5 Supersportler auf der Nordschleife
3.468 PS, verteilt auf fünf Supersportwagen, ringen um die Bestzeit auf der Nordschleife. Die exklusiven Probanden: Ferrari Enzo, Pagani Zonda F, Porsche Carrera GT, Maserati MC 12 und Koenigsegg CCX. Protokoll einer schnellen Woche.
Sie besitzen zufällig einen Ferrari Enzo, einen Koenigsegg CCX, einen Maserati MC 12, einen Pagani Zonda F und einen Porsche Carrera GT und sind misstrauisch. Stimmen die Leistungsangaben im Prospekt? Was können die Schätzchen überhaupt? Wir haben eine Idee. Sie vertrauen Ihre Fahrzeuge eine Woche lang einem richtigen Profirennfahrer an und lassen die Grenzen der fünf Supersportwagen auf der Nordschleife ausloten. „Bei diesen fünf Fahrzeugen hat man natürlich allein wegen des hohen Wertes erst einmal großen Respekt. Aber ich hatte den Auftrag, richtig Vollgas zu fahren“, erinnert sich Marc Basseng über die kuriose Anfrage eines Privatmannes, der die exklusivsten Exponate seiner 50 Fahrzeuge umfassenden Sammlung einem Extremtest auf Nordschleife unterziehen wollte.
„Da konnte ich natürlich nicht nein sagen“, erzählt der Langstreckenpilot und Porsche-Werkstestfahrer Basseng mit glänzenden Augen. 3.468 PS, verteilt auf fünf Hightech-Boliden, wollen in der grünen Hölle schließlich erst einmal bezwungen werden. Neben einem Rennfahrer wurde für die ultimative Ring-Prüfung eine professionelle Testmannschaft angeheuert, die den privaten Rekordversuch planen und durchführen sollte.
Große Inspektion für alle
Nachdem die fünf Fahrzeuge die meiste Zeit in der häuslichen Garage verbracht hatten, wurden alle Kandidaten im Vorfeld des Extremtests einer umfassenden Inspektion unterzogen. Bremsbeläge tauschen, neue Reifen aufziehen, sämtliche Flüssigkeiten ersetzen – die Checkliste der gewissenhaften Prozedur war lang. Nach der Hausarbeit rollten die fünf Highspeed-Probanden zu einem ersten Vortest auf die Nordschleife. „So konnten wir für den eigentlichen Test die ideale Abstimmung für jeden Wagen finden“, erläutert Testpilot Basseng.
Nachdem Reifendruck, Fahrzeughöhe und Dämpfereinstellungen penibel dokumentiert waren, zog die Mechaniker- Crew nach dem eintägigen „freien Training“ bei allen Rekord- Teilnehmern erneut frische Pneus auf. Zum Abschluss der Vorbereitungen wurden Bremsen und Reifen noch einmal 200 Kilometer auf öffentlichen Straßen eingefahren. Abschließend wurden alle Fahrzeuge abgetankt, jeweils wieder mit exakt 45 Liter befüllt und an den Start gerollt. Endlich konnte es losgehen.
Der Enzo rollt als Erster an den Start
Tag 1: Für Porsche-Werkstester Basseng stand mit dem Ferrari Enzo erst einmal italienische Kost auf dem Ring-Programm. „Vor dem Enzo hatte ich den größten Respekt. Das Auto ist deutlich über eine Million Euro wert. Abgesehen davon fährt einfach immer der Geist von Firmengründer Enzo Ferrari mit. Das hat schon etwas Außergewöhnliches.“ Beeindruckend auch die Performance des schnellen Italo-Superstars mit Sechsliter-V12-Herz und kräftigen 660 PS. 308,3 km/h zeichnen die Messgeräte auf der Döttinger Höhe auf. Damit schnappte sich der Enzo schon am ersten Tag die Bestmarke auf der langen Ring-Geraden. Auch im Hatzenbachbogen (159,7 km/h), Aremberg (102,9), Bergwerk (109,6 km/h), Kesselchen (256,8 km/h), Klostertal (174,8 km/h) und vor dem Schwalbenschwanz (238,5 km/h) wird der Enzo zum Speed- Junkie. Doch nicht nur beim Thema Highspeed legt das Cavallo Ram- pante schon zu Beginn der Rekordwoche am Ring vor. Nach der ersten Runde blieb die Zeit bei 7:25,21 Minuten stehen. „Dank der überzeugenden Keramikbremsen und dem sehr gut abgestimmten ABS kann man im Enzo ausgesprochen spät bremsen“, erzählt Versuchpilot Basseng. Auch bei der negativen Beschleunigung setzte sich der Enzo mit -1,1 g vor der Aremberg-Kurve schon am ersten Tag uneinholbar in Führung. Einen noch schnelleren Ritt verhinderten Dämpferprobleme. „Das elektronische Dämpfersystem ist immer wieder ausgestiegen.“ Auch im zweiten Anlauf, nach einem Boxenstopp beim Vertragshändler, meldete sich die Elektronik zu Wort. „Trotz dieses Problems war es erstaunlich, wie schnell der Enzo war“, resümiert Basseng.
Der Zonda F leitet Runde zwei ein
Flügeltür auf und rein in den nächsten Jugendtraum auf vier Rädern. Wegen des wechselhaften Wetters aber erst einen Tag später, doch die Testtruppe hatte Zeit mitgebracht. Auftrag nicht vergessen: Mit allen Fünf eine Referenzzeit in den Ring-Asphalt brennen. „Als zweites war dann der Pagani Zonda F dran, das emotionalste Fahrzeug des ganzen Tests“, leuchten die Augen des Profirennfahrers. Kein Wunder, beim Show-Contest dürfte das ausgefallene Design des Kohlefaser-Kleids des Zonda F aus der Feder von Horacio Pagani eindeutig vorn liegen.
Ein 7,3-Liter-V12 mit 650 PS und 780 Newtonmeter Drehmoment trifft auf 1.327 Kilogramm Leergewicht – ein Kampf der Extreme. Doch die nackten Zahlen werden schnell pulverisiert, wenn der Zwölfzylinder von AMG zum Leben erwacht und die ruhende Eifel zusammenbrüllt. „Das Schalten klingt wie in einem Formel 1-Fahrzeug. Am heftigsten war der Sound in der Fuchsröhre, das klingt wie wenn du Vollgas durch einen Tunnel fährst.“ Nicht nur das Klang-Feuerwerk ist Extraklasse.
Nach der zweiten Runde leuchteten auf dem Datalogger 7:24,44 Minuten auf, und der „F“ macht seinem Namen alle Ehre. Das Kürzel der leistungsgesteigerten Clubsportversion ist eine Hommage an den fünfmaligen Formel 1-Weltmeister Juan Manuel Fangio. „Die gute Rundenzeit des Pagani ist erstaunlich, schließlich wurde der Pagani nie für den Renneinsatz konzipiert“, beschreibt Testfahrer Marc Basseng den rassigen Designer-Boliden aus Italien.
Ring frei für den Koenigsegg CCX
Doch das Outfit zählte diesmal nicht. Auch der nächste Höllen-Patient versucht zwar mit seinem Äußeren zu kokettieren, aber die Stoppuhren lassen sich nicht erweichen. Dieselben Spielregeln auch für den Koenigsegg CCX: Rennen was das Zeug hält. Eine Highspeed-Komposition soll‘s richten. 672 Kilowatt, jawohl kW, also unglaubliche 914 PS aus einem V8-Kompressor stehen für Rennpilot Basseng als nächsten Gang auf dem Menüplan. Doch der starke Schwede enttäuscht. Zumindest was die Rundenzeit von 7:33,55 Minuten betrifft. „Im kanzelartigen Cockpit des Koenigsegg CCX fühlt man sich ein bisschen wie in einem Flugzeug. Wenn der Lader auf Touren kommt, ist die Beschleunigung im CCX am heftigsten von allen fünf Autos. Nur mit der Fahrbarkeit auf der Nordschleife hapert es leider“, beschreibt Langstrecken-Fahrer Basseng den leistungsgewaltigen Supersportler.
Eine eindrucksvolle Highspeed-Bestmarke sollte den Schweden-Renner aber über die langsamste Rundenzeit aller fünf Fahrzeuge hinwegtrösten. Mit 282,4 km/h macht das Nordlicht seine Herkunft zum Programm und schoss als Schnellster im Tiefflug über den Streckenabschnitt kurz vor dem Schwedenkreuz.
Der Carrera GT ist der Über-Porsche
Drei Kreuze wird Basseng wahrscheinlich über die Fahrt mit dem nächsten Supersportler in seinem Kalender vermerken. „Es ist immer etwas Außergewöhnliches, einen Porsche Carrera GT fahren zu können. Der Wagen zeichnet sich durch seinen besonders guten Antriebsstrang aus“, beschreibt er den Schwarzen aus Stuttgart-Zuffenhausen. Schon beim Blick in die Leistungsdaten beeindruckt der GT: 5,7 Liter Hubraum, zehn Zylinder und 612 PS.
„Die Keramikbremse funktioniert im Carrera GT unglaublich gut. In seiner Gesamtheit, vor allem in puncto Verarbeitung, ist er das beste Auto von allen hier.“ Und wie schlägt sich der Carrera GT auf der Nordschleife. Nach 7:28,71 Minuten bleiben die Zeiger für den Porsche stehen. Querbeschleunigungswerte von 1,62 g am Hatzenbachbogen und 1,59 g am Flugplatz zeigen das Potenzial – für die Bestzeit im Quintett reicht das allerdings nicht. Auch unter hoher Belastung arbeiteten die Bremsen einwandfrei, lediglich das ABS regelte durch eine sehr sensible Abstimmung etwas zu früh. „ Neben dem Fahrverhalten auf der Rennstrecke stand im Lastenheft des Carrera GT eine hohe Alltagstauglichkeit“, beschreibt Basseng den Grund für die wenigen fehlenden Sekunden.
Zum Dessert ein Maserati MC12
Nach Enzo zur Vorspeise, Pagani, Koenigsegg und Porsche zum Hauptgang muss ein unglaubliches Dessert folgen. Stimmt! Gestatten, MC 12, Maserati MC 12. 632 PS und zwölf Zylinder klingen nach Rennsport. 1602 Kilo getankt und mit Fahrer klingen eher nach Kompaktklasse. „Die Rundenzeit des MC 12 ist gerade im Hinblick auf das hohe Gewicht umso erstaunlicher. Vom Fahrverhalten hat er sich am ehesten nach einem Rennwagen angefühlt.“ Keine Widerrede! Man möchte meinen, der MC 12 wäre seinem Herrchen Michael Bartels direkt aus der FIA-GT davongelaufen.
Kein Wunder, dass die straßenzugelassene Variante auf der Nordschleife nicht nur am Sieg riecht. Mit 7:24,29 Minuten springt der MC 12 vor dem Pagani Zonda F aufs Podest. Das Erfolgsrezept: Gene aus dem Rennsport. So überzeugt der MC 12 vor allem durch seinen aerodynamischen Grip. Mit 1,68 g am Streckenabschnitt Bergwerk trumpft er speziell bei der Querbeschleunigung auf. Fünf weitere Bestmarken (Aremberg 1,42 g, Exmühle 1,67 g, Klostertal 1,48 g, Brünnchen 1,54 g, Galgenkopf 1,65 g) – in dieser Kategorie zeigt sich eindeutig die Verwandtschaft zum Dreizack- Rennwagen aus der FIA-GT-Meisterschaft.
Obwohl der MC 12 auf der gleichen Plattform des Ferrari Enzo basiert, agierte der Maserati fast problemlos auf der Nordschleife. „Er verfügt über keine elektronische Dämpfersteuerung wie der Enzo“ , erklärt Versuchspilot Marc Basseng die Vorteile des MC 12 in der Eifel. Nur die überhitzende Bremsanlage verhinderte eine noch schnellere Zeit. Nach der hitzigen Rekordwoche dösen die fünf Highspeed-Jongleure wieder auf ihrem wohlverdienten Garagenplatz. Das war‘s? „Nein, der Besitzer plant schon wieder die nächste Rekordfahrt auf der Nordschleife., verrät Marc Basseng. Wenn wundert‘s – immerhin warten ja noch 45 Kandidaten auf eine gezeitete Ring-Runde.
Rundenzeit Nordschleife./span>
Maserati MC 12: 7.24,29 min Pagani Zonda: 7.24,44 min Ferrari Enzo: 7.25,21 min Porsche Carrera GT: 7.28,71 min Koenigsegg CCX: 7.33,55 min