-Achse, die auch als alleinverantwortlicher Antrieb oder Teil eines Hybridsystems genutzt werden kann, innerhalb einer Leistungsspanne von 120 bis 250 kW (163 bis 340 PS) konfektionieren. Als maximales Drehmoment sollen allein bei der Hinterachse bis zu 4.950 Nm anliegen. Neben der Version mit nur einem Elektromotor arbeitet Magna auch an einer Variante mit dann zwei Elektromotoren, die dann jeweils direkt ein Rad antreiben und so ein Differenzial überflüssig machen.
Nutzt ein Hersteller die komplette Etelligent-Force-Technologie, soll dessen Kundinnen und Kunden übrigens keine Abstriche bei der Nutz- und Anhängelast machen müssen. Für Letztere nennt Magna einen Zielwert von 6,6 Tonnen, was tatsächlich Standard ist im Segment der Dreiviertel- oder Ein-Tonnen-Pick-ups. Keine Angaben machen die Kanadier allerdings, wie die Batterie samt der nötigen Elektronik integriert werden sollen.
Welche Hersteller nutzen die Magna-Technik?
Welche Autohersteller ihre Pick-ups mit Etelligent-Force oder der E-Beam-Hinterachse elektrifizieren wollen, verrät Magna bisher nicht. Die bekannten US-Marken sind es eher nicht. Sie bringen bereits zuvor rein elektrisch angetriebene Pritschenwagen auf den Markt, die technisch meist auf speziell entwickelten Plattformen basieren; als Beispiel sei der für 2023 angekündigte Chevrolet Silverado EV genannt. Somit kommen eher die allein in Nordamerika angebotenen Pick-up-Modelle der asiatischen Hersteller infrage (Toyota Tundra, Nissan Titan und Co.). Von ihnen sind bislang keine Elektro-Ableger angekündigt. Da sie nicht die Absatzvolumina ihrer US-Pendants erreichen, könnten sich eigens entwickelte Elektro-Plattformen nicht lohnen, ein nachträglich in das vorhandene Chassis integrierter E-Antrieb aber schon. Weitere Kandidaten sind kleinere, aber international vertriebene Leiterrahmen-Pick-ups, wie sie vorrangig in Südamerika, Afrika, Asien und Australien zum Einsatz kommen.