Welcher flexible Raumriese ist besser?

Beide sind höher und länger als manches aufgebautes Reisemobil. Und beide kommen mit einem der flexibelsten Grundrisse, die ein Campingbus derzeit bieten kann. Unterschiede gibt es dennoch reichlich.
Flexibilität schreiben Reisemobilhersteller dieser Tage groß wie nie. Nicht zufällig sprießen vor allem Campingbusse mit höhenverstellbaren Betten derzeit wie wild aus den Fertigungshallen. Denn kaum ein Grundriss ist so variabel in der Nutzung wie der, den sich auch die beiden Vergleichstest-Kandidaten teilen. Die ersten hard facts zu beiden Hochdach-Bussen:
Yucon 63 H
- Gurt-/Schlafplätze: 4/2–3 Zul.
- Gesamtgewicht: 3.500 kg
- Länge: 6,36 m
- Preis: ab 54.500 Euro
Knaus Boxlife 630 ME
- Gurt-/Schlafplätze: 4/2–3 Zul.
- Gesamtgewicht: 3.500 kg
- Länge: 6,36 m
- Preis: ab 61.790 Euro
Kochen und Schlafen
Das Heckbett ist bei beiden Bussen in der Höhe verstellbar, sodass der Heckstauraum je nach Bedarf genutzt werden kann. Zweiräder parken sicher in der Garage, während obendrüber geschlafen wird. Möglich macht das die höchste Dachvariante des Fiat Ducato. Ebenso wie eine durchgängige Innenstehhöhe von über 2,10 Meter.
Die enorme Stehhöhe teilen sich beiden Vergleichstest-Kandidaten, umso erstaunlicher der unterschiedliche Raumeindruck, der beim Betreten des Wohnraums aufkommt. Luftig und großzügig der Sitzgruppenbereich im Yucon, drückend und eng im Knaus. Schuld daran ist die üppige Möblierung des Boxlife.
Die Hängeschränke im Knaus ragen tief und weit in den Raum hinein, und vor allem das große Staufach über dem Fahrerhaus tut sein Übriges zum beengten Raumgefühl. Selbiges gilt für den Küchenblock: Dreißig Zentimeter weiter als im Yucon ragt die Zeile im Knaus in den Einstieg hinein. Sollte das nicht garantieren, dass mehr Platz zum Kochen bleibt? Nicht in diesem Fall.
Während Knaus eine Spüle mit hochwertiger fester Armatur und separatem Zweiflamm-Herd installiert, setzt Yucon auf die platzsparende und leichter zu reinigende Variante: Herd und Spüle sind aus einem Blechteil.
An Arbeitsfläche mangelt es auf den ersten Blick beiden Küchen. Yucon weiß sich aber mit einer ausziehbaren Arbeitsplatte unterhalb des Kühlschranks und einer gut nutzbaren Verlängerung der Küchenzeile besser zu helfen. Letztere existiert auch bei der Konkurrenz, jedoch fällt sie dort mickrig aus und schließt nicht bündig an die nur 87 Zentimeter hohe Küchenzeile an.
Unkonventionelle Bad-Lösungen
Jeweils gegenüber liegt die Nasszelle. Sowohl Knaus als auch Yucon setzen hier auf eher unkonventionelle Lösungen. Das Testfahrzeug von Knaus ist mit dem optionalen Raumbad ausgestattet. Dank der Mitbenutzung des Gangs – in dessen Boden die Wanne eingelassen ist –, ermöglicht es eine abtrennbare und relativ großzügige Duschkabine. Die höhenverstellbare Brausearmatur und die bunte LED-Beleuchtung erhöhen zudem den Wohlfühlfaktor. Die Nutzung der Toilette gleicht dagegen einem menschlichen Tetris-Spiel.
Rechterhand begrenzt im Knaus die Kabinenwand die Schulterfreiheit, links das kleine Waschbecken. Zieht man dieses nach oben und klappt es über die Toilette, entsteht ein zweites, größeres Becken. Während der Benutzung des Bads sorgen zwei runde Schiebetüren für die nötige Privatsphäre. Dann ist allerdings nicht nur der Gang blockiert, sondern auch der Zugang zum Kühlschrank.
Das Yucon-Bad mit Gliederschiebetür belässt es zwar bei der integrierten Dusche. Um ausreichend Bewegungsfreiheit zu schaffen, lässt sich die Toilette aber nach hinten unters Bett schieben und das Waschbecken hochklappen. Letzteres ist allerdings zu flach.
Heck- und Hubbetten im Vergleich
Spannend wird es auch im Heck. Geschlafen wird längs, im Yucon auf einer durchgehenden 1,92 mal 1,30 Meter großen Kaltschaummatratze, die auf der Fahrerseite aber zwölf Zentimeter kürzer ist. Das elektrische Hubbett ist in zwei unterschiedlichen Höhen nutzbar. Befindet sich die Liegefläche oben, das heißt auf einer Höhe von 1,47 Meter, gelingt der Zustieg recht mühelos über eine Leiter. Die beiden seitlichen Zusatzpolster verbreitern die Bettenbreite zudem auf 1,52 Meter. Im abgesenkten Zustand kommt die Liegefläche auf eine Höhe von 90 Zentimetern. Da keine Stufe vorhanden ist, gelangt man dort aber nur mit Mühe hinauf. Die schmalen Fenster, je eines auf Fahrer- und Beifahrerseite, sorgen für freie Sicht nach draußen, egal für welche Betthöhe man sich entscheidet.
Im Knaus macht man es sich auf zwei einzelnen Kaltschaummatratzen gemütlich, die nebeneinander liegend auf eine üppige Breite von 1,72 Meter kommen. Die Hubbett-Konstuktion funktioniert manuell und hängt an stabilen Drahtseilen. Dass man hier buchstäblich in den Seilen hängt, kommt dem Schlafkomfort nicht zugute. Anders als im Yucon, in der eine Konstruktion mit elektrischem Motor und Gurten zum Einsatz kommt, schwebt die Liegefläche im Knaus regelrecht. Jede Bewegung lässt die Kunstruktion wackeln und klappern.
Eine Besonderheit im Knaus ist sicherlich noch die zusätzliche optionale Liegefläche. Gegen einen Aufpreis von 490 Euro erhält man ein vollwertiges Stockbett, sodass vier – mit umgebauter Sitzgruppe fünf – Personen im Boxlife schlafen können. Die zusätzliche Liegefläche wird unter dem hinaufgelifteten Hauptbett platziert. Allerdings geht dann auch wertvoller Stauraum im Heck verloren.
Beladen
Raumriesen wie der Knaus Boxlife 630 ME und der Yucon 63 H dürften keine Stauraumprobleme haben. Die Aussage bewahrheitet sich zumindest teilweise. Ein Blick durch die geflügelten Hintertüren offenbart die größte Stärke der beiden Campingbusse mit Fiat-Hochdach, nämlich jede Menge Raumvolumen und Platz für Zweiräder und mehr.
Vergleicht man beide Heckstauräume – zunächst mit vollständig angehobenen Betten – miteinander, fällt auf, dass der Yucon sogar aufrecht stehend beladen werden kann. Spätestens beim Verzurren der Fahrräder lernt man die 1,82 Meter Stehhöhe unter dem Hubbett zu schätzen und Rücken und Knie danken. Denn im Knaus Boxlife wird in geduckter Haltung oder eben kniend beladen. Die seitlichen Einbauten fallen schmaler aus als beim Yucon, sodass zwei Räder sogar quer parken können. Vorbildlich auch die Verzurrösen und durchgehenden Verzurrschienen.
Zurück zur Stehhöhe. Die resultiert aus den fehlenden Hängeschränken bei Yucon. Offene Staufächer und Ablagenetze sind im Heck zwar reichlich vorhanden, Platz für Kleidung bieten lediglich drei mit Rolltüren zu verschließende Schränke, denen es an Tiefe fehlt, sodass gestapelte Pullis, Hosen und Co. beim Öffnen der Rollos leicht herausfallen. Die sechs klassischen Hängeschränke oberhalb des Boxlife-Betts eignen sich besser für die Aufbewahrung der Reisegarderobe. Kurze Jacken und Hemden kommen in beiden Fahrzeugen im Hängeschränkchen unter dem Kühlschrank unter. Angesichts der knappen Höhen ist allerdings fraglich, ob alles knitterfrei am Reiseziel ankommt.
In der Küche setzt sich Knaus durch und trumpft mit drei extra ausladenden Schubladen. Hier verräumt man gerne Teller, Töpfe, Besteck und alles, was der Hobbykoch unterwegs sonst so braucht. Fast genauso großzügig ist das Angebot an Hängeschränken, in der Küche ebenso wie im Bereich der Sitzgruppe. Das Fiat-Hochdach ermöglicht geräumige Dimensionen. Ein Podestfach und allen voran das riesige Staufach über dem Fahrerhaus, das bei Yucon fehlt, komplettieren das reichhaltige Stauraumangebot im Knaus. Verstecken muss sich jedoch auch der Konkurrent nicht. Küchenutensilien und Lebensmittel werden in fünf Schubladen und zwei Hängeschränken verstaut. Campingbusse dieser Größe fordern in der 3,5-Tonnen-Klasse ihren Tribut – in Form von knappen Zuladungsreserven. Dabei suggeriert der wunderbar flexibel nutzbare Grundriss, dass jede Menge Gepäck mit an Bord kann, darunter auch häufig ins Gewicht fallendes Sperrgepäck. Eingeschränkt wird diese Freiheit beim Testwagen von Yucon noch mehr als beim Knaus Boxlife, zumal die Sonderausstattung in letzterem mit 35 Kilogramm mehr ins wiegt. Auflastungen sind in beiden Fällen möglich, aber wie gewohnt kostspielig. Sind jedoch Reisen mit mehr als zwei Personen geplant, kommt man um eine Auflastung nicht herum. Andernfalls riskiert man hohe Bußgelder und Punkte in Flensburg.
Technik
Knaus sieht die Zukunft gasfrei. Das ist gegenwärtig bereits im Testfahrzeug spürbar. Kompressor-Kühlschrank und Dieselheizung machen einen großen Gasvorrat hinfällig. Entsprechend klein fällt der Gaskasten für die 1,8-Liter-Flasche aus. Er ist platzsparend in den speziell an den Radkasten angepassten 102-Liter-Frischwassertank integriert, der sich auf der Beifahrerseite im Heck befindet. In die Leitungen gelangt das Wasser mittels Tauchpumpe. Anders bei Yucon. Die leistungsstärkere Druckpumpe ist zwar am hinteren Ende des etwas größeren 110-Liter-Frischwassertanks eingebaut, aber dennoch deutlich hörbar, wenn die Leitungen geöffnet sind. Umgedrehte Volumenverhältnisse weisen die Abwassertanks auf: Der serienmäßig isolierte Yucon-Tank fasst 80 Liter, 10 Liter mehr Grauwasser fängt der Tank im Knaus auf.
Die Power dürfte keinem der beiden Testkandidaten ausgehen. Schließlich sind beide mit zwei AGM-Bordbatterien ausgestattet. Sowohl bei Knaus als auch bei Yucon befinden die sich ordentlich verstaut im linken Seitenkasten unter dem Bett.
Apropos Bett: Während das Hubbett im Boxlife manuell bedienbar ist, fährt das im Yucon elektrisch auf und ab. Die Bedienung zeigt aber noch Verbesserungspotenzial. Zunächst muss der 12-V-Hauptschalter betätigt werden, der sich über der Schiebetür nahe dem Bedienpanel befindet. Das Touchdisplay ist übersichtlich gestaltet, die Initialisierung benötigt aber zirka zwanzig bis dreißig Sekunden. Nun muss dort der Button aktiviert werden, der das Radio über das 12-Volt-Netz anschaltet. Erst jetzt folgt ein langer Druck auf die obere Pfeiltaste der elektrischen Höhenverstellung. Leuchten die LED-Dioden Grün, ist das Bett bereit per Knopfdruck angehoben oder gesenkt zu werden. Ein weiterer Bedienschalter befindet sich übrigens am Bettende und ist über die offene Hecktüre zu erreichen. Auch der funktioniert nicht ohne das vorherige Prozedere.
Die Lichtkonzepte der Campingbusse
Durchdachter ist das Lichtkonzept. Regalfächer und Schränke sind stimmig aus dem Hintergrund beleuchtet. Wer typische Gemütlichkeit erwartet, wird aber enttäuscht. Das gesamte Yucon-Konzept basiert auf schlichte Kontraste und kühle Farben. So bleibt auch das Licht überwiegend im kaltweißen Spektrum. Ungeschickt ist die Platzierung der Lichtschalter am Bett, da sie sich im Fußbereich befinden. Vor allem in der oberen Bettposition, wo wenig Kopffreiheit bleibt, erreicht man den Schalter kaum. Leseleuchten sind ebenso nur auf der unteren Ebene vorhanden.
Ganz anders sieht das bei Knaus aus. Sämtliche Lichter sind von der Küche, der Sitzgruppe sowie vom Bett aus schaltbar. Schwanenhalsleuchten am Kopfende sind ebenfalls vorhanden. Passend zum hölzernen Möbeldekor ist die Lichtfarbe eher warm. Wer Gefallen daran hat, kann das Bad dank aufpreispflichtiger Ambientebeleuchtung in jeder Farbe von Blau bis Pink erstrahlen lassen. Praktisch sind die kleinen bodennahen Spots, die nachts den Weg ins Bad erleichtern.
Auch die Steckdosenverteilung ist Knaus prima gelungen. Insgesamt vier 230-Volt-Steckdosen, die sich von der Sitzgruppe über die Küche bis ins Heck gut verteilen, lassen kaum Wünsche übrig. Im Yucon dagegen findet sich nur eine der wertvollen 230-VoltDosen nahe der Dinette. Der Anschluss der Kaffeemaschine ist also nicht möglich. USB-Buchsen, um Handy und Tablet zu laden gibt es in beiden Fahrzeugen reichlich.
Preis & Service
Der Preisunterschied der beiden Testfahrzeuge mag mit einer Differenz von mehr als 14.000 Euro mächtig sein. Jedoch soll nicht unwerwähnt bleiben, dass Preise momentan keine verlässliche Sache sind. Nicht zuletzt pandemiebedingt stiegen die Zuliefererpreise in die Höhe und tun es noch. Reisemobilhersteller ziehen mehr oder weniger fix nach.
Dass Knaus mit dem Boxlife 630 ME trotz alledem das teurere Gefährt bleibt, steht außer Frage. Der Testwagenpreis beinhaltet allerdings vier Pakete. Darunter das 2.190 Euro teure Funline-Paket inklusive beheiztem Abwassertank, Markise, Wasserfiltersystem und Truma iNet-System. Mit 2.030 Euro schlägt allein das Media-Paket zu Buche, das unter anderem eine Rückfahrkamera, ein Head-Up-Display und das Navigationssystem beinhaltet. Yucon kommt mit nur einem Paket an Bord: Das Fiat-Paket enthält etwa die Markise, die zweite AGM-Bordbatterie, die Gas-Umschaltanlage und den 90-Liter-Dieseltank. Die Testfahrzeuge sind jeweils sehr gut ausgestattet. Wer sparen will und darauf verzichten kann, setzt kein Häkchen bei den Alufelgen, die vor allem bei Knaus ordentlich Aufpreis kosten. Die schönen Heckfenster im Yucon 63 H sind ebenfalls ein Luxus, auf den man gut aber nicht gerne verzichtet.
Fahren
Von außen kaum sichtbar, aber es ist ein Vergleich der Generationen. Während Knaus den Boxlife 630 ME auf altem Fiat-Ducato ausliefert, darf der Yucon auf der überarbeiteten Version fahren, die im Spätsommer letzten Jahres präsentiert wurde. Sofort fällt dort die bessere Lesbarkeit des Tachometers auf. Die Sechsgang-Schaltung pointierter, die Lenkung direkter. Im Fahrverhalten punktet der Yucon mit der neuen Fiat-Basis.
Agil und wendig bewegen sich beide nicht über die Straßen. Vor allem die Länge von 6,36 Metern und der Radstand von immerhin 4,03 Meter lassen die großen Kastenwagen um die Kurven herum schwerfällig werden. Durchaus flott von der Stelle ziehen die 140-PSler aber. Der Yucon noch ein wenig flotter als der Knaus. Erneut macht sich das neue Basisfahrzeug mit 2,2 Litern Hubraum bemerkbar. Der Geräuschpegel ist allerdings ähnlich hoch, vor allem, sobald die 110 km/h überschritten werden. Nur wenig hört man vom Möbelbau. Lediglich das an Seilen hängende Bett im Knaus macht sich hin und wieder bemerkbar. Mitreisende haben es auf der komfortabel gepolsterten Rückbank im Yucon zwar gemütlicher, im Knaus aber mehr Platz. Die Bank ist zweigeteilt, so lassen sich die Sitzplätze gut zehn Zentimeter auseinander schieben.
Wertung
Wohnen
Knaus: 3,0 von 5 Punkten Yucon: 3,5 von 5 Punkten
Vor allem der mangelnde Schlafkomfort im wackeligen Bett enttäuscht im Boxlife. Punktabzug gibt es auch für den engen Wohnbereich. Dort triumphiert der Yucon deutlich. In der luftigen Sitzgruppe sitzen vier Personen bequem zusammen.
Beladen
Knaus: 3,8 von 5 PunktenYucon: 3,4 von 5 Punkten
Obwohl die Kandidaten ihre Vorteile im Heck auspielen, hat Knaus die Nase vorn. Das Stauraumangebot in der Küche sowie die Aufbewahrungsmöglichkeiten für Kleidung punkten. Bei der Zuladung ist bei beiden mehr drin.
Technik
Knaus: 3,7 von 5 PunktenYucon: 3,3 von 5 Punkten
Hier schlägt sich Knaus besser: Die mangelhafte Lichtsteuerung sowie die fehlenden 230-Volt-Steckdosen kosten Yucon wertvolle Punkte bei der Beleuchtung und Bordtechnik.
Fahren
Knaus: 3,5 von 5 PunktenYucon: 3,8 von 5 Punkten
Dank aufgefrischten Basis holt Yucon ein paar Punkte mehr. Vor allem aber das verbesserte Fahrverhalten ist ausschlaggebend. Darüber hinaus kann der Knaus auf gut mithalten.
Preis & Service
Knaus: 2,7 von 5 PunktenYucon: 3,9 von 5 Punkten
Sowohl Grundpreis als auch Basisausstatung des Yucon gehen in Ordnung. Unschlagbar jedoch ist das Servicenetz von Knaus.