Wir brauchen schnell eine neue Abwrackprämie

Staatliche Anreize für Autokäufer? Brauchen wir, findet auto motor und sport-Chefredakteur Jochen Knecht. Was wir nicht brauchen, ist eine Abwrackprämie, die in die ökologische Sackgasse führt.
Ist es eigentlich legitim, über den Neustart der Automobilindustrie nach der Corona-Vollbremsung zu sprechen, während parallel Ärzte und Pflegepersonal bis zur Erschöpfung um das Leben der schwersten COVID-19-Fälle kämpfen? Unbedingt. Weil es nicht darum geht, gesundheitliche Fragen gegen wirtschaftliche Interessen aufzuwiegen. Sondern einen verantwortungsvollen Weg aus der Krise zu finden. Dass das ein Marathon wird und kein Sprint, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben.
Investitionen ins Konsumverhalten
Und genau deshalb ist es entscheidend, bereits jetzt die Weichen dafür zu stellen, dass die Schlüsselindustrie der deutschen Wirtschaft nicht nur mit einem blauen Auge aus dem globalen Pandemie-Shutdown kommt, sondern möglichst schnell wieder durchstarten kann. Die ambulante Versorgung scheint mit Kurzarbeit und Staats-Bürgschaften gesichert. Für eine nachhaltige Erholung brauchen wir aber ohne Zweifel staatliche Anreize für Autokäufer. Ob man das jetzt Kauf-, Abwrack- oder Innovationsprämie nennt, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass die Automobilindustrie ohne Investitionen ins Konsumverhalten nur schwer aus dem Tal der Tränen kommen wird. Alleine im März ist die Zahl an Neuzulassungen in Deutschland um fast 40 Prozent gesunken.
Corona ist nur ein Teil des Problems
Die Corona-Pandemie ist dabei allerdings nur ein Teil der Wahrheit. Diesel-Skandal und Mobilitäts-Wende haben ihren Teil zur Schieflage beigetragen. Explodierende Investitionen, verunsicherte Verbraucher und abgeschriebene Milliarden sind auch ganz ohne Pandemie ein toxischer Cocktail. Für die Automobilhersteller selbst. Und eine kaum zu überblickende Anzahl an Händlern und Zulieferern drumherum. Genau die machen die Automobilindustrie nämlich zu besagter Schlüsselindustrie. Weil die Wertschöpfung eines Autos nicht am Werkstor endet, sondern sich bis weit in den Mittelstand verästelt. Kapitalstarke Auto-Konzerne mögen vielleicht mit einem leichten Husten durch die Krise kommen. Spätestens die Zulieferer in der zweiten Reihe kämpfen zu diesem Zeitpunkt aber bereits ums reine Überleben.
Überblick: Das Corona-Virus und die Automobilindustrie
Gießkannen-Geld ist nicht nachhaltig
Deshalb kommen wir um eine Abwrackprämie 2.0 nicht herum. Jedes zusätzlich ausgelieferte neue Auto belebt eben nicht nur den Hersteller, sondern alle, die irgendein Teil zugeliefert haben. Das kennen wir bereits von der so genannten Umweltprämie, die als Teil des Konjunkturpakets 2 im Jahr 2009 insgesamt 5 Milliarden Euro in den Markt pumpte. Beim Kauf eines Neuwagens gab es damals maximal 2.500 Euro vom Staat dazu. Also genau so wieder, nur mit noch mehr Geld und längerer Laufzeit, wie es der bayerische Ministerpräsident Markus Söder fordert? Mit Verlaub: das wäre mir zu einfach. Steuergeld mit der Gießkanne zu verteilen kurbelt den Konsum zwar an, ist aber im Zweifel nicht sehr nachhaltig eingesetzt.
Ökologische Vorgaben
Die "Abwrackprämie 2.0" macht nur dann Sinn, wenn sie an ökologische Vorgaben geknüpft ist. Weil: Nach der Corona-Krise bleibt die Herausforderung der strengen EU-Klimaziele, die den Autobauern seit Anfang 2020 einen Höchstwert von 95 Gramm CO2 je Kilometer im Flottendurchschnitt vorschreiben. Mit entsprechend empfindlichen Strafzahlungen. Alleine bei VW könnten da für 2021 bis zu 4,5 Milliarden Euro fälligwerden. Und genau deshalb brauchen wir eine Prämie, die vor allem für sparsame, bzw. lokal emissionsfreie Fahrzeuge wirksam wird. Natürlich gehören dazu auch sparsame, extrem saubere Diesel. Aber eben auch Plug-in-Hybride und Elektroautos. Also ein aufgebohrter Umweltbonus (aktuell bis zu 6.000 Euro für ein Elektroauto)? Warum nicht. Wenn man die Vorgaben um die besagten besonders sparsamen Euro-6-Diesel und Benziner mit entsprechend geringen CO2-Emissionen erweitert.