Die Nummer 1 für Verstappen
Wir checken die zehn Teamsvor dem GP Brasilien auf Neuigkeiten ab. Es wird gerätselt, ob Mercedes für Lewis Hamilton den fünften Motor einbaut. Max Verstappen will als Weltmeister die Nummer 1 tragen.
Donnerstag ist der PR-Tag vor einem Grand Prix. auto motor und sport stöbert für Sie im Fahrerlager Geschichten und Gerüchte auf. Wir fragen bei den Ingenieuren nach, was neu am Auto ist und bei den Fahrern, wie sie das Rennen einschätzen. Hier ist unser Streifzug durch die zehn Garagen.
Mercedes
Mercedes will in Interlagos zurückschlagen und den Lauf von Red Bull und Max Verstappen brechen. Die Ingenieure rechnen damit, dass der W12 auf dieser Strecke mit dem Red Bull wieder mithalten kann. Es kursieren jedoch Gerüchte im Fahrerlager, dass Lewis Hamilton seinen fünften Motor nehmen muss. Mercedes will die Spekulationen nicht bestätigen, weist aber die Vermutung als falsch zurück, dass es Probleme mit dem Wasserdruck gegeben haben soll. Ein Indiz für einen Motorwechsel ist, dass Hamilton schon jetzt jammert: "Das Überholen in Interlagos ist nicht so einfach, wie alle erzählen. Du musst sehr viel schneller sein, um eine 50-Prozent-Chance zu haben." Die Statistik spricht eine andere Sprache. 2019 wurden 58 Überholmanöver gezählt.
Ein Motorwechsel würde Mercedes in einem Moment treffen, in dem man leise Hoffnungen hegte, die Motorenmisere beendet zu haben. Brixworth hat hart an der Behebung der Probleme gearbeitet. Da die Motoren versiegelt sind, mussten Gegenmaßnahmen über die Einstellung der Motoren auf den jeweiligen Strecken vorgenommen werden. Deshalb nimmt Mercedes seine V6-Turbos gegen alle Gepflogenheiten schon immer im ersten Training hart ran, um mit der Kalibrierung für den Samstag und Sonntag viel Zeit zu haben. In Mexiko gab es zum ersten Mal seit langem keine Alarmzeichen. Auspuff- und Ventiltemperaturen waren im grünen Bereich.
Hamilton sieht für den GP Brasilien nur eine Chance: "Wir müssen das Auto sofort in das optimale Setup-Fenster bekommen. Red Bull hatte über die Saison das bessere Auto. Vor zwei Jahren hat Red Bull hier gewonnen. Sie werden wieder schnell sein. Wir haben uns dieses Jahr deshalb sehr gut geschlagen. Aber die Aufgabe ist so schwer, wie sie nur sein kann." Valtteri Bottas bedauert seinen Startfehler in Mexiko: "Wenn ich ehrlich bin, hätte ich heute etwas anders gemacht, um Max außen abzublocken. Aber in der Hitze des Moments fühlte es sich richtig an."
Ferrari
Ferraris Garage war bis Donnerstagmittag noch leer. Die Ingenieure fürchten, dass sich das auf das Basis-Setup im ersten Training auswirken könnte. Sie können erst an der Fahrzeugabstimmung arbeiten, wenn die Mechaniker den Zusammenbau der Autos beendet haben. Das neue Hybridsystem kann für Ferrari ein Matchwinner im Kampf um Platz 3 gegen McLaren werden. "Es hat uns konstanter gemacht. Wir haben keine schlechten Strecken mehr", heißt es im Team. Die extra Power vom Motor hilft auch den Fahrzeugingenieuren. Sie müssen in den Kurven keine Kompromisse mehr eingehen, um auf den Geraden Topspeed zu gewinnen.
Charles Leclerc fürchtet, dass McLaren für Interlagos das schnellere Auto hat. Carlos Sainz bestätigt das: "Das sagen unsere Simulationen. Aber ganz knapp. Es geht um ein halbes Zehntel. Das ist so knapp, dass das Pendel schnell mal umschlagen kann. Wir müssen darauf achten, dass wir unseren guten Lauf der letzten Rennen fortsetzen."
Red Bull
Max Verstappen hat einen Lauf. Drei Mal in Folge machte er Punkte auf Lewis Hamilton gut und kommt mit 19 Punkten Vorsprung nach Brasilien. Den Grand Prix, den er 2019 gewann. Der WM-Spitzenreiter verzichtete in Mexiko auf eine Siegesfeier: "Wir müssen noch vier Mal einen guten Job machen. Dann ist Zeit zum Feiern." Verstappen verließ Mexiko schon Sonntagabend mit seinem Privatjet. Sein Ziel war Brasiliens Hauptstadt Brasilia. Ex-Weltmeister Nelson Piquet hatte den Red Bull-Piloten eingeladen. Piquets Tochter Kelly ist mit Verstappen liiert.
Verstappen hält nichts von Vorschusslorbeeren nach seinem Sieg in Mexiko: "Ich hatte diese Saison schon mal einen größeren Vorsprung und habe den innerhalb von zwei Rennen verloren. Deshalb denke ich von Rennen zu Rennen. Mercedes wird in Brasilien stärker als in Mexiko sein." Immerhin hat der WM-Spitzenreiter schon Pläne, sollte er Weltmeister werden: "Ich werde die Nummer eins tragen, weil das für das Marketing ein smarter Schachzug wäre. Und wer weiß, wie oft du die Gelegenheit dazu bekommst." Sergio Perez hat einen klaren Plan: "Ich will in den letzten vier Rennen vier Mal auf das Podium fahren."
Aston Martin
Sebastian Vettel will den Dreier vollmachen. Drei Mal WM-Punkte in Folge. Es wäre das zweite Mal in der Saison nach Monaco, Aserbaidschan und Frankreich. Aston Martin rechnet sich für GP-Wochenenden im Sprintformat besonders viel aus: "Unsere Fahrer sind gute Starter. Meistens machen sie in der ersten Runde viele Positionen gut. Das könnte unsere Startplätze verbessern", hofft Teamchef Otmar Szafnauer. Doch Vorsicht: Der Schuss kann auch nach hinten losgehen. In Interlagos ist das Überholen leichter als anderswo. 2012 wurden 112 Überholmanöver gezählt.
Sebastian Vettel machte auf dem Weg nach Sao Paulo Station bei dem früheren brasilianischen Rennfahrer Pedro Diniz. Der Milliardärs-Erbe hat sich für ein alternatives und einfaches Leben auf einer Farm entschieden, auf der er nachhaltige Landwirtschaft betreibt. "Ich habe in einem Buch davon gelesen. Das hat mich interessiert. Wie er auf die Idee gekommen ist, wie er ohne Chemikalien Pflanzen anbaut, welche Pläne er hat."
Williams
Williams hofft, dass man in Interlagos wieder in die Punkte fahren kann. Die schwache Form von Mexiko hatte einen Grund. "Wir mussten das Auto zu sehr öffnen, um mit der Kühlung im grünen Bereich zu bleiben. Damit ging der Speed verloren", erklärte George Russell. Er hofft, dass es in der Qualifikation oder im Sprint regnet. "Das vergrößert unsere Chancen auf einen guten Startplatz."
Bis zum Saisonfinale in Abu Dhabi ist Russell noch ein 100-prozentiger Williams-Fahrer. Ab Dienstag danach beginnt die Arbeit mit Mercedes. Russell wird beim 18-Zoll Reifentest in Abu Dhabi schon in einem Mercedes sitzen und dann sofort nach England zurückfliegen, um die Eindrücke im Auto mit dem Simulator abzugleichen.
Alpine
Technikchef Marcin Budkowski schreibt einen Teil der dezenten Vorstellung der Alpine in Mexiko der Höhenlage zu. "Das hat unserem Paket nicht gut getan. Sao Paulo liegt deutlich tiefer, deshalb sollte der Einfluss der Höhe nicht so entscheidend sein. Das wäre extrem wichtig in unserer Situation in der Weltmeisterschaft. Wir müssen in den letzten vier Rennen alles perfekt abliefern, zuverlässig und konstant bleiben."
Esteban Ocon beschreibt die letzten zwei Rennen als enttäuschend, sieht aber Licht am Ende des Tunnels: "Wir waren in Mexiko schwach auf eine Runde, hatten aber im Rennen einen guten Speed. Darauf müssen wir aufbauen."
Fernando Alonso und Esteban Ocon kommen mit unterschiedlich Erinnerungen nach Sao Paulo. Der eine hat sich in Interlagos zwei Mal zum Weltmeister gekürt, der andere hat auf der Strecke vor den Toren Sao Paulo. nie einen Punkt geholt. Alpine hofft darauf, dass das Sprintformat wie schon in Silverstone und Monza dem Team Vorteile bringen. Alonso hält nichts von solchen Schlussfolgerungen: "Der Schuss im Sprint kann auch nach hinten losgehen. Siehe Perez in Silverstone oder Gasly in Monza. Alles dreht sich darum, das Risiko zu managen."
Alpha Tauri
Seit dem GP Mexiko liegt Alpha Tauri punktgleich mit Alpine auf Platz 5 der Markenwertung. Alpine hat nur die Nase noch vorn, weil Esteban Ocon mit dem Sieg in Ungarn das bessere Resultat eingefahren hat. Pierre Gasly sagt den Franzosen den Kampf an: "Unser Auto ist gut in Form. Wir waren zuletzt überall schnell. Yuki baut immer mehr Vertrauen auf. Er wird uns noch eine große Hilfe sein."
Dann lobt Gasly sein Team: "Sie haben das beste Auto gebaut, seit in bei Alpha Tauri bin." Yuki Tsunoda bestätigt: "Wir haben das schnellere Auto als Alpine. Es liegt an uns, alles richtig zu machen." Der Japaner gibt zu, dass er mitten im Jahr fast komplett das Vertrauen verloren hatte. "Der Auslöser meiner Probleme war mein Unfall in Imola." Es wurde erst besser, als sich Tsunoda darauf konzentrierte, Fehler zu vermeiden und seit Alexander Albon ihn coacht. "Seit dem Grand Prix in der Türkei geht es bergauf. Aber ich bin immer noch nicht bei 100 Prozent mit dem Auto."
Haas
Interlagos ist für die Haas-Rookies eine neue Strecke. Viel Eingewöhnungszeit bekommen sie nicht. Nach einem Training wartet schon die Qualifikation. Dann am nächsten Tag der Sprint. "Wenigstens ist es eine kurze Runde. So können wir mehr Runden in das erste Training packen. Es sieht so aus, dass uns kürzere Strecken entgegenkommen", macht sich Mick Schumacher Mut.
Er kennt Interlagos immerhin aus dem Simulator. "Ich habe zwischen 100 und 150 Runden gedreht." Nikita Mazepin bereitete sich mit Youtube-Videos auf die Strecke vor. "Ich habe mir alte Rennen angeschaut."
McLaren
Daniel Ricciardo setzt auf das Gesetz der Serie: "Die Sprintrennen waren bis jetzt immer gut für uns. Wir hoffen, dass sich das in Brasilien fortsetzt", sagt der Monza-Sieger. McLaren muss dringend das Ruder herumwerfen. Ferrari führt im Kampf um Platz 3 seit dem GP Mexiko mit 13,5 Punkten. Ricciardo ist immer noch sauer auf sich selbst: "Der Fehler in der ersten Kurve in Mexiko hat Bottas und mich viel gekostet. So etwas passiert, aber es sollte keine Regel daraus werden."
Wie WM-Konkurrent Ferrari musste auch McLaren wegen der Frachtprobleme bis Donnerstagmittag warten, bis an den Autos gearbeitet werden konnte. "Es war so ziemlich der letztmögliche Moment, an dem Autos und Motoren ankommen durften. Wir werden die ganze Nacht durcharbeiten müssen, um die Autos auf die Räder zu stellen", erzählt Teamchef Andreas Seidl.
Lando Norris gibt zu: "Ferrari hatte in den letzten Rennen das schnellere Auto als wir. Sie waren auch konstanter." Der Engländer widerspricht der Einschätzung der Ferrari-Piloten, die McLaren im Vorteil sehen: "Ich erwarte das Gegenteil." Alpha Tauri könnte noch zu einem Störfaktor werden. Norris sieht keinen Unterschied zu vorher, nur weil Gasly in Mexiko Vierter geworden ist. "Die waren das ganze Jahr schnell und haben sich schon öfter in unser Duell mit Ferrari eingemischt."
Alfa-Sauber
Teamchef Frédéric Vasseur mahnt gebetsmühlenertig sein Team an, im Finale fehlerfreie Leistungen abzuliefern. Dann wird das Unmögliche vielleicht noch möglich: Williams schlagen. "In den letzten vier Rennen hatten wir jedes Mal Chancen auf WM-Punkte. Zwei Mal haben wir es geschafft. Warum nicht jedes Mal?", fragt sich Vasseur.
Antonio Giovionazzi hadert noch immer damit, dass ihm der frühe Boxenstopp WM-Zähler geraubt hat: "Wir hatten den Speed, mit zwei Autos in die Punkte zu fahren." Ein weiterer Beweis dafür, dass für Punkte alles von A bis Z passen muss. So wie 2019, als die beiden Sauber-Piloten in Brasilien auf den Plätzen 4 und 5 gelandet sind.
Im Team pflegt man heimlich den Traum, Williams doch noch zu überholen. Dazu müsste Alfa-Sauber in den letzten vier Rennen 13 Punkte mehr holen als Williams. "Es ist nicht sehr realistisch, aber trotzdem noch möglich", hofft Giovinazzi.