Audi RS4 Kombi, BMW M3 Coupé, Porsche 911 Carrera

Die sportlichsten deutschen Autos präsentieren nicht nur unterschiedliche Karosserieformen, sondern auch differente Technik. Der Power-Kombi Audi RS4 und das Coupé BMW M3 stellen sich dem Porsche Carrera.
Ein Sportwagen, so schrieb einst der Automobil-Literat Alexander Spoerl, „ist ein Auto, welches nur dazu dient, dem Autofahren zu frönen. Leistung ist wichtiger als Fahrkomfort. Sportwagen sind Zweisitzer, aus Gewichtsersparnis, aus aerodynamischen Gründen.“
Schnee von gestern? Das Spoerlsche Statement stammt aus den fünfziger Jahren, aber dennoch werden es Porsche.Fahrer noch heute gern unterstreichen. Ein BMW.Coupé, und sei es auch noch so stark, ist für den auf den Carrera eingeschworenen Liebhaber kein Sportwagen.
Und ein Audi.Kombi schon gar nicht. Denn beide wurden nicht als Sportwagen konstruiert, sie stellen lediglich muskelbepackte Topmodelle eigentlich biederer Baureihen dar.
Nicht von der Hand zu weisen ist aber auch ein anderes, scheinbar widersprechendes Argument: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Wenn ein BMW M3 und ein Audi RS4 beim Fahren ähnliches sportliches Talent zeigen wie ein Porsche, dann verdienen sie auch das Prädikat Sportwagen.
Den Streit um Kaisers Bart treten die drei Konkurrenten, die zusammengenommen 1023 PS auf die Räder bringen, zunächst auf abgesperrter Strecke an. Die große Kreisbahn des Versuchsgeländes im französischen Mireval dient als erster Prüfstein zur Ermittlung des Kurvenpotenzials.
Nummer eins ist hier der Porsche, der auf eine maximale Querbeschleunigung von 0,96 g kommt (ein g entspricht der Erdbeschleunigung von 9,81 m/s2). Der Audi und der BMW erzielen beide 0,91 g. Die Porsche.Fraktion, so scheint es, hat gute Karten.
Denn trotz seiner Hecklastigkeit fährt sich der Carrera mit leichter Untersteuer-Neigung an der Haftgrenze ähnlich problemlos wie der BMW mit seiner nahezu ausgeglichenen Gewichtsverteilung und der frontlastige, aber mit permanentem Allradantrieb versehene Audi.
Die Messlatte wird höher gelegt. Den nächsten Prüfpunkt bildet der bewässerte Handlingkurs, gespickt mit zahlreichen Kurven und versehen mit wechselnden Straßenbelägen unterschiedlicher Reibwerte.
Und da kehrt sich das Bild um. Der Audi, der sich mit seinen vier angetriebenen Rädern aus den Kurven katapultiert wie von einer Kanone abgeschossen, markiert mit einer Rundenzeit von 70,99 Sekunden souverän die Spitze. Auch mit abgeschaltetem ESP zeichnet er sich durch bemerkenswert gutmütiges Fahrverhalten aus. Bleibt die stabilisierende Elektronik aktiv, fällt sie durch weiche und wohl dosierte Eingriffe, welche die Fahrdynamik nur geringfügig beeinträchtigen, positiv auf.
Der Porsche hat da nicht die geringste Chance. Er ist auf dem 1690 Meter langen Kurs 1,27 Sekunden langsamer und erfordert dabei sehr viel mehr Fahrkönnen. Auf der rutschigen Fahrbahn kann er die prinzipbedingten Eigenheiten seines Heckmotor-Konzepts nicht mehr so perfekt kaschieren wie auf trockener Straße.
Der Porsche zeigt Lastwechselreaktionen und neigt zum Leistungsübersteuern. Das macht wohl dosierte Lenkkorrekturen nötig, die zur höheren Schule des Fahrens gehören und auch bei einem Meister des Volants Zeit kosten. Nur bei eingeschaltetem ESP, das sehr gut auf die Ansprüche eines sportlichen Fahrers abgestimmt erscheint, ist keine Akrobatik erforderlich.
Die eigentliche Überraschung aber ist der BMW. Er bringt mit seiner bis zu 100 Prozent wirksamen Differenzialsperre an der Hinterachse seine Kraft sehr gut auf den Boden und lässt sich an der Haftgrenze ähnlich problemlos und sicher bewegen wie der Audi.
Dessen Bestzeit erreicht er zwar nicht, aber er bleibt mit 71,58 Sekunden nur einen Wimpernschlag dahinter. Mit aktivem DSC allerdings wird er über Gebühr eingebremst. Der Bremseneingriff erfolgt früh und heftig.
Auf der Landstraße, wo die Grenzwert-Spitzen zwangsläufig gekappt sind, minimieren sich die Unterschiede. Was hier zählt, sind die subjektiv empfundenen Feinheiten des Handlings, die Leichtfüßigkeit, die Präzision der Reaktionen auf Lenkbewegungen. Dabei zeigt sich, dass der klassische Sportwagen Carrera. itemprop="name" />Porsche Carrera./span> um jene Winzigkeit besser ist, die das i-Tüpfelchen auf dem sportlichen Fahrvergnügen bedeutet.
Der Porsche wirkt am handlichsten, er folgt wie von selbst den kleinsten Lenkbefehlen. Der BMW benimmt sich eine Spur limousinenhafter, nicht ganz so exakt in seinen Reaktionen. Der Audi filtert mit seiner sehr leichtgängigen Lenkung noch mehr vom unmittelbaren Fahrbahnkontakt aus.
Ganz im positiven Sinne tut dies auch seine Federung. Sie ist zwar straff, aber sehr gekonnt abgestimmt. Auch wenn die Geschmeidigkeit des Ansprechens bei so sportlichen Autos keine Priorität genießt, empfindet es der Fahrer als angenehm, dass selbst auf sehr schlechten Straßen heftige Vertikalbewegungen des Aufbaus ausbleiben.
Der Porsche plagt seine Insassen nicht, aber er informiert in aller Deutlichkeit über den Straßenzustand. Harmonischer als der BMW wirkt er allemal, denn der macht die Härte zum sportlichen Prinzip. Während er mit kleinen Unebenheiten noch manierlich fertig wird, katapultieren lange Bodenwellen bei hoher Geschwindigkeit die Karosserie derart abrupt nach oben, dass der Spaß aufhört.
Für lange Etappen auf der Autobahn ergibt sich schon allein aus der Abstimmung der Federung eine klare Rangfolge. Der Audi ist der beste Reisewagen, der Porsche verliert auch wegen seiner im Rückenbereich zu eng geschnittenen Sitze an Boden. Der BMW verfügt über die besten Sitze, aber auch die machen das Manko einer zu unnachgiebig ausgelegten Federung nur teilweise wieder wett.
Wer viele Stunden unterwegs ist, wird auch den sonoren Sound des M3-Reihensechszylinders nicht mehr als ganz so positiv empfinden. Das heisere Röhren wird dann zum Ohrwurm, der umso mehr auf die Nerven geht, je gleichmäßiger das Reisetempo ist.
Vom Audi.Motor hört man fast gar nichts. Bei voller Beschleunigung wird in erster Linie das leise Fauchen der beiden Turbolader hörbar. Erst im obersten Drehzahlbereich zeigt sich, dass ein V6 mit 90 Grad Zylinderwinkel einem Reihensechszylinder prinzipiell unterlegen ist. Während die BMW.Maschine hoch dreht wie eine Turbine, entwickelt der Audi.Motor oberhalb von 6000/min ein spürbar raueres Laufgeräusch.
Das Beste beider Welten verbindet der Sechszylinder-Boxer des Porsche. Er erreicht hohe Drehzahlen noch seidiger, mit noch weniger Vibrationen als das BMW.Triebwerk. Solange er gleichmäßig unter geringer Last läuft, bleibt sein Arbeitsgeräusch sehr zurückhaltend. Der sportliche Ton aber steht auf Abruf zur Verfügung. Unter Volllast inszeniert der Boxer eine fabelhafte Sinfonie aus Ansaug- und Auspuffgeräusch.
Was den sportlichen Biss beim Gasgeben angeht, erreicht der Porsche fast das Niveau des in dieser Beziehung unschlagbaren BMW. Der reagiert mit einem aggressiven Nachdruck auf kleinste Bewegungen des Gaspedals und schiebt auch schon im unteren Drehzahlbereich machtvoll an. Der Porsche entwickelt weniger Durchzugskraft, er braucht Drehzahl, um sein Temperament zu entfalten.
Dass die gemessenen Elastizitätswerte nur teilweise das subjektive Empfinden von Durchzugskraft widerspiegeln, zeigt der Turbo-Sechszylinder des Audi. Er entwickelt dank dem Ladedruck von 1,2 bar, mit dem die beiden KKK-Lader die Verbrennungsluft in die Zylinder schaufeln, das höchste Drehmoment und erzielt beim Beschleunigen in den oberen Gängen die besten Zeiten.
Aber auch der beste Turbo braucht Zeit, um zur Sache zur kommen. Beim Audi.V6 ist diese gemeinhin als Turboloch bezeichnete Eigenart zwar auf ein Minimum reduziert, aber dennoch bleibt eine leichte Verzögerung beim Gasgeben, die im Anschluss durch gewaltigen Antritt wieder ausgeglichen wird. Die Verschnaufpause fällt umso geringer aus, je emsiger der Fahrer schaltet und den Motor auf Drehzahl hält.
Aber den spontanen Nachdruck, mit dem BMW und Porsche das Öffnen der Drosselklappen beantworten, den hat der Audi trotz der guten Laderabstimmung nicht zu bieten. Das erschwert das saubere Dosieren der Leistung auf kurvigen Strecken, die einen ständigen Wechsel des Lastzustandes bedingen.
Starke Sauger wie die der Konkurrenz sind in dieser Situation klar überlegen. Hier kommt der Schub unmittelbar und kraftvoll aus dem Motor. Beim Audi scheint der nur die Hintergrundmusik zu spielen. Den entscheidenden Part übernehmen die Turbolader, die ihn wie stürmischer Rückenwind davonpusten.
Damit beschleunigt der Audi noch eine Spur besser als der BMW und der Porsche, wenngleich die gemessenen Differenzen in der Praxis zur Bedeutungslosigkeit verblassen.
Das Gleiche könnte man auch von der Höchstgeschwindigkeit behaupten, die nur beim Porsche nicht elektronisch auf 250 km/h begrenzt ist. Aber 30 km/h mehr sind ein Wort, das bei der Bewertung von Sportwagen Gewicht hat.
Die sieht auch bei der Beurteilung der Bremsen einen besonders strengen Maßstab vor. Obwohl alle drei Konkurrenten hervorragende Verzögerungswerte und Standfestigkeit beweisen, kommt nur der Porsche auf die Maximalpunktzahl. Er bremst nicht nur sehr gut, sondern schlicht exzellent.
Die Endabrechnung dreier in vielen Messkriterien gleichwertiger, aber in ihrem Charakter völlig unterschiedlicher Autos bringt einen Gesamtsieg des BMW. Er holt ihn sich in erster Linie, weil er mit einem Preis von 100 000 Mark in dieser exklusiven Leistungsklasse ein Sonderangebot darstellt.
Die Eigenschaftswertung dagegen sieht den Audi in Front. Er mag am wenigsten Sportwagen sein, aber als ausgewogener Allrounder wird er der Vielfalt der Wertungskriterien, von denen zwangsläufig nicht alle sportwagenspezifisch sind, am besten gerecht.
Enttäuschung im Porsche.Lager? Wer die Punktwertung genau studiert, erkennt, dass es dafür keinen Grund gibt. Denn bei der Beurteilung von Antrieb und Fahreigenschaften heißt der Sieger Carrera.