Traum-Ergebnis aus letzter Reihe
Red Bull hatte das Sochi Autodrom für die fällige Motorenstrafe auserkoren. Das Team rechnete mit einem Mercedes-Doppelsieg und schweren Verlusten. Doch trotz Start aus der letzten Reihe verlor Max Verstappen nur sieben WM-Punkte. Sein Poker zum Schluss zahlte sich aus. Teamkollege Sergio Perez machte das Gegenteil und purzelte vom Podest.
Monza und Sotschi waren zwei Mercedes.Strecken. Max Verstappen büßte die Führung in der Weltmeisterschaft gegen Lewis Hamilton ein. Und trotz Unfall, Strafe und Rückversetzung durch einen Motorwechsel waren es erfolgreiche Rennen für Red Bulls Superstar. Weil Lewis Hamilton in Summe nur fünf Punkte mehr machte. So liegt Verstappen sieben Rennen vor Saisonende nur zwei Zähler zurück, hat die Motorenstrafe aus den Füßen und ein paar gute Rennstrecken vor sich, die seinem Auto liegen sollten.
Der WM-Zweite jubelte nach dem zweiten Platz in Sotschi. "Als ich heute früh aufgestanden bin, habe ich damit nicht gerechnet." Bei einem normalen Rennverlauf, so sahen es die Strategie-Programme voraus, wäre der Niederländer irgendwo zwischen Platz sechs und acht gelandet. Bis sieben Umläufe vor Zielflagge reihte sich der 23-Jährige an siebter Stelle ein. Teamchef Christian Horner jubelte. "Von Platz 20 auf zwei. Das fühlt sich für uns an wie ein Sieg." Der Pilot hatte das richtige Gespür, wann es Zeit war, von Slicks auf Intermediates zu tauschen. Das rettete ihm das Wochenende. Dadurch kletterte Verstappen im Finale noch um fünf Positionen.
Weniger Abtrieb für Rennen
Der Reihe nach. Red Bull hatte bereits im Vorfeld das Sochi Autodrom als eine Strecke ausgemacht, die Mercedes klar favorisiert. Das erste Training brachte bereits die Bestätigung. Mercedes dominierte und schien auf Kurs zu einem Doppelsieg. Den Silberpfeilen war nicht beizukommen. Red Bull bezifferte den Verlust auf eine Runde auf zwei bis drei Zehntel. Zu lang die Geraden. Zu viele mittelschnelle Kurven. Zu hoch der Abtrieb, der für die 18 Kurven notwendig war. Je größer der Heckflügel, desto ineffizienter ist der RB16B im Vergleich zum Mercedes. Die starke Anstellung in Kombination mit einem großen Flügel bremst auf den Geraden.
Auf dieser Basis, und mit der Strafe von drei Startpositionen nach dem Monza-Unfall im Rücken, entschied sich Red Bull, den vierten Motor der Saison in Verstappens Auto einzusetzen. Der Zeitpunkt am Wochenende vor dem zweiten Training war ungewöhnlich früh. Das Team verwies darauf, dass man den neuen Honda-V6 auf einer trockenen Fahrbahn kalibrieren wollte. Ab Samstag war Regen vorhergesagt, der dann auch kam.
Verstappen rollte in der Qualifikation herum, weil er ohnehin auf den letzten Startplatz betoniert war. Im Rennen musste eine Aufholjagd her. Im Vergleich zum Trainingsfreitag reduzierte Red Bull das Abtriebsniveau, um schneller auf den Geraden zu sein. Verstappen hatte beklagt, mit dem großen Flügel niemanden überholen zu können.
Reifen leiden im Verkehr
Am Start gewann er drei Plätze. Dann schnappte er sich Nicholas Latifi, Nikita Mazepin, Valtteri Bottas, Pierre Gasly, Charles Leclerc und Sebastian Vettel. Seine Lieblingsstelle: Kurve 13, wie schon bei der großen Aufholjagd 2018. Fast hätte er sich am Ferrari in Kurve sechs den Frontflügel kaputtgemacht. Verstappen schildert die Situation: "Charles und Sebastian haben sich über fünf Kurven einen heißen Kampf geliefert. Ich bin aus Kurve fünf gut rausgekommen. Charles musste weit gehen, hatte die Augen auf Sebastian gerichtet, und mich glaube ich nicht bemerkt. Er hat sein Auto nach rechts geworfen und mir damit fast den Frontflügel weggefahren."
Trotz harter Reifen stoppte Verstappen bereits in der 26. Runde. Die Gummis auf der Vorderachse waren am Ende – besonders der linke. "Der Plan war, länger zu fahren. Aber die Aufholjagd hat die Reifen zu stark strapaziert. Auch hinten heraus vor dem Regen waren seine Mediumreifen ziemlich abgefahren", berichtet Red Bulls Sportchef Helmut Marko.
Auf Pirellis gelbmarkierter Mischung durchlief der WM-Zweite eine Phase körnender Reifen. Und die erhöhte den Verschleiß. "Max hatte nur wenige Runden mit freier Bahn. In denen war er ziemlich schnell. Hinter anderen Autos ruinierst du dir einfach die Reifen. Besonders in Kurve drei", führt Horner aus. Das ist die ewig lange Omega-Kurve.
Red Bull hat Motorenstrafe aus Weg
Im zweiten Rennteil stockte zunächst die Aufholjagd. Verstappen kassierte nur noch George Russell und Lance Stroll, musste dagegen aber Fernando Alonso ziehen lassen. "Das Mittelfeld ist in dieser Saison konkurrenzfähiger und dichter dran an der Spitze. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem es nur noch schwer vorangeht", sagt der 23-Jährige. Der Regen warf ihm einen Rettungsanker zu, an diesem Sonntag nicht 12, sondern nur sieben Punkte auf Hamilton zu verlieren.
Verstappen hatte den richtigen Riecher. Der Tausch auf Intermediates in Runde 48 war goldrichtig. Horner schildert die Phase vor dem Boxenbesuch: "Die Vorhersage lautete, es hängen Regen.olken um die Strecke. Aber es war schwer zu sagen, wie stark es regnen würde, ob es wieder aufhört. In so einer Phase, von trockener zu nasser Strecke, macht der Fahrer die Ansage. Er fühlt das Griplevel auf der Strecke. Er weiß, ob er auf Slicks weiter zurechtkommt oder nicht. Max hatte die richtige Entscheidung getroffen, Sergio beim Poker leider die falsche."
Red Bulls Star kletterte, Sergio Perez purzelte. Vom Podest auf Platz neun. Für die Fahrer-Weltmeisterschaft war der Ausgang gut. So wurde Verstappen zum heimlichen Sieger des Grand Prix, obwohl der schärfste Widersacher gewann. "Das war weit mehr, als wir im Vorfeld erhoffen konnten. Wir haben die Motorstrafe und zwei Mercedes.Strecken aus dem Weg und sind mit Max nur zwei Punkte hinter Lewis. Das ist ermutigend für den Rest der Saison", sagt Horner. Zumal Hamilton noch der Einsatz eines vierten Motors und damit eine Strafe droht. "Bei den vielen Motorwechseln ihrer Kundenteams sollte man das annehmen."
Perez, der unglückliche
Für die Konstrukteurs-WM war der Ausgang für Red Bull schlechter. Ohne Regen hätte Red Bull 21 und Mercedes 18 Punkte gesammelt. Mit Regen stockte Mercedes auf 35 auf, Red Bull holte 20 Zähler. Die Nummer zwei im Team durchläuft weiter eine Phase durchwachsener Rennen. Das Pech klebt Perez an den Füßen. In den letzten sechs Grand Prix sammelte der Mexikaner nur 16 Punkte.
Diesmal hätte ein Podium herausspringen können. Trotz schlechtem ersten Boxenstopp. Es klemmte hinten rechts. Und dann löste sich auch noch die Kupplung im Stand. Der Mechaniker am Rad wurde an der Hand verletzt. Der Stopp dauerte 8,9 Sekunden, was Perez zunächst hinter Carlos Sainz und Daniel Ricciardo warf, die er aber beide überholte.
Mit dem Podest vor Augen traf er die falsche Entscheidung bei einsetzendem Regen. Perez wollte auf Slicks bis zum bitteren Ende ausharren und fiel auf die Nase. Es passte ins Bild. In der Qualifikation hatte das Team sein Auto in Q3 zu spät von Intermediates auf Slicks umgerüstet. Im Rennen verpasste Checo den Augenblick, von Slicks auf Inters zu gehen. Er hätte auch ganz rausfliegen können. In der Boxeneinfahrt entglitt ihm sein Auto. Der Red Bull schlug mit dem linken Hinterrad an der Boxenmauer an, und prallte von dort wieder in die Spur zurück.