Die Campingbus-Rakete fliegt
Dieser Van ist anders. Ganz anders. Er revolutioniert, weil er funktioniert. Mit anderen Worten: Die Rakete fliegt.
Dieses Auto wirft zum einen Fragen auf und befeuert zum anderen epische Diskussionen, die leidenschaftlich zwischen Campern geführt werden. Zum Beispiel über das Fehlen einer festen Toilette oder den Sinn und Zweck einer Dusche. Letzteres Thema wabert dann argumentativ zwischen den Fronten "Ihr Stinker" und "Wir duschen nur auf dem Campingplatz" hin und her. Und das Thema Fäkalien zwischen "Ihr Waldscheißer" und "Ihr mit eurem Wohn-Klo". Traumthemen für Facebook-Trolle.
Der Rocket Camper interpretiert beide Themen so, dass eigentlich beide Parteien jeweils zufrieden sein könnten. These, Antithese, Synthese. Welch dialektisch versöhnender Ansatz im Zeitalter ideologischer Spaltungen, auch auf dem Campingplatz.
Der zugrunde liegende Ansatz von Rocket Camper ist das Küchenmodul in der Mitte des Fahrzeugs, zwischen Bett und Wohnraum. Das Basisfahrzeug ist hier ein Ducato von Fiat (der ist schön breit), Grundrisse mit derselben Bauart gibt es aber auf vielen anderen Vans.
Der Blick ins Innere des One wird die meisten Leute verwirren. Denn der klassische Aufbau eines Kastenwagengrundrisses ist so weit verbreitet und damit so ins Hirn gebrannt, dass alles andere erstmal seltsam anmuten muss. Ansätze der Veränderung gab es mal von Pössl, die die Küche nach links setzten, oder von Hymer, die die Dusche wegließen, oder Heckbadgrundrisse wie von La Strada, aber da ist dann mit Stauraum für Equipment wirklich nicht mehr viel.
Großzügiges Raumgefühl
Im Rocket ist der Raum ganz offen, großzügig. Kein Bretterverhau in Form einer Nasszelle stört, beklemmt. Dafür "blockiert" das mittige Modul den Zugang zum Bett, so zumindest mein erstes Gefühl. Doch die Dinge lösen sich im Kopf. Der große Raum wird seitlich gefasst, links von einem Becken, das als Spül- und Waschbecken fungiert. Zwei Wasserbecken auf so kleinem Raum sind schon immer großer Luxus, etwas überflüssig. Im Möbel steckt ein Kühlschrank und es sind Schubladen drin. Teils Schubladen in der Schublade, wertig verarbeitet, feine Auszüge und Schließer. Ein Gaskocher ist im Testwagen als Herd; wer mag, kann einen zweiten ordern. Der Deckel des Schreinermöbels klappt auf das Bett, die mit Edelstahl belegte Innenseite wird zur Ablage. Der allerdings eine Saftrille fehlt. Schließlich liegt der Deckel ja auf dem Bettlaken.
Die große Schublade rechts unten hat zwei wesentliche Funktionen. Erstens: Sie ist die Aufstiegshilfe, um ins Bettchen zu krabbeln. Daher stabil ausgelegt, beim Draufstehen stützt sie sich auf dem Boden ab. Um dann hochzuklettern, liegt neben dem Herd ein dickes Kissen zum Draufknien und schon lässt sich der Körper in die Horizontale bringen. Wirkt umständlich, aber überlegen Sie mal, wie eng es in den meisten Kastenwagen zugeht, weil beim Einstieg ins Bett das Bad rechts sitzt und links irgendwas wie Kühlschrank oder so. Und hoch sind die Betten auch oft. Daher: Wirkt ungewohnt, ist aber besser als die meisten anderen Querbett-Lösungen. Zweitens: In der Schublade befindet sich das Porta Potti. Der kleine Würfel für Pipi und auch, wenn’s sein muss, Mister Stinky. Er funktioniert genau wie eine Kassettentoilette. Zuverlässig, stabil, dicht und genauso zu entsorgen.
Duschen nur mit Außenbrause
Um eine Privatsphäre zu simulieren, hängen im Rocket zwei Vorhänge, die quer zur Fahrtrichtung zugezogen werden. Sie sind schwer, blickdicht und am Ende erfüllen sie dieselbe Funktion, wie es das dünne, leichte Holz der Badkabinen auch tut. Geräusch- und geruchsdicht ist beides nicht. Daher ist das Argument für ein Holzbad obsolet. Das Wasserbecken ist recht groß, schön eingefasst von Holz, mit einem hohen und eleganten Wasserhahn. Ein Duschkopf ist montiert als Außenbrause. Das Duschen im Van entfällt hiermit weitestgehend. Eine Notlösung wird von Rocket kommen und man kann anmerken, dass viele Bäder in kompakten Vans eh so kleinen Waschkabinen entsprechen. Ich finde die Hygienelösung "Duschen auf dem Campingplatz oder im Schwimmbad" gut und der Waschlappen darf ein soziales Revival erfahren. Er hat die Menschheit weiter gebracht als tägliches Duschen; wer es trotzdem mag, dem fehlt hier klar ein Bad.
Zurück zum großen Raum, in den man verschiedene Sitzkombinationen packen kann. Die Firma Schnierle macht’s möglich, mit einem bekannten und bewährten Schienensystem, je nach Wunsch mit Sitzbänken oder Einzelsitzen, die profiliert sind und sich schnell ein- und ausbauen lassen. Auch der Tisch hängt ungewohnt am Gurt von der Decke, zumindest seitlich, und spart so ganz einfach den Stützfuß für mehr Beinfreiheit. Die robuste Platte hängt da sehr fest, ein großer, solider Essplatz. Dazu schnell verstaubar und sogar als Aufstiegshilfe denkbar!
Nämlich hoch unters Dach ins Bett. Das für Familien oder Getrenntschläfer empfehlenswerte Paket mit Aufstelldach aus eigener Fertigung, Matratze, Dachfenster und LED-Leuchte liegt mit etwa 6.200 Euro im marktüblichen Rahmen. Das untere Bett, eingerahmt von mit Filz belegten Wänden, ist eines der gemütlichsten am Markt. In dieses Bild fügen sich die schönen Staufächer, viele kleine Details, viel Liebe und viel echtes Vanlife. Konkret: Wer einen individuellen Van sucht, egal ob Sportler, Paare oder Familien. Der hier funktioniert.
Daten und Preise
Aufbau: Stahlblechkarosserie mit GfK-Aufstelldach, Innenverkleidung Armacell Isolationsschaum an allen Wänden und an der Decke, isolierte Bodenplatte, Filzkaschierung in den Innenwänden, akustisch und thermisch dämpfende und dämmende Innenverkleidung, 2 Rahmenfenster Sitzgruppe und Schiebetür, 2 in den Hecktüren, Dachhauben im Aufstelldach, versch. Fenster mit Fliegenschutz im Zeltbalg.
Ausbau: Möbel aus Holz, Rücksitze als Einzelsitze im Schienensystem, bis zu drei, Isofix möglich, Querbett unten 190 x 14/185 mm, Dachbett 1.980 x 130 mm, Küche mit Einflamm-Gaskocher, Kompressorkühlschrank 80 L, Gurte/Schlafplätze 2–5/2–4.
Bordtechnik: Diesel-Gebläseheizung Webasto, 4.000 W, Außendusche, Waschbecken, Frischwasser 48 L, Abwasser 48 L, Porta Potti mit 18 L Füllinhalt, Gasflasche 1 x 2,75 kg, Elektroleiste mit 3 x 230-V-Dose, 1 x 12 V, 2 USB.
Basisfahrzeug: Fiat Ducato 120 Multijet, Leistung 88 kW/120 PS, Vorderradantrieb, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 2,2 L.
Maße und Gewichte: Länge x Breite x Höhe 5.990 x 2.050 x 2.580 mm, Radstand 4.035 mm, zulässiges Gesamtgewicht 3.500 kg.
Preise: Grundpreis: 63.750 EuroMotor 160 PS: 2890 Euro9-Gang-Automatik-Getriebe: 3.300 EuroTraction plus: 189 EuroLederlenkrad und Knauf: 230 Euro4./5. Sitzplatz: je 1.100 EuroMarkise: 1.099 EuroFliegenschutz an der Fliegentür: 429 EuroStautaschen Rocket Camper: 135 EuroSolaranlage 100 Wp: 1.190 EuroWarmwasseraufbereiter 230 V: 799 EuroAmbientebeleuchtung Dachstaukästen: 299 EuroRocket Roof Aufstelldach: 6.205 EuroNebenkosten: 1.350 Euro Testwagenpreis: zirka 88.222 Euro plus NK.
Wertung
- Betten: 4 von 5 Punkten
- Sitzgruppe: 3,5 von 5 Punkten
- Küche: 3 von 5 Punkten
- Möbelbau: 4,5 von 5 Punkten