BMW 528i, Mercedes E 280, Alfa Romeo 166 3.0, Chrysler 300M 2.7, Volvo S80 2.9

Im Fünfkampf gegen BMW 528i und Mercedes E 280 treten Alfa Romeo 166 3.0, Chrysler 300M 2.7 und Volvo S80 2.9 nicht nur mit frischeren Gesichtern an. Welche der Automatik-Limousinen hat am Ende die Nase vorn?
Obwohl es sich in der oberen Mittelklasse durchweg um stattliche Limousinen mit respektablem Innen- und Kofferraum handelt, kann man in der Regel nicht von Volumenmodellen reden. Nur die Mercedes E-Klasse und der BMW Fünfer, mit zahlreichen Motor- und Ausstattungsvarianten wirklich eine Klasse für sich, schaffen regelmäßig den Sprung unter die ersten Zwanzig der deutschen Zulassungsstatistik. Sie werden häufig als Geschäftswagen eingesetzt und erreichen weit überdurchschnittliche Kilometerleistungen pro Jahr, sind aber nach dreijähriger Bauzeit alltägliche Erscheinungen auf unseren Straßen und reichlich teuer.
Dabei halten zahlreiche ausländische Hersteller in dieser erlauchten, rund 200 PS starken 4,80 Meter- Klasse interessante Alternativen bereit, die eine willkommene Möglichkeit zur Differenzierung bieten. Das gilt vor allem für die jüngsten Neuzugänge aus Italien, Schweden und den USA, die sich mit Frontantrieb und eigenständigem Design deutlich von den deutschen Rivalen abheben. Der stattliche Chrysler 300M (fünf Meter) und der kräftige Alfa 166 (226 PS) haben sogar besonders reichlich eingeschenkt, sind aber wie der Volvo S80 in der Anschaffung billiger als die vergleichbaren BMW 528i und Mercedes E 280. Mit Automatikgetriebe und Avantgarde-Paket (Mercedes) bilden die beiden Deutschen die unrühmliche Preisspitze in diesem Vergleich. Dafür entschädigen sie mit der besten Funktionalität und dem höchsten Qualitätsniveau. Ihre Steifigkeit und Detailverarbeitung ist noch immer unübertroffen, während der Alfa aufgrund seiner weicheren Karosserie und bei Dämmerung kaum ablesbaren Instrumenten, der Chrysler wegen seiner Unübersichtlichkeit und billigen Materialanmutung Punkte verliert. Im Gegenzug zählt bei ihnen manches zur Grundausstattung, was bei den anderen noch teuer bezahlt werden muß. So bringt der 166 über den üblichen Standard dieser Klasse hinaus Extras wie Alufelgen, Klimaautomatik, Audioanlage und ein Navigationssystem mit, die den S80 beispielsweise um gut 9000 Mark verteuern.
Der glänzt nur mit serienmäßigen Kopfairbags und der Variabilität vorklappbarer Beifahrerund Rücksitzlehnen. Letztere hat auch der 300M, bei dem es aber so sinnvolle Dinge wie Sidebags, Einparkhilfe und Satellitennavigation weder für Geld noch gute Worte gibt. Sehr grosszügig zeigen sich Chrysler und Volvo hingegen im Innenraum, der bei Alfa und BMW besonders hinten spürbar enger geschnitten ist. Vier Personen leiden jedoch nirgendwo unter Platzmangel, für fünf wird es in jedem Fall eng – wegen des starken Dacheinzugs selbst im ausladenden 300M. Gegen dessen riesiges Kofferraumvolumen (530 Liter) und hohe Zuladung (492 Kilogramm) fällt vor allem der S80 mit seinen geringen Ladereserven (440 Liter, 401 kg) ab. Größere Bedeutung im Alltag kommt freilich den Sitzen zu. Bei allen individuell unterschiedlichen Ansprüchen gibt es objektiv wenig auszusetzen, wenn man von der kurzen Auflagefläche im Volvo absieht. Störender wirkt aber auf Dauer die etwas unglückliche Sitzposition hinter dem zu flachen Alfa-Lenkrad sowie die umständliche Sitzverstellung in BMW und Volvo.
Nach wie vor setzt Mercedes auf eine straffe Polsterung, die man spätestens auf langen Strecken zu schätzen lernt. Die geräuschsenkende Wirkung des langen fünften Gangs unterstreicht seinen guten Gesamtkomfort, obwohl selbst die sportliche Avantgarde-Version bei voller Beladung und forcierter Fahrweise zu kräftigen Aufbaubewegungen neigt. Souveräner, leiser und weniger nachfedernd absorbiert hingegen das Aluminium-Fahrwerk des BMW Unebenheiten. Gerade damit tun sich die anderen Konkurrenten schwer, weil sie auch kleine Erschütterungen durch Kanaldeckel und Querfugen zu den Insassen durchlassen und unruhiger wirken. Zudem ist der weich abgestimmte Chrysler mit viel Ballast unterdämpft, während der Volvo zum Stuckern neigt, wenn beide Vorderräder gleichzeitig einfedern.
Im Vergleich zum ungebührlich harten Topmodell T6 ist der Komfort des 2.9 jedoch viel harmonischer und insgesamt gut. Das kann man dem Alfa wohl kaum attestieren, denn zum Fahrwerkspoltern kommt eine stößige Federung, die auf rauhen Straßen bis zu den Blöcken durchschlägt. Auch die gemessenen Schalldruckwerte enthüllen nicht die ganze Wahrheit, weil der Motor beim Ausdrehen laut tönt. Der kernige Klang des Dreiliter-Vierventilers hat zwar durchaus seine Reize, wird aber auf Langstrecken lästig. Komfort bedeutet nicht zuletzt ein gutes Innenraumklima, was in Zeiten riesiger Glasflächen besonders im Sommer die Unterstützung einer Klimaanlage erfordert. Mit manueller Einstellung gehört sie inzwischen zum Standard dieser Klasse, eine automatische Regulierung bringen von Haus aus nur der Alfa und Chrysler mit. An ihrer Wirkung gibt es ebenso wenig auszusetzen wie an den Heizungen. Vor allem die des Volvo liefert schnell eine wohlige Wärme. Von angenehmem Charakter zeigt sich auch sein Sechszylinder in Reihenbauweise, die bekanntlich eine Gewähr für schwingungsarmen Lauf bietet. Er läuft noch geschmeidiger und kultivierter als das nach dem gleichen Prinzip arbeitende BMW-Aggregat, das unter Last akustisch stets präsent bleibt. Die V6-Motoren der Konkurrenten bringen hier schlechtere Voraussetzungen mit, obwohl sich eine Ausgleichswelle beim Mercedes erfolgreich bemüht, störende Schwingungen zu unterdrücken. Weniger gut ist es um Laufruhe und Vibrationsarmut bei Alfa und Chrysler bestellt.
Um im Vergleich.feld mithalten zu können, muß der drehmomentschwache 2,7-Liter des 300M (255 Nm bei 4900/min) die Kurbelwelle schneller als die anderen rotieren lassen, was er mit kerniger Untermalung und stark ansteigendem Benzinverbrauch quittiert. Seine Domäne – das zeigt auch die weich schaltende, der des S80 ähnliche Automatik mit dem lang übersetzten Vierten – ist das sanft gleitende Cruisen. Ein völlig anderes Naturell offenbart die Antriebseinheit des 166. Mehr noch als sein drehfreudiger, leistungsmäßig überlegener Leichtmetallmotor (226 PS) prägt die Viergangautomatik mit separater Gasse für manuelle Gangwahl (wie bei BMW und Chrysler) den Charakter des Fahrens. Schon der Name (Sportronic) verrät ihre dynamischen Ambitionen, die man wohl auch vielen Alfa- Piloten unterstellen darf. Solchen Naturen kommt sie mit einer Schaltfreude entgegen, die den Motor stets im günstigsten Drehzahlbereich zu halten versucht. Auf der anderen Seite weigert sie sich trotz adaptiver Auslegung hartnäkkig, eine ruhigere Arbeitsweise anzunehmen. Selbst ein verhaltener Fahrstil kann sie nicht dazu bewegen, im Automatikmodus drehzahlsenkend bei 50 km/h in den vierten Gang hochzuschalten. Anders verhält es sich mit der Fünfgang- Box im 528i. Sie wirkt etwas träge und verhindert zusammen mit der langen Übersetzung, daß der durch doppelte Nockenwellenverstellung gestärkte 2,8-Liter seine Kräfte situativ angemessen entfalten kann. Dagegen funktioniert das Zusammenspiel zwischen Motor und Automatik im E 280 schlicht perfekt, was ihn – anders als bei den Schaltversionen – in der Antriebswertung an die Spitze bringt. Zudem verzeichnet er den geringsten Treibstoffkonsum in dieser Runde (12,2 Liter pro 100 Kilometer).
Das stellt besonders im Vergleich zum schluckfreudigen 166 (14,0 Liter) einen achtbaren Wert für eine beladen zwei Tonnen schwere Limousine dar, der in Verbindung mit dem großen 80 Liter- Tank eine Reichweite von rund 650 Kilometern sichert. Seine etwas schlechteren Fahrleistungen im Vergleich zu Alfa und BMW sind dagegen in der Praxis kaum von Bedeutung. Mit seiner Windempfindlichkeit und zarten Lastwechselreaktionen muß der E 280 sich allerdings knapp dem Fünfer geschlagen geben, dessen Fahrwerk auch beim Fahrverhalten den besten Eindruck macht. Er läuft am saubersten geradeaus, bietet das sicherste Kurvenverhalten und eine präzise Lenkung mit guter Rückmeldung, aber relativ hohem Kraftaufwand. Wenig Gefühl vermitteln hingegen die sehr leichtgängigen Lenkungen von Chrysler und Volvo, was einmal mehr ihre verhaltenen Ambitionen unterstreicht.
Das mindert weniger ihre Beherrschbarkeit in Grenzsituationen als die Gelassenheit, mit der man sie bewältigt. In schnell gefahrenen welligen Autobahnkurven muß sich der Fahrer genau auf den Lenkeinschlag konzentrieren. Der agile, kürzere Alfa, dritter Fronttriebler und Fahrerauto in diesem Vergleich, wirkt trotz seiner direkten, sehr präzisen Lenkung viel weniger nervös und deutlich handlicher. Punktabzug gibt es aber für die speziell bei Nässe und voller Beladung auftretenden Lastwechselreaktionen und die bei Automatik entfallende Traktionskontrolle. Auch bei der Sicherheit leistet sich der 166 Schwächen. Er hat mit Abstand das schlechteste Licht, seine Bremsen lassen sich nicht so gut dosieren wie die anderen und verzögern mäßig. Denn während der Volvo nach der zehnten Vollbremsung aus 100 km/h (beladen) schon nach 39,4 Meter zum Stehen kommt, verlängert sich der Alfa-Bremsweg auf 43,3 Meter. Zudem fehlen wie beim 300M der dritte Automatikgurt hinten sowie Kopfairbags, die es in 528i und S80 serienmäßig, im E 280 gegen Aufpreis gibt. Beim Thema Umwelt und Wirtschaftlichkeit fällt der Alfa weiter zurück.
Analog zum höchsten Test- hat er auch den höchsten Normverbrauch und produziert damit am meisten Kohlendioxid. Während der Chrysler Punkte verliert, weil er nur die Euro 2-Norm erfüllt, schlagen bei BMW und Mercedes der hohe Kaufpreis und die teilweise unverfrorene Aufpreispolitik auf die Kosten durch. Das macht auch ihr leichterer Wiederverkauf nicht wett, doch bei den Fixkosten schneiden sie wie der Volvo erstaunlich günstig ab. Vor allem Haftpflicht und Teilkaskoversicherung gehen bei Alfa und Chrysler ins Geld. Die Dreijahresgarantie senkt auf der anderen Seite die Wartungskosten des 300M. Er beweist zudem, daß es nicht immer teurer ist, einen besonderen Geschmack zu haben. Nirgendwo sonst bekommt man in dieser Klasse soviel Auto fürs Geld, und abgesehen von seinen Schwächen bei Handlichkeit, Sicherheitsausstattung und Materialqualität kann man ihm wenig vorwerfen. Wer einen amerikanischen Sedan als Sedativ gegen Streß sucht, wird hier bestens bedient. Trotz ähnlicher Talente verleugnet der Volvo seine europäische, spezifisch schwedische Herkunft nicht. Seine hohe Crashvorsorge verdient hier ebenso Erwähnung wie die praxisgerechte Ausstattung. Er ist der schwere Familienwagen für Individualisten, während der Alfa zumindest optisch leichter und mit seiner dynamischen Auslegung ganz auf den Fahrer zugeschnitten wirkt. An Liebhabern wird es beiden nicht mangeln, denn für die Perfektion eines BMW oder Mercedes muß man nicht nur viel Geld, sondern auch den Preis einer gewissen Uniformität bezahlen. Schon aus diesem Grund stellen die drei Neuzugänge eine willkommene Bereicherung des Angebots dar, zumal sie auch vor der Vernunft bestehen können. Aber der Charakter – so der Philosoph Jacobi – sitzt nicht im Verstand, sondern im Herzen.