Mit Radnaben-Motoren und Doppelrotor-Radialfluss-Technologie möchte das deutsche Start-up DeepDrive den E-Antrieb revolutionieren.
Mit Radnaben-Motoren und Doppelrotor-Radialfluss-Technologie möchte das deutsche Start-up DeepDrive den E-Antrieb revolutionieren.
Wir sind den ersten Prototypen mit Heckantrieb gefahren.
Dass hier am Salzburgring ein unauffälliges, schwarz lackiertes Tesla Model 3 mit den integrierten Radnabenmotoren (19 Zoll) unterwegs ist, ist kein Zufall.
"Jeder große Volumenhersteller kennt dieses Auto bis ins kleinste Detail", erklärt uns Stefan Ender – einer der Gründer des Münchener Start-ups DeepDrive.
"Der Tesla gilt als Elektro-Benchmark. "Nahezu alle Hersteller von Elektroautos haben das Model 3 durchgemessen, zerlegt und analysiert."
Und ausgerechnet dieses Modell – eines der günstigsten und effizientesten Vollwert-Elektroautos auf dem Markt – haben die DeepDrive-Ingenieure nochmals günstiger, sparsamer und geräumiger gemacht.
Im Zentrum von DeepDrive steht ein selbst entwickelter Elektromotor, der nach dem Doppelrotor-Radialfluss-Prinzip arbeitet. Die DeepDrive-Maschine benötigt 80 Prozent weniger Eisen, 50 Prozent weniger Magnetmaterial und kann sogar auf die teuren, schweren seltenen Erden verzichten. Kostenersparnis in der Herstellung: 30 Prozent.
Hinzu kommt ein deutlicher Gewinn bei der Effizienz. Das umgebaute Tesla Model 3 soll sich laut DeepDrive mit rund 20 Prozent weniger Strom zufriedengeben. Um den gleichen Anteil wächst damit die Reichweite.
Und weil die Antriebstechnik obendrein viel kompakter baut als konventionelle E-Motoren, versteckt DeepDrive gleich zwei Maschinen in den hinteren 19-Zoll-Rädern des Model 3.
Der zentrale Heckmotor des Serienautos fliegt samt Antriebswellen, Untersetzungsgetriebe, Differential und Leistungselektronik raus. Das schafft Platz und einen Gewichtsvorteil.
Stattdessen wandern die Radnabenmotoren in die hinteren Räder. Als sogenanntes "Corner-Module" integrieren die Bauteile sogar eine wartungsfreie Trommelbremse. DeepDrive hat dieses modulare System zusammen mit Continental entwickelt.
Wir nehmen Platz und rollen los. Und all das geschieht wie bei einem Serien-Tesla auch, ganz unaufgeregt. Ohne Ruckeln, Zappeln oder Surren kommt das Model 3 lautlos in Fahrt.
Kraft gibt es bei Bedarf mehr als genug, dabei hat DeepDrive die Power der beiden E-Maschinen sogar deutlich limitiert. 2.000 Newtonmeter und 188 kW/245 PS wären pro Hinterrad möglich.
"Wir müssen die Leistungsentnahme wegen der Batterie drosseln," betont Dr. Alexander Rosen, der Chefentwickler in der Firma. Denn wie Räder oder Reifen ist auch der Akku im Serienzustand. Das gilt auch für Achsaufhängung und Federung.
Auch hier überrascht uns der Prototyp mit absoluter Gelassenheit. Dass sich in seinen Hinterrädern jeweils gut 30 zusätzliche Kilogramm als ungefederte Masse breitmachen, merkt man nicht einmal, als die 19-Zöller härter über die Kurvenrandsteine des Salzburgrings rattern.
Auch das Verzögern beherrschen die Motoren. "Wir haben die Rekuperation auf 1.000 Nm eingestellt", sagt Rosen. Der Tesla lässt sich so quasi nur mit dem Gaspedal bewegen (One-Pedal-Driving). Bis fast zum Stillstand verzögert der Prototyp elektrisch. "Für den letzten Meter nutzen wir noch die hydraulische Bremse."
Als wäre die souveräne Rennstrecken-Prüfung nicht schon eindrucksvoll genug, demonstrieren die DeepDrive-Jungs noch, wozu die neuartige Antriebstechnik im Stande ist.
Schließlich können Direktantriebe am Rad nicht nur Drehmoment verteilen, sondern auch ganz unterschiedlich aufbauen. Denkbar sind aktive ESP-Eingriffe – sogar mit Beschleunigung und nicht nur als Brems-Impuls wie bisher.
Auch das sogenannte Torque-Vectoring klettert mit der Technik in ungeahnte Dimensionen. "Wird in engen Kurven etwa das äußere Rad beschleunigt, wird selbst so ein Tesla nochmals deutlich agiler." Wir testen die Applikation umgehend im Slalom-Kurs.
Tatsächlich ist der Unterschied zwischen passivem Durchrollen und aktivem Drehmoment-Push deutlich spürbar. Es scheint, als würde sich der Lenkradius durch die Extraschub verkleinern.
Bei vier verbauten Radnabenmotoren – also Allradsystemen – eröffnen sich ohnehin ganz andere Möglichkeiten. Man denke an extrem kleine Wendekreise oder gar den sogenannten Tank-Turn, also das Wenden auf der Stelle, wenn sich die Räder in unterschiedlichen Richtungen drehen. Doch allein die Drehmoment-Unterschiede an der Hinterachse machen einen gewaltigen Unterschied.
Die torsionssteife Wicklung der Hairpins ist ein DeepDrive-Patent.
Bleibt am Ende nur eine Frage:Wann kommt die DeepDrive-Technik in die Serie?
"Die Chancen stehen gut, dass wir unsere Doppelrotor-Radialfluss-Technik bald auf der Straße sehen," erklärt uns Felix Poernbacher.
Höchstwahrscheinlich zuerst in Form eines Stromgenerators für Elektroautos mit Range-Extender. Diese Technik zeigte DeepDrive erstmals auf der IAA 2025.
Reichweiten-Verlängerer sind derzeit in China und den USA sehr beliebt. Poernbacher und Ender sind gerade erst von "noch geheimen" Kundenbesuchen aus Detroit zurück.
Tatsächlich könnten wir aber bald auch Radnabenmotoren an europäischen Autos finden. Ganz klar im Blick hat das Münchener Team nämlich die Option der Verallradung.
"Jetzt kommen viele Elektro-Kleinwagen mit Frontantrieb auf den Markt. Man denke nur an Renault 5, VW ID.Polo, ID.Cross oder Cupra Raval," erzählt Poernbacher.
Diese Fahrzeuge könnten als GTI-Varianten oder Allrad-Topmodelle bald effiziente Hinterrad-Antriebe benötigen, die nicht den Kofferraum oder das Package einschränken. "Radnabenmotoren, die obendrein im Freilauf kaum Schleppmomente erzeugen, wären dafür perfekt."