Kein Lohn nach tollem Kampf
Fünf Stunden nach dem Rennen war Sebastian Vettel seinen zweiten Platz los. Den Ex-Weltmeister traf keine Schuld. Vettel fuhr ein starkes Rennen nach verpatztem Start, der sich als Glücksfall erwies. Für Aston Martin ist die Disqualifikation ein schwerer Rückschlag – aus mehreren Gründen.
Sebastian Vettel erlebte in Budapest eine Achterbahnfahrt. Am Samstag war noch alles normal. Sein Aston Martin gehörte vom Speed her auf den zehnten Startplatz. Vielleicht wären die Alpine noch zu knacken gewesen, doch im Prinzip waren die blauen Autos in allen Trainings schneller.
Am Sonntag durchlebte Vettel dann ein Wechselbad der Gefühle. Schlechter Start und doch eine gute erste Runde. Kampf um den Sieg, später Disqualifikation. Eine Botschaft für Gleichberechtigung und Anerkennung in der Gesellschaft, dafür aber Ärger mit der Sportbehörde.
Der Sport redet sich ja bekanntermaßen gerne raus, unpolitisch zu sein. Sein zu müssen. Für Vettels buntes Outfit verwarnten ihn die Kommissare. Das war dem Heppenheimer herzlich egal. Er hätte auch dafür laut eigener Aussage auch eine Disqualifikation in Kauf genommen. Der 34-Jährige nutzte die Bühne, um gegen die Politik Ungarns zu protestieren, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender zu diskriminieren – und teilte gegen die Formel 1 aus.
"Es ist enttäuschend, dass ein paar Farben ein Problem für jemanden sind. Vor dem Rennen beziehen wir auch Stellung. Man muss nur auf den Teppich schauen, da steht alles aufgedruckt." Vettel bezieht sich auf die Botschaft "We race as one" – ein Statement der Formel 1 für Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion. In der eigenen Sache ist Politik plötzlich erlaubt.
Benzin-Problem vorher angekündigt
Für den Wertungsausschluss nach dem Rennen konnte Vettel nichts. Er stellte seinen Aston Martin in der Auslaufrunde in Kurve 12 ab. Das alarmierte die Technikkommissare, die prompt untersuchten, ob da noch ausreichend Benzin im Tank ist. Die Regeln verlangen noch mindestens einen Liter, damit das Rennbenzin in seiner Zusammensetzung analysiert werden kann. Egal, was die Kommissare machten, sie bekamen am Ende nur 0,3 Liter aus dem AMR21. Aston Martin beharrt darauf, dass noch 1,74 Liter drin gewesen sein müssen. Die Förderpumpe sei defekt gewesen. Das lässt die FIA aber als Ausrede nicht gelten. Das Team erbrachte den physischen Beweis nicht.
Für den Rennstall war es in mehrerer Hinsicht bitter. Einen Fehler gesteht man nicht ein, obwohl man wahrscheinlich einen gemacht hatte. Aston Martin hätte Vettel besser angewiesen, direkt nach der Zieldurchfahrt zu parken. Damit hätte man sich ein paar Kilometer gespart – und damit etwas Benzin. Williams hat es mit seinen beiden Fahrern so gemacht. Die Daten, so hört man, hatten bereits in der letzten Rennrunde auf Probleme bei Aston Martin hingewiesen. Die Benzin.umpe soll da schon auf Unterdruck gelaufen sein.
Vettel wurde vorher schon gewarnt, dass es mit dem Benzin eng werden würde. Langsam konnte er aber nicht machen, weil es um den Sieg ging und von hinten Hamilton anflog. Für das Image ist eine Disqualifikation nie gut. Und für die Ambitionen des Teams, wenigstens Fünfter in der Team-Weltmeisterschaft zu werden, war es ein schwerer Rückschlag. Alpha Tauri ist jetzt 20 Punkte voraus, Alpine 29. Das Auto bleibt erst einmal in den Händen der FIA, bis Aston die Entscheidung getroffen hat, gegen den Wertungsausschluss vorzugehen. Dafür hatte man nach Rennende 96 Stunden Zeit.
Der Rennverlauf selbst wird das Team ermutigen. Vettel schlich auf nasser Piste aus der Startbox, was ihm aber nicht ungelegen kam. "Mein Start war sehr, sehr schlecht. Das hat sich im Nachhinein aber als Glücksfall erwiesen." So konnte Vettel mit Sicherheitsabstand beobachten, wie sich zwei Kollisionen mit mehreren Autos ereigneten. Er bremste lieber früher und wählte für sich die Innenspur. "Esteban hat in letzter Sekunde reagiert und war dann vor mir."
Latifi schirmt nach hinten ab
Beide befanden sich hinter Lewis Hamilton. Das Mercedes-Geschenk mit dem zu späten Wechsel von Intermediates auf Trockenreifen machte sie plötzlich zu Kandidaten für den Sieg. Weil Nicholas Latifi im Getümmel der Boxengasse von Rang fünf auf drei sprang, hatten sie den perfekten Abschirmjäger hinter sich. Der Kanadier fuhr zwar ein starkes Rennen, saß aber in einem deutlich langsameren Auto. Bis zu Latifis Boxenstopp waren Ocon und Vettel bereits 17 Sekunden voraus. Erst dann hatten Carlos Sainz und Fernando Alonso freie Fahrt.
Vettel fühlte, dass er an diesem Renntag im schnelleren Auto saß. Vor allem zu Beginn der jeweiligen Stints. "Ich hätte drei bis vier Zehntel schneller fahren können. Wenn ich nur vorbeigekommen wäre, hätte ich eine Lücke zu ihm aufgerissen." Doch Vettel hätte schon 1,4 Sekunden schneller sein müssen, um auf dem Hungaroring mit seinen kurzen Geraden überholen zu können.
Er kam nie nah genug heran, weil sein Auto in den Turbulenzen litt. "Im Geschlängel, besonders in den Kurven acht und neun, habe ich die Vorderachse zu oft verloren." Die dreckige Luft des Alpine ließ seinen Aston im Mittelsektor untersteuern. Und auch im Schlussabschnitt mit den zwei mittelschnellen Bögen hatte Ocon in sauberer Luft den entscheidenden Vorteil. "Ich wäre gerne mal zwei, drei Zehntel näher gewesen, um nicht immer gerade nur so ins DRS zu kommen. Esteban hat keine Angriffschance eröffnet. Er hat keinen Fehler gemacht."
Nur zwei Gelegenheiten
Im Prinzip hatte Vettel nur zwei Gelegenheiten. Die erste beim Wechsel von Mediums auf harte Reifen kurz nach Rennhalbzeit. Der Zeitpunkt war bewusst gewählt. "Wir mussten warten, damit wir nach dem Stopp genug Luft zu Alonso haben. Sonst hätte ihn Alpine genutzt, um Seb aufzuhalten", erklärte Teamchef Otmar Szafnauer.
Jedoch dauerte der Aufenthalt in der Boxenstraße mit 22,703 Sekunden zu lange. "Ich glaube, ich habe etwas Zeit verloren, weil ich stark gepusht habe, und mir die Räder in der Einfahrt blockierten. Da ging der Motor kurz in Anti-Stall." Also in den Sicherheitsmodus, um nicht abzusterben. Auch das Einparken bei den Mechanikern war nicht optimal. Es dauerte zu lange, bis das linke Hinterrad neu aufgeschraubt wurde. Ocons Boxenzeit betrug einen Umlauf später 21,642 Sekunden.
Vettels Outlap brachte ihn nah an den Alpine. Er war im Vergleich der Outlaps 1,4 Sekunden schneller als sein Gegner (1:38.807 zu 1:40.201 Minuten). "Ich habe wie die Hölle gepusht." Zu seinem Leidwesen ist der Weg von Kurve drei bis vier zu kurz. Sonst hätte er dort ein Manöver setzen können. Vettel glaubte bis zum Schluss an die große Überraschung. "Ich habe mir ständig eingeredet: Gib alles, Attacke, Attacke, Attacke." Die Überrundung von Antonio Giovinazzi diente beinahe als Türöffner. Doch Ocon schmiss die Tür in Kurve eins noch zu.
Nach dem Rennen haderte der Ex-Weltmeister zunächst. "Natürlich war es erst einmal frustrierend, nicht gewonnen zu haben. Ich lag eineinhalb Stunden direkt hinter Esteban, und so nah dran. Leider hatte ich nur einen kleinen Speed-Vorteil, der nicht ausgereicht hat, um etwas zu probieren", sagte Vettel. Die Gratulation fiel fair aus. "Esteban hat sich diesen Sieg verdient."