BMW M2 Coupé Supertest
Kompaktes Format, Reihensechszylinder, Hinterradantrieb und ein agiles Handling – einen waschechten Charakterkopf wie den M2 haben wir bei BMW lange Zeit vermisst.
In den Erzählungen von echten BMW-Fans scheint die Zeit oft stehen geblieben zu sein – genauer, im Jahr 2003. Bis heute genießt der damals präsentierte BMW M3 CSL der Baureihe E46 Kultstatus. Von 2003 bis heute passierte bei BMW zwar viel – doch zwischen der Elektro- Philosophie von BMW i, dem BMW-Kompakt-Van 2er Active Tourer mit Vorderradantrieb oder der Wachablösung von so manchem Reihensechser durch Vierzylinder fanden sich die echten BMW-Fans nur noch bedingt wieder. Gleichzeitig suchten die Anhänger auch im M-Portfolio den großen Wurf vergebens und schielten neidisch auf den GT aus Affalterbach. Doch jetzt kommt da einer, der die M-Anhänger aus dem Früher-war-alles-besser-Modus wachrütteln will. Gelingt dem M2 aus sportlicher Sicht die für BMW so dringend nötige Kehrtwende?
BMW M2: Die richtige Größe
Hockenheimring, Boxengasse: Länge (4.468 mm) mal Breite (1.854 mm) mal Höhe (1.410 mm) – während man zum Justieren des Luftdrucks von Rad zu Rad turnt, erinnert das Format des M2 fast an die M3-Baureihe E46 (4.492 mm, 1.780 mm, 1.372 mm). Zu E46-Zeiten klagte man noch nicht, dass ein "M3 oder M4 ja heute mittlerweile gefühlt so groß ist wie früher ein 5er". Kurzum: Der M2 hat genau die richtige Größe – nicht zu klein, aber auch nicht zu groß. Von den Abmessungen her gesehen ist der M2 eigentlich der wahre M3/ M4.
Und genauso kompakt, wie er aussieht, fühlt sich der M2 auch an. Präzise einlenken und dann im Kurvenverlauf mit dem Gaspedal den Driftwinkel des M2- Hintern millimetergenau austarieren – die ersten Meter auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim sind fast eine Erlösung. Dieses jederzeit leicht drückende Heck ruft wieder den Früher-war-alles-besser-Modus auf den Plan. Der BMW M2 kommt aus der Moderne, fährt sich aber mit tendenziell übersteuernder Fahrwerksabstimmung ein bisschen so, als ob er aus der M-Historie käme – und das ist aus Fahrspaßsicht absolut positiv gemeint.
Vorbei mit dem schwammigen Gesamteindruck des M235i./strong>
Für die "Fahrspaß-pur-Abstimmung" adaptierten die M-Entwickler unter anderem die Vorder- und Hinterachse aus den M3/M4-Modellen. Für eine präzise Radführung wird die Kraft in Querrichtung über spielfreie Kugelgelenke übertragen. Um die Steifigkeit weiter zu erhöhen, ist der Achsträger an der Vorderachse mit dem Schweller und der Achsträger an der Hinterachse starr mit der Karosserie verschraubt. Schon auf der Autobahn nach Hockenheim fühlt sich die M2-Konstruktion deutlich steifer, präziser und gradliniger an als beim auf Bodenwellen torkeligen und wippenden M235i. Ach was, im Vergleich zum leichtfüßigen M2 wirkt das bisherige Topmodell der 2er-Baureihe wie ein tapsiger Kirmesboxer. Dafür gibt der M2 im Alltag Bodenwellen etwas ungefilterter weiter und zieht Spurrillen mehr an als der M235i.
Nicht nur das Fahrwerk des M2 liefert eine klare Rückmeldung, auch in puncto Lenkung fühlen sich M-Fans jetzt wieder wie "zu Hause". Den schwammigen Gesamteindruck des M235i rundete neben der bereits beschriebenen Fahrwerksabstimmung noch eine um die Mittellage gefühllos wirkende Lenkung ab.
Nicht so im M2. Neben großen Teilen der Fahrwerkskonstruktion übernimmt das neue M-Modell auch die Lenkung aus den M3/ M4-Versionen. Die elektromechanische Servolenkung bietet zwar zwei Kennlinien an, doch M-Fans müssen sich keine Sorgen machen, dass sie hier auf eine kompromissbehaftete Lenkung treffen. Schon im normalen "Comfort"-Modus wirkt die M2-Lenkung mit straffen Haltekräften kerniger und ehrlicher als so manch anderes Pendant in seiner jeweiligen Sporteinstellung. In den Modi "Sport" und "Sport+" gesellt sich zu der direkten Rückmeldung um die Mittellage eine richtig knackige Lenkunterstützung – genauso, wie man es von einem waschechten M-Modell erwartet.
BMW M2 mit Motor-Innereien aus dem M3
Und wie sieht es mit dem Antrieb aus? Eins vorweg: Auch im M2 müssen wir uns leider damit abfinden, dass er keinen spezifischen und nur eigens für ihn konstruierten M-Motor mehr trägt. Der Baukastengedanke ist heutzutage wohl nicht mehr vermeidbar. Im Vergleich zu seinen M3- und M4-Verwandten trägt der M2 nicht den Dreiliter-Biturbo (intern S55B30 genannt), sondern den Reihensechszylinder namens N55B30, dessen Basis quasi in unterschiedlichen Leistungsstufen beispielsweise auch im M235i oder anderen Derivaten arbeitet.
Während Bohrung und Hub der Motoren in M3/M4 und im M2 identisch sind, verfügt der N55-Dreiliter des neuen 2er-Topmodells nicht über zwei Turbolader, sondern trägt einen Twin-Scroll-Turbolader. Anders als das ähnliche N55- Triebwerk des BMW X4 M40i mit 360 PS nutzt das M2-Aggregat jedoch verschiedene Komponenten aus dem Dreiliter-Biturbo der M3/M4-Baureihe, um eine standfeste Leistungssteigerung zu erreichen. Dazu zählen unter anderem die geschmiedete Kurbelwelle, die Kurbelwellen-Hauptlagerschalen sowie spezielle Kolben und Zündkerzen. Neben Modifikationen für eine gesicherte Ölversorgung bei hohen Querbeschleunigungen trägt der N55 im M2 einen zusätzlichen Ölkühler für das Getriebeöl (nur mit DKG) sowie einen weiteren Wasserkühler.
Statt der aus M3 und M4 bekannten 431 PS liegt die Nennleistung im M2 bei "nur" 370 PS. Während das M3/M4-Triebwerk seine Maximalleistung schon ab 5.500 Touren bereitstellt, erreicht der M2-Motor seine Maximalleistung bei 6.500/min und damit etwas später. Mit einer Maximaldrehzahl von 7.000/min dreht der N55B30 nicht ganz so hoch wie der S55B30 (maximal 7.600/min).
Drehfreudig und spritzig
Doch das M2-Aggregat präsentiert sich subjektiv fast ähnlich drehfreudig und spritzig wie die Reihensechser in M3 und M4. Das spontane Ansprechverhalten und die lineare Leistungsentfaltung haben fast Saugmotor-Charakter. Schon im Drehzahlkeller, ab 1.400/min, liegt das maximale Drehmoment von 465 Nm an. Mit Overboost erreicht das M2-Triebwerk sogar 500 Nm zwischen 1.450 und 4.750 Umdrehungen. Oder anders: Der BMW M2 marschiert in allen Lebenslagen herzerfrischend. Dabei klingt der Power-2er mit seiner optimierten Klappenabgasanlage auch noch etwas sechszylindriger und weit weniger künstlich aufgesetzt als die größeren M3/M4-Brüder.
Zum rustikalen M2-Charakter würde das serienmäßige Handschaltgetriebe so gut passen wie die Extraportion Sahne auf das Schwarzwälder-Kirsch-Stück, doch der Supertestwagen rückt "natürlich" mit optionalem Siebengang-DKG an. Zwei Zehntelsekunden Beschleunigungsvorteil zugunsten des Doppelkupplungsgetriebes stechen auch die rund 35 Kilo Gewichtsvorteil des Sechsgang-Handschalters aus.
Doch das DKG hat mit prägnanter Momentenüberhöhung sowie schnellen Schaltzeiten in den Stellungen "Sport" und "Sport+" auch auf der Rennstrecke seinen Reiz. Die am Lenkrad mitdrehenden Schaltwippen reagieren dabei auch beim Anbremsen und Runterschalten im Grenzbereich gewohnt spontan auf Schaltbefehle. Dank DKG mit Launch Control beschleunigt der BMW M2 in 16,4 Sekunden auf 200 km/h. M4-Eigner müssen sich in dieser Disziplin also keine Sorgen vor dem Neuling machen. Der Supertest-M4 mit DKG sprintete in 13,7 Sekunden auf Tempo 200.
BMW M2 - der schnellste Serien-BMW in Hockenheim
Ameisenkurve, Querspange, Motodrom – das Herrliche an der Ideallinienjagd im M2 auf dem Kleinen Kurs ist, dass jede Runde eine neue Herausforderung ist. Ein aktueller Porsche 911 beispielsweise reproduziert hier schnelle Runden mit seiner perfektionistischen Fahrbarkeit nahezu identisch und kaum unterscheidbar hintereinander. Ultraschnell, aber vermeintlich auch ein wenig langweilig im Grenzbereich.
Wer im BMW M2, nach dem präzisen Einlenken, etwas zu stark ans Gas geht, der verleitet die mit elektronisch geregelter Lamellensperre (Aktives M-Differenzial) ausgestattete Hinterachse schnell zu einem Seitwärtsschritt. Nach einfach beherrschbarem Gegenlenken münden solche Sidesteps zwar in ausgelassenen Powerslides, doch das ist bekanntlich nicht die schnellste Gangart im Grenzbereich. Digital veranlagte Piloten werden sich am Anfang mit deaktivierter DSC daher zunächst etwas schwertun, die weichen Übergänge von der Haft- zur Gleitreibung bauen dann jedoch schnell Vertrauen auf. Der M2 ist kein Fiesling, aber für eine saubere und schnelle Runde verlangt er seinem Fahrer eine gewisse Disziplin und Konzentration ab. Und gelingt dann eine Sahnerunde, freut man sich irgendwie noch mehr.
1.12,2 Minuten – das GPS-Messgerät vermeldet heute für den M2 nicht nur eine nochmals um drei Zehntelsekunden schnellere Rundenzeit als beim Vergleichstest, sondern auch die schnellste jemals in der sport auto-Testhistorie auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim mit einem Serien-BMW gefahrene Rundenzeit. Dabei macht der M2 nicht nur den großen Bruder M4 nass (1.12,8 min), sondern auch Legenden wie den M3 CSL (1.13,5 min) und solche, die es gerne werden würden, wie den M3 E92 GTS (1.12,5 min). Und das übrigens ganz ohne Semi-Slicks. Applaus bitte: Der kleinste M ist nun auch gleichzeitig der schnellste – zumindest so lange, bis das Hardcore-Modell namens M4 GTS im Supertest von der Leine gelassen wird.
Jämmerliche Öltemperaturanzeige
Genug der Freudengesänge: Auf dem Weg von Hockenheim zur Nordschleife bleibt Zeit, darüber nachzudenken, was nicht ganz so gut am "Einstiegs-M" gefällt. Da ist auf jeden Fall das Gewicht. Dass der BMW M2 mit 1.570 Kilo nur 45 Kilo weniger als der M4 aus dem Supertest wiegt, mündet automatisch in der Frage, warum er kein Carbondach wie seine größeren M3/M4-Brüder tragen darf. Nicht nur hier regierte offensichtlich der Rotstift der Controller.
So hätten sich M-Fans beim neuen Über-2er sicherlich nicht nur ein M2-spezifischeres Cockpit, sondern auch M-spezifische Außenspiegel, Schaltanzeigen wie in M3/M4 und speziellere Sportsitze gewünscht. Analog zu anderen M-Modellen hätte der Fahrerlebnisschalter durch Tasten zur individuellen Konfiguration von Antrieb, Fahrwerk und Lenkung ersetzt werden können.
Und dann ist da ja noch die neue Öltemperaturanzeige, die sich beim Durchstöbern des Bordcomputers findet. Ganz ehrlich: Mit einer echten Öltemperaturanzeige hat dieses jämmerliche Diagramm ohne irgendwelche Zahlenwerte mal gar nichts zu tun. Kurze Info: Sogar unser preiswerter Nissan-370Z-Dauertester trägt eine formschöne Analoganzeige für die Öltemperatur – warum schafft das ein BMW M2 nicht?
Fahrwerks-Abstimmung nicht ideal für die Nordschleife./strong>
Genug gemeckert, die Konzentration gilt jetzt der Nordschleife. Bereits im Hatzenbachbogen kündigt sich jedoch das an, was sich über die ganze Runde fortsetzen wird – das M2-Heck will immer gen Kurvenaußenrand tingeln. Vor allem in hängenden Kurvenpassagen verlangt der M2 nach viel Konzentration, und man wünscht sich mehr mechanischen Grip und Traktion, um deutlich früher aus der Kurve herauszubeschleunigen.
Nach Rückfrage bei den M-Entwicklungsfahrern trägt eine Luftdruckkorrektur zumindest etwas zur Beruhigung des Fahrverhaltens bei. Statt des für Hockenheim empfohlenen Warmluftdrucks von 2,2 bar rundum wird für die Nordschleife ein Luftdruck von 2,5 bar warm an der Vorderachse und 2,0 bar warm an der Hinterachse empfohlen. Diese Luftdruckangabe sagt eigentlich schon alles über die Fahrwerksabstimmung. Wie ein Entwicklungsfahrer bestätigt, wurde der Fokus bei der M2- Entwicklung schlussendlich mehr auf ein agiles Einlenkverhalten auf der Landstraße und auf die Agilität auf topfebenen Rundkursen à la Hockenheim gelegt.
Auf der Nordschleife fehlt dem M2, neben dem Biturbo-Dampf auf langen Geradeauspassagen, einfach auch die Ruhe des 11,9 Zentimeter längeren M4- Radstandes. Aber mal ehrlich: Es wäre ja auch noch schöner gewesen, wenn der M2 auch hier seinem großen Bruder um die Ohren gefahren wäre.