Platz 12 kann 8 Millionen wert sein
George Russell wartet weiter auf seine ersten Punkte mit Williams. Und trotzdem war der 23-jährige Engländer einer der Helden des GP Frankreich. Russell schaffte den Spagat aus Reifenschonen und Attacke. Ins Ziel kam er vor je einem Ferrari, Alpha Tauri und Alpine – und ärgerte sich trotzdem.
Der Aufstieg ins Q2 gehört für George Russell inzwischen zur Routine. In der siebten Qualifikation der Saison sprang er zum siebten Mal über die Q1-Hürde. Dieses Mal nahm der Engländer in seinem Williams den 14. Startplatz ein. Aber dieses Mal ging die Reise bis ins Ziel nicht rückwärts. Russell kletterte um zwei Positionen, ließ je einen Ferrari, Alpha Tauri und Alpine hinter sich, beide Alfa Romeo und gehörte auch ohne WM-Punkte zu den Gewinnern des Tages.
An seiner Fahrt gab es nur einen Makel. In den ersten zwei Runden verlor der Youngster vier Positionen. Das Glück spielte nicht mit. Zwei Ausfälle vor ihm, und Russell hätte erstmals für Williams gepunktet. Doch in diesem Grand Prix von Frankreich ereilte keinen Fahrer ein technischer Defekt. "Es war jetzt schon drei Mal so. Immer wenn wir ein gutes Rennen haben, passieren keine Zwischenfälle. Keiner fällt aus. So landen wir halt um den zwölften Platz herum, was schade ist", sagte ein leicht gefrusteter Russell. Dann kommt der Kämpfer in ihm durch. "Irgendwann muss es mit Punkten klappen."
Williams vorbei an Haas
Das Rennen kann er trotzdem für sich und für sein Team als Erfolg verbuchen. Mit dem zwölften Platz hat sich Williams in der Team-Weltmeisterschaft wieder vor Haas geschoben. Die Hinterbänkler hatten nach dem Grand Prix von Aserbaidschan Positionen getauscht, weil Mick Schumacher 13. geworden war. Sowohl Haas als auch Williams stehen nach sieben Rennen ohne Eintrag auf dem Konto da. Es entscheidet die bessere Platzierung im direkten Vergleich. Vor Frankreich war das bei Williams ein 14. Platz, jetzt ein 12.
Der WM-Stand fuhr im Hinterkopf mit. "Ich wusste: Wenn ich schon nicht Punkte hole, dann wenigstens ein Ergebnis, das uns den neunten Platz in der WM zurückgewinnt. Das war wichtig. Sollten wir am Saisonende beide keine Punkte haben, können wir sie über die Resultate schlagen." Jeder Platz im Konstrukteurs-Pokal zählt, weil es um Millionen geht. Stichwort: Ausschüttung der Rechteinhaber. Bei voller Ausschüttung sind das um die acht Millionen Dollar zwischen Platz neun und zehn.
Russell fuhr sein 44. Rennen für Williams, das gleichzeitig eines seiner besten für den Traditionsrennstall war. Er trotzte den schwierigen Verhältnissen, managte die Reifen, war schnell und überholte kurz vor Schluss sogar Yuki Tsunoda im Alpha Tauri. Esteban Ocon im Alpine sowie die beiden Alfa Romeo knackte er durch den Undercut, den Ferrari von Charles Leclerc durch dessen zweiten Reifenwechsel. "Diese Autos schlagen wir normalerweise nicht." Der Teamkollege und die Haas waren sowieso keine Gegner.
Wind diesmal kein Problem für FW43B
Williams überraschte sich selbst. Normalerweise kann Russell auf eine Runde die Defizite des Autos umfahren, nicht aber über die Distanz. Da kommen die Schwächen, das Abtriebs-Defizit und der zu hohe Luftwiderstand, zu sehr zum Tragen. Doch schon am Trainingsfreitag hatte sich angedeutet, dass der FW43B im Longrun diesmal eine passable Figur abgibt.
Das blieb auch so, trotz der veränderten Bedingungen. "Das war ein sehr kompliziertes Rennen, das wir gut gemeistert haben", lobte der Pilot. "Es war sehr schwer, den Spagat hinzubekommen. Einerseits nicht zu schnell zu fahren, damit die Reifen nicht ins Graining verfallen. Andererseits nicht zu langsam zu sein, damit die Reifentemperaturen nicht in den Keller rauschen."
Es waren die wechselnden Verhältnisse, die es verkomplizierten. Der Regen am Vormittag, der den Grip vom Asphalt spülte. Die kühleren Asphalttemperaturen, die die Gefahr von Graining erhöhten. Der Wind. Der hohe Luftdruck der Hinterreifen. Die Strecke wurde um mehr als eine Sekunde langsamer.
Das Vertrauen ins Auto stimmte dennoch. Selbst die Wind.nfälligkeit des Williams war wie weggeblasen. Russell erklärt. "Das trifft uns nur auf Strecken, auf denen das Reifenmanagement leicht ist. Hier war der Reifen der ausschlaggebende Faktor. Die schnellen und langgezogenen Kurven 10 und 11 killen den linken Vorderreifen."