Audi TT 2.0 TFSI im Supertest
Die zweite Generation des Erfolgstyps Audi TT polarisiert dank
einer eingängigeren Statur weit weniger als der Vorgänger. Doch bei
allen Zugeständnissen an die Mehrheit: Der genetische Code ist
unverändert.
Das physikalische unerschütterliche Grundgesetz, wonach die Aktion immer auch eine Reaktion zur Folge hat, lässt sich mit etwas Phantasie auch mit Automobilen in vielerlei Variationen in Verbindung bringen. Zum Beispiel mit der Betrachtung dessen, was passiert, wenn der Car-Konfigurator unter der Internetadresse www.audi.de eingeschaltet wird. Die Reaktionen auf das Angebot des elektronischen Werkzeugs zum Erfüllen von Sonderwünschen bis hin zum Traumauto sind allerdings – anders als in der klar strukturierten Physik – selten exakt definiert. Sie reichen vielmehr, ganz nach Standpunkt und Anspruch des Nutzers, von erstauntem Vor-den-Kopf-geschlagen-Sein bis hin zum begeisterten "Aber Hallo". Das Aktionsprogramm, das Audi um das neue Kult-Coupé TT herumgestrickt hat, lässt nämlich sowohl quantitativ als auch qualitativ kaum einen Wunsch mehr unbefriedigt. Die Konsequenz aus einer von großem Begehren geprägten Suche nach dem persönlichen Optimum dürfte allerdings zuweilen nur schwer zu schultern sein. Denn mit jedem zusätzlichen angeklickten Extraposten wird dem Kunden stärker bewusst, dass der Begriff Premium im Umfeld der Marke tatsächlich vollauf berechtigt ist. So tendierten die Reaktionen auf die Nennung des Preises des von Audi für den Supertest zur Verfügung gestellten Zweiliter-TT doch eher zu schroffen Äußerungen als zu schmeichelnden Worten der Anerkennung. 45.265 Euro – gut 12.000 Euro mehr als für die Basis-Version ausgewiesen (32.750 Euro) – stehen unterm Strich für ein zugegebenermaßen üppig und geschmackvoll konfiguriertes 200-PS-Coupé.
Der Audi TT 2.0 TFSI kostet 45.265 Euro
Dieses verkörpert mit Blick auf seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine ebenso reizvolle wie provokante Mischung aus Kultauto, Ikone und Sportwagen. Manch einer dürfte den originellen 2 + 2-Sitzer allerdings nur als extrem teuer bezeichnen, ungeachtet der Tatsache, dass es sich laut ADAC neuerdings um das beliebteste Auto der Deutschen handelt. Wie dem auch sei: Die aus nicht weniger als 20 Goodies bestehende Ausstattungsliste verfügt neben einigen nicht ganz so zwingenden Posten wie Einparkhilfe oder Ablagenpaket über ganz wesentliche Bauteile, denen nach den eingangs beschriebenen fundamentalen Erkenntnissen relevante Bedeutung zukommt: Die große, 245 Millimeter breite Bereifung in 18 Zoll beispielsweise. Gegenüber den originalen 16-Zöllern mit 225er- Pneus dürften sie sich in fahrdynamischer Hinsicht sicher vorteilhaft in Szene setzen. In puncto der Aerodynamik aber konterkarieren sie den jüngsten Entwicklungsfortschritt deutlich. Die signifikant verbesserte Windschlüpfigkeit (cW) beim Basismodell – 0,30 gegenüber 0,34 beim Vorgängermodell – ist bei Einsatz der breiteren Bereifung nämlich außer Kraft gesetzt. So attestiert der Daimler-Chrysler-Windkanal der aufgebrezelten Supertest-Version einen cW-Wert von 0,33 – allerdings mit ausgefahrenem Heckspoiler.
Auch wenn es mit Blick auf das Gewicht auf Grund eines ausgeklügelten Leichtbaukonzepts keinen wirklichen Grund zum Wehklagen gibt, so bleibt das Streben nach Luxus und Tand auch hier nicht gänzlich unbemerkt – wobei an dieser Stelle anzumerken ist, dass grundsätzlich nicht sport auto die Testwagen konfiguriert, sondern die jeweiligen Presseabteilungen. Gemessen an der Werksangabe (1.260 Kilogramm) weist die Waage nämlich ein Übergewicht von immerhin 62 Kilogramm aus. Ungeachtet seiner 1.322 Kilogramm Lebensgewicht tritt der TT 2.0 TFSI aber noch immer mit einer schlanken und formschönen Figur an, die, wie der Pressetext verlautbart, charakterlich einer nach vorn strebenden Skulptur ähnelt – was sicher nicht ganz falsch ist. Der dynamische Eindruck, den der neue TT schon optisch vermittelt, beruht im Wesentlichen auf seinen gegenüber dem Ur-TT stark veränderten Proportionen: Im Vergleich zu dem seit 1998 immerhin 270.000 Mal verkauften Vorgänger (Coupé und Roadster) ist der neue TT um 137 Millimeter länger und um 78 Millimeter breiter geworden. In der Höhe wuchs er aber nur geringfügig um sechs Millimeter. Auch der Radstand hat zugelegt – und zwar um 45 Millimeter auf nunmehr 2.468 Millimeter. Der Zuwachs kommt dem Innenraum sowohl subjektiv als auch messbar zugute, wenngleich er unter seinem schrägen Coupé-Dach nach wie vor nicht über die räumlichen Qualitäten verfügt, um Personen von mehr als 1,50 Meter Länge zu transportieren. Davon rät das Fahrerhandbuch explizit ab.
Der TT ist 137 Millimeter länger und 78 Millimeter breiter geworden
Auch konstruktiv hat sich im Karosseriebereich einiges getan: Das von Audi seit Anfang der 90er Jahre gepflegte, aus Aluminium-Strangpressprofilen und Alu-Gussteilen bestehende Spaceframe-Konzept, wurde beim neuen TT in gewisser Weise neu interpretiert. Die 206 Kilogramm schwere, in einem neuen Hybridverfahren in Ingolstadt hergestellte Rohkarosse besteht nun nicht mehr allein aus Aluminium, sondern zu einem großen Teil auch aus Stahl. 140 Kilogramm Leichtmetall stehen 66 Kilogramm des hochfesten, aber schwereren Werkstoffes gegenüber. Das Thema Leichtbau wurde damit aber keineswegs ad acta gelegt: Laut Audi wäre eine komplette Stahlkonstruktion noch immer um 48 Prozent schwerer ausgefallen. Dass sich bis auf die Heckklappe und die beiden Türen ein Großteil des schwereren Materials im Heckbereich der Bodengruppe befindet, ist nicht zufällig: Was beim Vorgänger zu Beginn dessen Ära wegen des kritischen Fahrverhaltens noch künstlich draufgepackt wurde – nämlich Zusatzgewichte unter der Heckschürze, um eine bessere Gewichtsbalance herzustellen –, ist beim neuen TT nunmehr einer eleganten konstruktiven Lösung gewichen. Die angesichts des Layouts zwangsläufig unausgewogene Gewichtsverteilung zwischen den Achsen ist damit aber keineswegs aus der Welt geschafft. 60 Prozent des Gesamtgewichts, mithin knapp 800 Kilogramm, lasten noch immer auf der vorderen Antriebsachse.
Dabei bringt sich der vorn quer installierte, sowohl kompakte als auch hochmoderne Zweiliter-Vierzylinder-Turbo im Vergleich zum parallel angebotenen, 250 PS starken 3,2-Liter-V6 in dieses Umfeld mit geradezu federnder Leichtigkeit ein – ohne sein Licht dabei leistungsmäßig unter den Scheffel zu stellen. Seine nominell 200 PS und das schon ab 1.800/min höchst wirkungsvolle Drehmoment von immerhin 280 Newtonmeter fühlen sich, hinsichtlich ihrer Wirkungsweise, äußerst gesund und munter an. Das langhubig ausgelegte Turbo-Aggregat arbeitet selbstverständlich mit neuester FSI-Technik. Demnach wird der Kraftstoff unter extrem hohem Druck nicht in die Saugrohre, sondern direkt in die Brennräume gespritzt. Die Direkteinspritzung entzieht den Brennräumen Wärme – womit das Grundproblem aller Turbomotoren, nämlich die hohe Hitzeentwicklung und die aus ihr resultierende Klopfneigung, der Vergangenheit angehört. Folglich konnte die Verdichtung auf ein für einen aufgeladenen Motor extrem hohen Wert von 10,3 zu 1 angehoben werden. Den Massenkräften zweiter Ordnung rückten die Konstrukteure mit gleich zwei, mit doppelter Kurbelwellendrehzahl rotierenden Ausgleichswellen zu Leibe. Unter den Stichworten Leistungsentfaltung und Laufkultur verdient sich der TT somit ausschließlich lobende Kommentare. Das früher als Turboloch bekannte Phänomen, das Gas erst verzögert anzunehmen, um danach wie wild geworden die Antriebswellen zu malträtieren, wurde diesem Motor gekonnt abtrainiert. Selbst das Turbolader-Pfeifen ist verschwunden. Er hängt am Gas wie ein gut situierter Sauger und zeigt damit praktisch auch dessen ausgeglichene Leistungsentfaltung.
Kein Turboloch und Turbopfeifen mehr beim Audi TT 2.0 TFSI
Der Turbo-Fan mag sich angesichts dieser Geschmeidigkeit und der gewiss nicht gerade aufregenden Akustik grämen, aber an den sachlichen Vorteilen kommt auch er nicht vorbei. Mit der sanften Darbietung der 200 Turbo-PS ist es schließlich auch den Fahrwerksexperten leichter gemacht worden, dem Vorderradantrieb die professionelle Note mitzugeben, die er in diesem anspruchsvollen Umfeld verdient. Antriebseinflüsse werden vom Fahrer so gekonnt ferngehalten, dass man dahinter auch einen Hecktriebler – oder ein Quattro-Modell – vermuten könnte. So lange der Straßenverlauf keine so extremen Be- und Entlastungen wie die Nordschleife kennt oder die Reibwerte durch Nässe stark minimiert sind, ist auch die Traktion überhaupt kein Thema. In Hockenheim ließ sich der Zweiliter-TT schließlich derart zielsicher und ohne spürbare Traktionsverluste um den Kurs zirkeln, dass er es mit seiner Michelin Pilot Sport 2-Bereifung fast geschafft hätte, den bis dato uneingeschränkt Führenden unter den sportlichen Fronttrieblern, den nominell stärkeren und sportlich deutlich zugespitzteren Renault Mégane Trophy, in die Schranken zu weisen. Die Konzernbrüder Golf GTI und Golf R 32 hat er mit der erreichten Rundenzeit von 1.18.9 Minuten jedenfalls locker im Griff.
Die elektromechanische Zahnstangenlenkung, deren Servounterstützung abhängig vom Tempo geregelt wird, verbindet dabei ein sehr präzises und straffes Lenkgefühl mit weit gehender Unempfindlichkeit gegen Fahrbahn- und Antriebsimpulse. Die neu konstruierte Vierlenker-Hinterachse mit ihrer um 45 Millimeter breiteren Spur folgt der agilen Vorderachse dabei mit ebensolcher Präzision. Selbst starke, provozierte Lastwechsel verarbeitet sie in einer Art und Weise, die für einen Fronttriebler keineswegs alltäglich ist. Sollte es, wie auf der Nordschleife, doch dazu kommen, dass das entlastete, kurveninnere Rad bei deaktivierter Fahrdynamikregelung den Grip verliert, passiert zumindest nicht das, was üblicherweise zu beobachten ist: Dass die Vorderachse durch den einseitigen Haftungsverlust spontan die Spur verlässt. Der TT bleibt fast ungerührt auf der Linie und tut damit fast so, als könne ihn nichts und niemand aus der Bahn werfen. Die bewiesenermaßen hohe Fahrdynamik ist also – das sei an dieser Stelle noch einmal explizit festgehalten – keineswegs mit Einbußen in der Fahrsicherheit erkauft worden. Und mit Komforteinbußen ebenso wenig. Der Zweiliter-TT läuft auch auf seinen breiten 18-Zöllern betont geschmeidig ab und legt dabei dennoch eine Straffheit an den Tag, die grundsätzlich so gar nicht zum gezeigten Komfortverhalten passen will. Denn auch die Wank- und Nickneigungen der Karosserie sind deutlich minimiert. Hinter diesen löblichen Eigenschaften steht jedoch wieder ein technischer Kunstgriff, der sich nur in der Aufpreisliste findet: Hinter Magnetic ride verbirgt sich ein adaptives System auf elektromagnetischer Basis, das die Dämpfercharakteristik im Millisekundenbereich dem Profil der Straße und der Gangart des Fahrers anpassen kann. Kein herkömmliches Öl, sondern ein Fluid mit kleinen magnetischen Partikeln wird durch das Anlegen einer Spannung elektrisch manipuliert. Durch das entstehende Magnetfeld legen sich die Partikel quer zu Strömungsrichtung des Öls und hemmen so dessen Durchfluss durch die Kolbenkanäle. Ein im Prinzip einfaches, aber durchaus wirkungsvolles System. Es muss in diesem Fall jedoch mit 1.230 Euro extra honoriert werden.
Magnetic Ride schlägt mit 1.230 Euro zu Buche
Naheliegenderweise lässt sich nur ein triftiger Grund dafür anführen, dass die Fahrleistungen, speziell die Beschleunigungswerte, etwas unterhalb der Werksangaben geblieben sind: Die zusätzlichen Pfunde, die sich mit den üppigen Extras anhäuften, haben zwangsläufig ihre Bewandtnis – auch wenn sie im Großen und Ganzen betrachtet sicher gut angelegt sind. Die edlen Sportsitze mit feinstem Nappa-Bezug etwa wird die Besatzung, sind sie mit elektrischer Hilfe erst auf die individuellen Körpermaße perfekt eingestellt, wohl kaum mehr missen mögen. Der Sitzkomfort ist begeisternd. Gleichfalls die Ergonomie. Das Lederlenkrad liegt super in der Hand, wenngleich die Abflachung im unteren Bereich das Umgreifen beim Rangieren etwas erschwert. Der Einstieg in den TT gelänge auch ohne diesen aus dem Rennsport adaptierten Trick gänzlich ohne Verrenkungen. Die viel gerühmte Wertigkeit, die die Marke mit den vier Ringen mittlerweile verkörpert, macht sich auch im "kleinen" TT sowohl haptisch als auch optisch an jeder Stelle bemerkbar. Kritiker, die vor allem die Preisgestaltung im Auge haben, könnten dem Audi angesichts dieser handwerklichen und maschinellen Perfektion aber fast schon antiseptische Züge andichten. Die gewissermaßen kühle Eleganz und die technische Geschliffenheit entwickeln tatsächlich eine gewisse Arroganz, die zumindest in dieser Klasse nicht alltäglich ist. Indes: Angesichts der bewiesenen Funktionalität kann man sich einen arroganten Auftritt dieser Art wohl erlauben.