Mercedes mit besserem Start
Red Bull legte vor, doch als es ernst wurde, hatte Mercedes leicht die Nase vorn. Der Schlüssel auf der für alle unbekannten Strecke ist das richtige Setup. Mercedes ging dabei zwei unterschiedliche Wege. Valtteri Bottas traf die richtige Wahl.
Die erste Runde ging an Red Bull, die zweite an Mercedes. Nach einer überlegenen Bestzeit von Max Verstappen in den heißen Nachmittagsstunden schlug Valtteri Bottas am Abend zurück. Das zweite Training war repräsentativer als das erste. Qualifikation und Rennen finden zur gleichen Uhrzeit statt. Die Konstante war Pierre Gasly. Der Franzose belegte in beiden Trainingssitzungen Platz 2. Yuki Tsunoda unterstrich an siebter Stelle die starke Form der Alpha Tauri. Zweifeln lassen allerdings die schwachen Longruns von Red Bulls Schwesterteam.
Gasly fehlten nur 0,209 Sekunden auf Bottas, der die schnellste Runde beim zweiten Versuch auf den Soft-Reifen erzielt. Die erste Runde wurde dem Finnen abgezogen, weil er in Kurve 7 die Streckenlimits verlassen hatte. Die WM-Gegner liegen vereint auf den Plätzen 3 und 4. Beide hatten Probleme. Max Verstappen mit dem Heckflügel in DRS-Stellung, Lewis Hamilton mit der Balance.
In den Rennsimulationen lag Hamilton zwei Zehntel vor seinem Titelrivalen. Ist das schon ein Fingerzeig, dass Mercedes in Losail besser sortiert ist als Red Bull. "Es ist ganz eng", widerspricht Red Bull.Sportchef Helmut Marko. Messungen des Teams hatten ergeben, dass die Mercedes.Fahrer in den Longruns mit etwas mehr Power unterwegs waren.
In der Schlacht um die besten Positionen hinter den beiden Topteams haben sich nach dem ersten Trainingstag empfohlen: Alpha Tauri mit schnellen Einzelrunden. Aston Martin mit extrem starken Longruns. McLaren mit einer ausgeglichenen Form auf eine und viele Runden. Alpine und Ferrari hinken noch etwas hinterher. "Wir wurden überrascht, wie schnell diese Strecke ist und müssen jetzt mit den Setup nacharbeiten", berichtete Charles Leclerc. Der Schnitt der schnellsten Trainingsrunde liegt bei knapp 233 km/h.
Obwohl die Teams mit wenig Daten nach Katar gefahren sind, liegt das Feld eng zusammen. Platz 1 und 14 trennen nur 0,987 Sekunden. Die Fahrer gaben der Strecke von Losail wegen der flüssigen Kurvenfolgen gute Noten. Esteban Ocon verglich sie mit einer Mischung aus Sepang und Istanbul. Sebastian Vettel lobte: "Es macht Spaß, hier zu fahren, auch wenn die Kurven alle ähnlich aussehen und alles flach ist. Aber der Asphalt bietet unheimlich viel Grip. Du musst nur aufpassen, dass du nicht die aggressiven Kerbs auf der Außenseite triffst. Da hatten heute einige ihre Probleme." Der Aston Martin-Pilot mit eingeschlossen.
Sechs Dinge, die Sie wissen müssen
1) Wer ist schneller: Mercedes oder Red Bull.
Wenn der erste Eindruck nicht täuscht, dann Mercedes. Red Bull kam schneller auf Touren. Max Verstappen fuhr in der Mittagshitze allen um vier Zehntel davon. Als das zweite Training um 17 Uhr angepfiffen wurde, war die Asphalttemperatur um 12 Grad gefallen. Da übernahm Mercedes das Kommando. Allen voran Valtteri Bottas. "Valtteri war noch nie hier, er ist nicht im Simulator gefahren, aber er fliegt hier grandios durch die Gegend", jubelte Teamchef Toto Wolff. Bottas freute sich: "Das war schon nahe am Optimum."
Der Finne stahl sogar Lewis Hamilton die Show. Der Weltmeister klagte über Untersteuern. Helmut Marko räumte ein: "Wir haben mit dem Setup nicht optimal auf die gesunkenen Temperaturen reagiert." Mercedes schon. Der Topspeed-Vergleich zwischen Nachmittag und Abend lässt vermuten, dass Mercedes beim Auto von Bottas Abtrieb draufgepackt hatte. Seine Höchstgeschwindigkeit fiel um sechs km/h. Hamiltons Topspeed blieb bei 318 km/h eingefroren. Der Engländer sollte mit weniger Anpressdruck sein Glück probieren. Er wird am Samstag auf den Bottas-Weg einschwenken.
Im ersten Training verlor Mercedes noch eine halbe Sekunde in der Dreifach-Rechts mit den Nummern 12, 13 und14 auf Red Bull. Zweieinhalb Stunden später war Bottas in dieser Passage praktisch gleich schnell. Doch die Mercedes flogen ihrem Konkurrenten wieder auf der Gerade davon. "Sie nehmen uns im Topspeed sieben km/h ab", stöhnte Red Bull.Teamchef Christian Horner.
Sein Technikchef Adrian Newey ergänzte: "Mercedes ist aber auch in den Kurven schnell." Vor allem den langsamen Ecken. Die Kurven 1,2 6 und 16 gingen an die Silberpfeile. "Der Schlüssel wird sein, wer das Setup besser hinkriegt", glaubt Horner. Die Mercedes.Ingenieure ergänzen: "Wichtig wird sein, wer in den endlosen Kurvenfolgen seine Reifen am besten für Kurve 16 konserviert." Max Verstappen sieht für sich noch Verbesserungsbedarf auf den Soft-Reifen. "Auf den Medium-Reifen lief es besser."
Wie üblich beobachtet Red Bull mit Argusaugen die Heckflügel des Konkurrenten. Es ist diesmal ein anderer Typ als in Interlagos. Losail verlangt mehr Abtrieb. Im TV-Interview hatte Horner noch gedroht: "Wenn sie in Jeddah oder Abu Dhabi wieder mit ihren Brasilien-Flügel auftauchen, protestieren wir." Wolff erwiderte: "Niemand kommt mit einem illegalen Flügel an die Strecke. Der Sport ist viel zu transparent geworden, als dass so ein plumper Versuch unentdeckt bleiben würde."
2) Was ist mit den Red Bull.Heckflügeln los?
Das haben wir schon in Austin, Mexiko und Brasilien gesehen. Bei geöffnetem DRS flattert der Heckflügel-Flap am Red Bull. Wenn es lange genug passiert, gibt es Risse im Flügel. "Hier hat uns eine große Bodenwelle ausgebremst", berichtete Marko. Offenbar kann Red Bull den Schaden nicht dauerhaft reparieren, auch wenn Adrian Newey verbissen meinte: "Wir kriegen das hin."
Beide Autos standen nach 20 Minuten für 15 Minuten in der Garage. Doch auch nach Flickarbeiten führte der Flap wieder ein Eigenleben. Sergio Perez wurde ein weiteres Mal für 13 Minuten an die Box geholt. Danach fingerten die Mechaniker mit Draht am DRS-Mechanismus herum. Laut Horner muss der Mechanismus verstärkt werden: "Das kostet leider Gewicht."
3) Ist Pierre Gasly ein Geheimfavorit?
Auf eine Runde auf jeden Fall. Nachdem Pierre Gasly zwei Mal auf Platz 2 gefahren war und die Bestzeit von Bottas nur um 0,209 Sekunden verfehlt hatte, wurde im Fahrerlager schon geulkt: "Wenn Verstappen Weltmeister werden will, muss ihn Red Bull in einen Alpha Tauri stecken." Yuki Tsunoda landete ebenfalls in beiden Trainings in den Top Ten. Endlich mal ist der Japaner nicht benachteiligt. In Losail sind alle Fahrer Rookies.
Merkwürdig sind die Longruns der Alpha Tauri-Fahrer. Nach Messungen der Konkurrenz hatte Honda nur für die schnellen Runden mehr Power freigegeben. Deshalb die Diskrepanz. Pierre Gasly. Dauerlauf auf Soft-Reifen ist nicht wirklich ernst zu nehmen. Der Franzose hatte auf Pirellis weichen Sohlen nur drei Runden abgespult. Esteban Ocon war auf dem Soft-Reifen im Schnitt zwei Zehntel schneller, obwohl er die vierfache Distanz damit fuhr.
Auch auf den harten Reifen war Gasly keine Offenbarung. Obwohl er seinen Dauerlauf erst im zweiten Teil des Trainings mit weniger Sprit im Tank abspulte, kam er nicht auf die Zeiten von Carlos Sainz. Der Ferrari-Pilot hatte gleich mit den harten Reifen losgelegt und spulte insgesamt eine Runde mehr ab.
4) Hat Aston Martin nur ein Strohfeuer abgefackelt?
Der 6. Platz von Lance Stroll lässt aufhorchen. Sebastian Vettel wäre weiter vorne als auf Platz 9 gestanden, hätte ihn nicht Lewis Hamilton behindert. Die harte Währung aber sind die Longruns. Und da überzeugte Vettel sowohl auf den Soft- und den Medium-Reifen. Mit einem Schnitt von 1.28,879 Minuten war er auf dem weichen Gummi über fünf Runden unter vergleichbaren Bedingungen schneller als Sergio Perez. Viele vermuten mit etwas weniger Sprit an Bord.
Auf dem Medium-Gummis lagen die Aston Martin-Piloten gleichauf mit Fernando Alonso. Hier ist allerdings anzumerken, dass der Spanier eine längere Distanz zurücklegte und seinen Dauerlauf mit vollen Tanks begann, während Stroll und Vettel ihre Medium-Reifen erst in der zweiten Trainingshälfte aufschnallten. Man sollte Aston Martin auf dem Wüstenkurs jedoch nicht unterschätzen. Die Strecke verlangt zwar viel Abtrieb, bestraft aber ineffiziente Autos nicht allzu stark. Und da zählt der AMR21 dazu. Stroll bilanzierte: "Q3 ist ein realistisches Ziel."
5) Warum gibt es so viele Schäden?
Das erste Training war ein Gemetzel. Fernando Alonso ruinierte sich in Kurve 15 den Unterboden. Sebastian Vettel kam mit Schäden an Unterboden und Frontflügel zurück. Nikita Mazepin lieferte ein ramponiertes Chassis in der Haas-Box ab. Bei Max Verstappen fehlte ein Leitblech unter der Nase. Auch ein Frontflügel-Flap hatte etwas abbekommen. Lewis Hamiltons Frontflügel sah ziemlich zerrupft aus. Mercedes zog es vor, den Flügel zu reparieren, statt ihn durch einen neuen zu ersetzen. So spät in der Saison sind alle Teams knapp mit Material. "Wir heben uns die neuen Teile für die wichtigen Sitzungen und das Rennen auf", berichtete Qualitätschef Simon Cole.
Schuld an den vielen Wunden auf den Formel 1-Autos sind die teilweise aggressiven Randsteine auf der Außenseite einiger Kurven. "Es ist ein Grenzgang", berichtet Aston Martin-Chefingenieur Tom McCullough. "Für eine schnelle Runde muss der Fahrer sich so weit wie möglich raustragen lassen. Doch ein bisschen zu weit kann fatale Folgen haben. Bei dem hohen Tempo richten die Randsteine echte Schäden an." Im zweiten Training stellten sich die Piloten auf die Flügelkiller besser ein. Es gab kaum noch Klagen. Und nur noch zehn Verletzungen der Streckenlimits.
6) Wie gut halten die Pirelli-Reifen?
Pirelli hatte in seinen Simulationen eine Trainingsbestzeit von 1.22,9 Minuten prognostiziert. Valtteri Bottas kam der Kalkulation mit 1.23,1 Minuten schon ziemlich nahe. Und das war erst das zweite freie Training. Für Samstag ist mit Rundenzeiten unter 1.22 Minuten zu rechnen. Sportchef Mario Isola meinte zufrieden: "Wir haben mit den drei härtesten Mischungen die richtige Wahl getroffen. Die C1-Mischung hat in den kühleren Abendstunden ein kleines Aufwärmproblem. Aber das ist lösbar." Die drei Reifentypen trennen jeweils eine halbe Sekunde.