Audi R8
Mit dem 420 PS starken, allradgetriebenen R8 stellt Audi dem Lamborghini Gallardo einen Mittelmotor-Sportler zur Seite, der Alltagstauglichkeit und Sport verbinden soll.
Während sich – dem lang herbeigesehnten und nunmehr einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung sei Dank – allenthalben die Schlagzahl erhöht, lässt Audi es bei der Konstruktion seines neuen Flaggschiffs ungewohnt ruhig angehen. Statt wie bei den Volumenbaureihen A4 oder A6 wird der Arbeitstakt, also die Zeit, die ein Arbeiter am Stück an ein und demselben Fahrzeug verbringt, beim R8 nicht eine, sondern beachtliche 44 Minuten betragen. Das erhöht die Verantwortung jedes einzelnen der rund 100 im Montagewerk der in Neckarsulm beheimateten Quattro Gmbh beschäftigten Arbeiter und erlaubt es dem Unternehmen, von einer Manufaktur zu sprechen – eine Definition, die im Sportwagenbau von jeher einen guten Klang hat.
20 Audi R8 sollen pro Tag entstehen
Einen Verlust an High Tech oder Präzision müssen künftige R8-Eigner deshalb freilich nicht befürchten: Lasersensoren überprüfen binnen Sekunden 220 Einzelpunkte am Rohbau der in Audi Space Frame-Bauweise erstellten, alles in allem 210 Kilogramm schweren Aluminium-Karosserie. Einzelstücke werden zwecks noch genauerer Stichproben gar durch einen überdimensionierten Computer-Tomographen geschleust, der jede einzelne Schweißnaht auf ihre Perfektion prüft.
Schlussendlich sollen so in insgesamt 14 Arbeitstakten und zwei Schichten in der schwäbischen Sportdependance aus je 5.196 Einzelteilen 20 Autos pro Tag entstehen. Umgelegt auf 220 Arbeitstage ergibt das eine angestrebte Jahresproduktion von rund 4.400 Fahrzeugen. Dass diese unter der derzeit sehr hohen Nachfrage liegt, ist durchaus beabsichtigt: „Es wäre ungut, wenn ein solcher Sportwagen bereits innerhalb von sechs oder acht Wochen zu haben wäre“, so Quattro-Technikchef Stefan Reil. „Der R8 ist ein exklusives Auto und soll es auch bleiben.“ Eine Begrenzung der Fertigung auf fixe Stückzahlen ist jedoch nicht geplant.
Den Designern ist formal ein großer Wurf gelungen
Wie aber sieht es nun aus, das neue Schmuckstück aus dem schwäbischen Unterland, das die Erfolge und die Technik des Rennsports auf die Straße transferieren soll. Und – noch wichtiger- wie fährt es und wie fühlt es sich an? Formal ist den Audi.Designern mit dem R8 sicher ein großer Wurf gelungen: Breit, flach und trotz der durchaus beabsichtigten Ähnlichkeiten zur fließenden Linienführung des kleinen Bruders TT gänzlich eigenständig, dürfte dem 4,43 Meter langen Zweisitzer die Aufmerksamkeit der Auto-Enthusiasten gewiss sein.
Markante Details wie die aus je 40 Leuchtdioden bestehenden, abgerundeten Rechtecke der Rückleuchten oder das aus zwölf LED, gleich einem Lidstrich unterhalb der Xenon-Scheinwerfer gezogene Tagfahrlicht sowie mächtige schwarze Kühllufteinlässe und die wahlweise in Oxygensilber, Carbon oder farblich auf die Lackierung abgestimmten Sideblades, die den gestreckten Fahrzeugkörper optisch unterbrechen sollen, machen die 420 PS starke Sportskanone unverwechselbar.
Exotisch oder gar gewöhnungsbedürftig kommt der R8 dennoch nicht daher. Sowohl die kraftvoll-weiche Linienführung als auch der ergonomisch gelungene, aufgeräumte Arbeitsplatz des Piloten sind unverkennbar Audi. Die Neuheiten stecken im Detail. Die an einen Monoposto erinnernde, beim Testwagen in schwarzem Klavierlack glänzende Cockpitumrandung und die offene Alu-Schaltkulisse des manuellen Sechsganggetriebes feiern im R8 Premiere.
Der V8 ist bereits aus dem RS4 bekannt
Gleiches gilt für das Herzstück des formschönen Ganzen – den unter der großen Heckscheibe wirkungsvoll in Szene gesetzten, hoch drehenden 4,2-Liter-V8, der an sich zwar nicht wirklich neu, weil im RS4 bereits verbaut ist, in Audis neuem Supersportler jedoch an ungewohnter Stelle Dienst tut. Bislang thronte auch der im ungarischen Györ gefertigte Hochleistungssauger ebenso wie alle anderen Audi.Motoren stets auf der Vorderachse.
Im R8 hat der mit Trockensumpfschmierung, geraden Ansaugkanälen und einem Auspuffkrümmer mit gleichen Lauflängen für alle Zylinder versehene Direkteinspritzer erstmals vor der Hinterachse Platz gefunden. Das führt zu einer für Automobile aus Ingolstadt gänzlich ungewohnten Gewichtsbalance von 44 zu 56 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse sowie eine in der Folge hecklastigere Verteilung des Antriebsmoments. Die Viscokupplung des permanenten Allradantriebs Quattro beaufschlagt die Vorderräder bei Bedarf nunmehr nur noch mit zehn bis 35 Prozent der Kraft. Der Rest geht an die mit wuchtigen 285/35er-18-Zoll-Pneus bereifte Hinterachse.
So gerüstet besticht der R8 mit einer angenehm agilen Gangart. Das mit 1.560 Kilogramm vergleichsweise üppige Leergewicht fällt subjektiv nicht negativ auf. Der Zweisitzer tritt vehement an, stürmt ungezügelt gen Horizont und kommt dank seiner recht direkten Lenkübersetzung sehr leichtfüßig rüber. Den Werksangaben von 4,6 Sekunden für den Spurt von Null auf 100 km/h und 301 km/h Höchstgeschwindigkeit mag demnach Glauben zu schenken sein.
Magnetic Ride ist optional erhältlich
Der Fahrkomfort des mit der aus dem Audi TT bekannten adaptiven Dämpferverstellung Magnetic Ride versehenen R8 filtert grobe Unebenheiten im Normalmodus einigermaßen nonchalant weg. Das Sportprogramm sollte hingegen gänzlich ebenen Pisten vorbehalten sein. Serienmäßig tritt der am Unterboden zu Gunsten verbesserter Abtriebswerte vollverkleidete Mittelmotorsportler mit einem konventionellen Fahrwerk an, dessen Abstimmung, in Richtung Komfort verschoben, zwischen den beiden Fahrprogrammen der optionalen Magnetic Ride-Variante rangiert.
Großes Lob verdient das tadellos funktionierende Sechsganggetriebe, das sich trotz der offenen Schaltkulisse denkbar unkapriziös gibt. Ob sich die Ansage, dass hinter den hervorragend konturierten Sitzen gleich zwei Golfbags Platz haben, bewahrheitet, muss die Praxis zeigen. Lange Beine von Fahrer oder Beifahrer vorausgesetzt, sollten diese im Falle eines Falles aber zumindest nicht allzu üppig bestückt sein.