BMW M6 Cabrio im Test

Sonnenanbetern und Frischluftfans bietet BMW seit Neuestem das M6 Cabrio an – zum stolzen Preis von 116.300 Euro und mit einem 507-PS-V10 unter der Haube.
Unbedachtes Auftreten liegt ebenso im Trend wie die Modefarbe Weiß. Ergo ist der Auftritt des BMW M6 Cabriolet nur konsequent: Ohne festes Dach, dafür aber blütenweiß gewandet traten die ersten Testwagen Ende September den Weg in die Redaktionen an.
Überbewertet werden sollte der jungfräulich-unschuldige Auftritt des neuen Garchinger Schmankerls freilich nicht. Schließlich tut unter der lang gestreckten vorderen Haube derselbe Fünfliter-V10 Dienst, der auch das Coupé befeuert. Jener ist im Normalfall zwar auf 400 PS kastriert, kann auf Wunsch und Knopfdruck jedoch auch mit der Kraft von 507 Pferden antreten.
Das kann sich sehen und – dank des bei BMW präferierten Hochdrehzahlkonzepts, der Vierrohr-Auspuffanlage und des mit lautstark vorgetragenen Zwischengasstößen Aufmerksamkeit erregenden Siebengang-SMG – selbstredend auch hören lassen; wenngleich der Open-Air-Jünger es auf Grund seines stattlichen Strafgewichts von rund 220 Kilogramm – das Cabriolet bringt mit 1.988 Kilogramm Lebendgewicht nahezu zwei Tonnen auf die Waage – nicht wirklich mit dem gleich starken geschlossenen Bruder aufnehmen kann. Beim Standardsprint verliert das Cabrio eine halbe Sekunde auf das Coupé, bis zum Erreichen der 200 km/h-Grenze gar 2,2 Sekunden.
Das Cabrio ist komfortabler als das Coupé-Pendant
Auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim fällt der Rückstand noch gravierender aus: Der vom M6 Cabrio realisierten Zeit von 1.16,5 Minuten steht die mit dem Coupé gefahrene Rundenzeit von 1.14,4 Minuten gegenüber. Diese allein mit dem erheblich höheren Gewicht und dem im Alltag angenehmeren, weil im Normalmodus des EDC-Fahrwerks komfortableren Setup zu begründen, wäre dennoch vermessen. Schließlich durfte das in der Altherrenfarbe Dunkelrot Metallic an den Supertest-Start gegangene Coupé auf gripfreudige Pirelli P Zero-Corsa-Semislicks vertrauen während der offene Bayer den Test mit normal profilierten, allwettertauglichen Michelin Pilot Sport-Reifen anging. Die unterschiedliche Besohlung erklärt auch die verhaltenere Gangart des Cabrios im Slalom: Das sportbereifte Coupé durcheilt den 180 Meter langen Pylonen-Dschungel mit 67,9 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit, das Cabrio mit 65,4 km/h.
Eine Differenzialsperre sorgt für allzeit gute Traktion.
Etwaige Verhaltensauffälligkeiten sind dabei trotz des durch eine zusätzliche Verstrebung am Unterboden und verstärkte Streben bewirkten Mehrgewichts des Cabrios nicht zu beklagen. In der mittleren Einstellung der dreistufig operierenden elektronischen Dämpferkontrolle agiert der Beinahe-Zweitonner angenehm neutral. Ein Charakterzug, der das 2+2-sitzige, im Fond nicht allzu geräumige Cabrio auch auf dem Kleinen Kurs auszeichnet. Trotz des bulligen, die hinteren Antriebsräder mit bis zu 520 Newtonmeter Drehmoment attackierenden V10 unter der Haube, ist der offene M6 stets gut beherrschbar. Für allzeit gute Traktion sorgt die variabel arbeitende M Differenzialsperre, die bei etwaigen zwischen den Antriebsrädern auftretenden Differenzdrehzahlen für Vortriebs-fördernden Ausgleich sorgt.
Somit verdient bei der sportlichen Zeitenhatz einzig das zunehmend weicher werdende Pedalgefühl der mit innenbelüfteten Scheiben ausgestatteten und kalt wie warm zuverlässig verzögernden Bremsanlage gelinde Kritik. Es verführt dazu, die Bremspunkte sicherheitshalber sukzessive ein wenig nach vorn zu verschieben.
Das Verdeck ist erstklassig verarbeitet.
Im täglichen Umgang spielen derlei Kleinigkeiten freilich keine Rolle. Hier gefällt die überragende Souveränität des offenherzigen 507-PS-Sportlers, die makellose Verwindungssteifigkeit und Solidität des Cabrios, die exzellente Verarbeitungsqualität des dreilagigen, elektrisch bedienbaren Verdecks sowie die für BMW typische perfekte Ergonomie. Der Kofferraum ist ausreichend dimensioniert und soll den Transport von zwei Golfbags erlauben. Die Beinfreiheit im Fond ist für Erwachsene hingegen etwas knapp geraten.
Auf den vorderen Plätzen lässt es sich offen wie geschlossen vorzüglich leben. Wer es luftig mag, kann beim Open-Air-Genuss auf das hinter den Vordersitzen zu installierende Windschott verzichten und sich mit der elektrisch ausfahrbaren, gläsernen Heckscheibe begnügen. Bei geschlossenem Verdeck sorgt sie auf Wunsch für zugfreie Frischluftzufuhr.
Ein Ende hat der bis zum Erreichen der elektronischen 250- km/h-Grenze bei geschlossenem Dach vorbildlich leise, weil nahezu windgeräuschfreie M6-Cabrio-Genuss erst an der Zapfsäule. Dass der Potenzprotz einen gesunden Durst an den Tag legt, mag ja noch angehen und auch in der Natur der Sache liegen; wenngleich durchschnittlich 19,5 Liter Super Plus auf 100 Kilometern dem Ein oder Anderen durchaus sauer aufstoßen könnten. Aber ein Fall für Zimperliesen und Mimosen ist das M6 Cabrio ohnehin nicht. Schließlich ist der Oben-Ohne-M nicht unter 116.300 Euro zu haben. Der Testwagen schlägt gar mit über 130.000 Euro zu Buche.
Wirklich sträflich und auf Dauer ärgerlich ist jedoch der viel zu kleine Tank. Wer alle 300 Kilometer nach der nächsten Zapfsäule Ausschau halten muss, dem nützt der stärkste Motor nichts.