Drei Schlüssel zum Red-Bull-Sieg
Red Bull hatte das schnellere Auto in Austin. Doch nachdem Lewis Hamilton den Start gewann, durften sich Max Verstappen und sein Team taktisch keine Fehler leisten. An drei Stellen hätte es schiefgehen können.
Es war ein Befreiungsschlag für Red Bull. Der Sieg von Max Verstappen in Austin fiel in eine Phase der Überlegenheit von Mercedes. Ob es schon eine Trendwende war, müssen die nächsten Rennen zeigen.
Es war auf jeden Fall eine Überraschung, dass Red Bull auf dem Circuit of the Americas das schnellere Auto hatte. Besonders das Ausmaß. Mercedes bezifferte den Vorsprung des WM-Gegners auf zwei bis drei Zehntel. Das gab es vorher nur in Spielberg und in Zandvoort.
Über die Gründe der Red-Bull-Dominanz wird noch gerätselt. Sie fiel auf den Medium-Reifen größer aus als auf den harten Sohlen. Man darf sich allerdings vom zweiten und dritten Stint nicht in die Irre leiten lassen. Hamilton machte in beiden Abschnitten massiv Boden auf Verstappen gut.
Das hatte aber seine Gründe im Reifen.anagement. Den zweiten Stint ging Verstappen zu schnell an und bezahlte dafür. Den dritten startete er bewusst langsam, um im Finale gegen Hamilton nicht mit stumpfen Waffen dazustehen. Die Reifen des Holländers mussten acht Runden länger halten.
Hamilton-Start macht Red Bull das Leben schwer
Es hätte ein geruhsamer Nachmittag für den Austin-Sieger werden können. Doch nachdem Hamilton schneller die 240 Meter zur ersten Kurve hochgespurtet war, hatte Mercedes plötzlich eine Siegchance und Red Bull durfte ab da nichts mehr falsch machen.
Am Ende machte die Mannschaft um Adrian Newey alles richtig. Trotzdem wurden alle drei Stints zur Zitterpartie. Das zeigt schon der knappe Vorsprung von 1,333 Sekunden. "Manchmal ist eine aggressive Strategie besser", blickte der WM-Spitzenreiter auf heiße 56 Runden zurück.
Max Verstappens achter Saisonsieg war das Resultat von drei richtigen Entscheidungen. Im ersten Stint war schnell klar, dass auf der Rennstrecke kein Weg an Hamilton vorbeiführen würde. Obwohl der Red Bull auf den Medium-Reifen deutlich schneller war. "Wenn dir einer zehn Runden lang im Abstand von weniger als einer Sekunde im Getriebe hängt, ist das ein Indiz dafür, dass er klar schneller fahren hätte können", werfen die Mercedes.Strategen ein.
In der 10. Runde zog Red Bull die Reißleine und holte Verstappen an die Box. Damit gab man einen Joker aus der Hand, sicherte sich aber die Führung. Mit dem frühen Stopp war in Stein gemeißelt, dass Hamilton den Rest des Rennens den Vorteil frischerer Reifen haben würde. Hätte Mercedes den Undercut abwehren können? Theoretisch ja. Es gab aber zwei Gründe, warum der Kommandostand zögerte.
Mercedes traute harten Reifen nicht
Die Hinterreifen am Auto mit der Startnummer 44 bauten so stark ab, dass die Ingenieure die Sorge hatten, das würde mit den harten Reifen so weitergehen. Deshalb traute man sich auch keine langen Stints zu. Außerdem war man sich bei Mercedes nicht sicher, ob ein Undercut überhaupt funktionieren würde: "Verstappen war so schnell auf den Medium-Reifen, dass wir das mit frischen harten Reifen wahrscheinlich nicht hätten kontern können."
Die Sorge um die harten Reifen erwies sich als unbegründet. Hamilton konnte plötzlich schnelle Runden drehen, ohne dass die Hinterreifen in den roten Bereich gingen. "Hätten wir das schon vorher gewusst, hätten wir vielleicht zwischen Runde 8 und 10 gestoppt", blicken die Ingenieure zurück.
Es wäre aber ein Schachzug mit hohem Potenzial zum Scheitern gewesen. "Wir wären hinter Ricciardo gefallen und hätten ihn wahrscheinlich nicht so einfach überholt, wie Max das getan hat. Und wir hatten kein zweites Auto im Spiel wie Red Bull mit Perez." Valtteri Bottas lag zu dem Zeitpunkt über 30 Sekunden zurück und schaute den beiden Alpha Tauri in den Auspuff.
Sergio Perez war für Red Bull in dem frühen Stadium taktisch noch ein wichtiger Mitspieler für Verstappen. Der Mexikaner lag mit 3,5 Sekunden Rückstand auf Hamilton in einem Bereich, in dem Mercedes sofort reagieren musste. Deshalb holte Red Bull Perez schon in Runde 12 an die Box.
Hamilton musste direkt kontern, um nicht auch noch Platz 2 zu verlieren. So wurde das Reifen.elta zugunsten des Engländers nicht allzu groß. Später fiel Perez als Helfer aus. Der Baku-Sieger fühlte sich schon vor dem Rennen krank, konnte wegen einer defekten Trinkflasche keine Flüssigkeit zu sich nehmen und litt bald unter Erschöpfung. "Nach 20 Runden war ich platt."
Verstappen lernt vom zweiten Stint
Im zweiten Stint drehte sich das Bild. Plötzlich bestimmte Hamilton den Ton. Verstappen hatte die harten Reifen nach dem Boxenstopp zu hart rangenommen und bezahlte dafür. Hamilton schloss innerhalb von 14 Runden die Lücke von 6,7 auf 2,6 Sekunden und kam damit gefährlich nahe in den Undercut-Bereich.
Das zwang Red Bull erneut zu einem frühen Reifen.echsel und spielte der Taktik von Mercedes in die Hände. Je früher Verstappen seinen dritten Reifen.atz nehmen musste, desto größer das Delta. Und jetzt fiel Perez als Bedrohung für Hamilton aus.
Red Bull reagierte in Runde 29 gerade noch rechtzeitig. Die Erfahrung aus dem ersten Stint lehrte die Strategen aus Milton Keynes, dass man nicht auf ein Überholmanöver zählen durfte, auch mit einem schnelleren Auto nicht.
Nachdem Red Bull Fakten geschaffen hatte, wartete Mercedes so lange wie möglich mit dem dritten Stopp. Die 37. Runde war genau die Grenze, an denen der Reifen.orteil maximal groß sein würde, aber auch noch eine Chance bestand den Gegner in einer Restdistanz von 21 Runden einzuholen.
Doch Verstappen hatte gelernt. Diesmal lief er nicht in die Falle und fuhr seine zweite harte Reifen.arnitur vorsichtiger an. Er wurde auch nicht nervös, als der Vorsprung von zunächst 8,8 Sekunden in Riesenschritten schrumpfte.
Die Versuchung war sicher groß, die eine oder andere schnelle Runde einzulegen, um den Verfolger auf Distanz zu halten, doch das wollte der spätere Sieger nicht. Er wollte die bestmöglichen Reifen für die letzten sechs Runden.
Die Mercedes.Strategen konnten Verstappens Reifen.anagement an den GPS-Daten genau mitverfolgen. "Max hat plötzlich wieder in der schnellen Passage von Kurve 4 bis 9 das Tempo angezogen. Da wussten wir, dass er vorher nur mit uns gespielt hatte." Genau das war der Schlüssel zum Sieg und die dritte richtige Entscheidung aus Sicht von Red Bull.
Als Hamilton in der 50. Runde bis auf 1,5 Sekunden aufgeschlossen hatte, stockte der Vorwärtsdrang des Mercedes plötzlich. Das hatte auch damit zu tun, dass der Weltmeister plötzlich in den Turbulenzen des Red Bull fuhr.
Dann hatte Hamilton auch noch Pech. Als die beiden Titelkandidaten drei Runden vor Schluss auf den Haas von Mick Schumacher aufliefen, schaffte es Verstappen vor der langen Gerade knapp in den DRS-Bereich des US-Ferrari. Hamilton dagegen war am Kontrollpunkt um Sekundenbruchteile außerhalb Verstappens DRS-Zone.
Lang fahren hilft Vettel
Der GP USA war ein klassisches Zweistopprennen. Keiner versuchte mit einem einzigen Reifen.echsel durchzukommen. "Dafür hätte man im ersten Stint bis zur 25. Runde durchhalten müssen", erklärte Pirelli-Sportchef Mario Isola.
Die Aston Martin-Piloten hielten am längsten durch, standen aber trotzdem schon in den Runden 17 und 18 an der Box. "Wir konnten nur zwei Mal lang fahren und dann darauf hoffen, dass wir unsere Gegner mit dem Reifen.orteil schlagen", berichtete Sebastian Vettel. Der 10.Platz gab seiner Taktik Recht.
Alpine versuchte es mit Fernando Alonso anders herum. Der Spanier wurde drei Mal an die Box geholt. Er hatte genug frische Reifen jeder Sorte in seinem Arsenal. Alpine hatte kein Dreistopprennen geplant. Der Verkehr zwang sie dazu.
So beschäftigte Alonso seine Crew in den Runden 7, 28 und 39. Er hatte für die letzten 17 Runden die jüngsten und weichsten Reifen. Sein Rückstand zu Vettel betrug nur noch drei Sekunden. Alonso ist überzeugt: "Ich wäre Zehnter, vielleicht sogar Neunter geworden."
Im direkten Verfolgerfeld hinter Verstappen, Hamilton und Perez gab es kaum Bewegung. Charles Leclerc war das ganze Rennen lang ein einsamer Vierter. Daniel Ricciardo wehrte einen Angriff von Carlos Sainz mit rustikalen Methoden ab. Sainz musste es auf der Strecke probieren, weil ein Boxenstopp von 5,6 Sekunden seinen Undercut-Versuch zunichte machte.
Der Spanier war aus doppelter Sicht ein Verlierer. Das lange Fahren im Windschatten von Ricciardo strapazierte seine Hinterreifen. Deshalb war der Ferrari-Pilot in der vorletzten Runde wehrlos gegen Bottas.
Der Finne war einer der wenigen, der über das Boxenstopp-Timing einen Platz gewann. Allerdings mit einem Overcut. Bottas kam zum zweiten Stopp vier Runden später als Lando Norris an die Box. Das brachte ihn an dem McLaren-Fahrer vorbei.