Der BMW Z8 im Supertest

Supersportwagen oder einfach nur übermotorisierter
Boulevard-Cruiser für den Jet-Set? Die simplen Rituale der Macht
beherrscht der 400 PS starke Z8 jedenfalls perfekt.
Das vielfach belächelte, von Verhaltensforschern jedoch als lebensnotwendiges Ritual anerkannte Imponiergehabe ist auch diesseits der Tierwelt ein erstaunlich wirksames Mittel, um Konflikte zu vermeiden. Ein zorniger Brüller, im entscheidenden Moment zum Besten gegeben, genügt, um das Klima zu entspannen: Die Gegner ziehen sich zurück, und die innere Zufriedenheit ist spontan wiederhergestellt. Nicht anders beim BMW Z8: Die Imposanz seines Auftritts und die überzeugende Stimmgewalt gestatten dem Superroadster in der Regel ein sehr friedvolles Dasein. Niemand bedrängt ihn, keiner macht ihn schräg von der Seite an, und der Affront prallt an seiner runden Aluminiumkarosse ab, als genieße er Immunität. Dem direkten Duell entzieht er sich mit der Grandezza des automobilen Hochadels. Dieser große, offene, 400 PS starke Sportwagen taugt also wie kaum ein zweiter dazu, die ganz langsame, entspannte Tour erhobenen Hauptes zum Kult zu erheben – da passt die elegante Dame mit Kopftuch vorzüglich ins Bild. Bei der genüsslichen Tour d’amour ist die Besatzung überdies in der exponierten Lage, die außergewöhnliche Außenwirkung registrieren zu können. Oder sie gibt sich den betörenden Klängen des Achtzylinders hin, dessen Ausdruckskraft schlichtweg gewaltig ist.
Der Motor des BMW Z8 verströmt Klänge gewaltigen Ausdrucks
Die außergewöhnliche Präsenz des großen Fünfliter-Triebwerks hat im Umfeld des Z8 tatsächlich etwas Verzauberndes: mal wummernd wie ein Schiffsdiesel, dann wieder zornig brüllend wie ein NASCAR-V8 in Indianapolis. Kein Schütteln oder Rütteln trübt die Lebensart dieser Maschine, die bekanntlich auch im M5 für Furore sorgt. Aber mehr noch als in der großen Limousine schafft es der Motor im Z8, die Szenerie total zu beherrschen. Wird etwa der kleine „Sport“ -Schalter im Cockpit betätigt, worauf die Drosselklappensteuerung über das E-Gas noch schneller reagiert, steht der Gasfuß sozusagen im direkten Kontakt mit dem Zentralnervensystem des Achtzylinders. Jeder noch so kleinen Bewegung des Fußes folgt eine Reaktion des Motors. Spontaner und enger kann die Verbindung Mensch-Maschine nicht mehr sein – auch weil der weitere Antriebsstrang vom Sechsganggetriebe bis hin zum Hinterachsdifferenzial scheinbar völlig spielfrei arbeitet.
Die Perfektion dieses Powerpacks drückt sich weiter in einer sehr leicht zu bedienenden Kupplung mit gut erfühlbarem Druckpunkt und einem über kurze Schaltwege zu bedienenden, völlig lautlos arbeitenden Getriebe aus. Die motorische Gewalt von 400 PS und 500 Newtonmeter Drehmoment ist also auch im Umfeld des Z8 perfekt zivilisiert und nebenbei auch so weit wie möglich diszipliniert: Die Höchstgeschwindigkeit ist elektronisch begrenzt – bei 250 km/h. Darüber hinaus greift das elektronische Stabilitätsprogramm DSC ein, wenn ein unsensibler Gasfuß am Werk ist. Aber es lässt sich deaktivieren: Dann gelingt es selbst völlig ungeübten Straßenkünstlern, dicke schwarze Striche auf den Asphalt zu malen und vierspurig das Weite zu suchen – ähnlich wie Schumacher nach dem Boxenstopp. Die Traktionseigenschaften dieses 4,4 Meter langen Frontmotor-Sportwagens sind allein wegen der Machtfülle des Motors beschränkt, obwohl die Gewichtsbalance mit einer Verteilung von je 50 Prozent auf Vorder- und Hinterachse perfekt austariert ist.
Das Gewicht ist paritätisch auf Vorder- und Hinterachse verteilt
Dafür hat das Hinterachsdifferenzial keine Sperre, was das Verhalten im Grenzbereich tendenziell zwar freundlicher gestaltet, aber dem Schlupf speziell am entlasteten Antriebsrad starken Vorschub leistet. Zum Vergleich: Die Referenz, Chrysler Viper GTS, verfügt über ein Differenzial mit bis zu 100 Prozent Sperrwirkung, was dem Ami- Sportler in puncto Traktion naturgemäß deutlich spürbare Vorteile einbringt. Was jedoch im Viper GTS nur mit Konzentration und viel Gefühl in der Schalthand gelingt, schüttelt der Z8-Pilot quasi aus dem Ärmel: Zwischenspurts mit schnellen Gangwechseln rauf und runter gehen so elegant und ruckfrei über die Bühne, dass es ein Leichtes ist, sich dem Spiel mit der Leistung hinzugeben. Etwas Demut im Umgang mit der Gewalt ist dennoch angeraten: Den Sprint bis 100 km/h erledigt der große BMW-Roadster locker in 4,8 Sekunden. Für dieselbe Übung bis 200 km/h reklamiert er aus dem Stand lediglich 16,8 Sekunden. Angesichts dieser Daten stellen sich unbedarften Mitfahrern speziell bei der Vorführung im offenen Cockpit die Nackenhaare hoch. Seitens des Motors sind damit sicher nicht alle Ressourcen erschöpft.
Gegen weitere Temposteigerungen spricht in unteren Geschwindigkeitsregionen jedoch das hohe Gewicht von vollgetankt 1.651 Kilogramm – trotz des 100-prozentigen Einsatzes von Aluminium im ganzen Karosseriebereich. In den oberen Tempobereichen ist es die schlechte Aerodynamik, die merklich an den motorischen Kräften des Z8 zehrt (siehe Kasten auf Seite 28). Die große Fahrzeugmasse kommt jedoch nicht von ungefähr: Im Z8 ist sämtlicher Luxus versammelt, der das entspannte Cruisen inmitten von glänzendem Lack und feinstem Leder so genussvoll macht. Außerdem sind alle verfügbaren Sicherheitsfeatures installiert, soweit es die Cabrio- Konstruktion erlaubt. Darüber hinaus offenbart der Z8 eine Steifigkeit in den Grundfesten seiner Space Frame-Konstruktion, die weder ein zitterndes Lenkrad noch sonstwie geartete Bewegungen in der Karosseriestruktur erlaubt. Ein Ächzen oder Knarzen ist auch mit gespitzten Ohren nicht zu vernehmen. Das Einzige, was wackelt, sind die Gläser in den verchromten Außenspiegeln.
Die Karosserie des BMW Z8 gibt in keiner Situation nach
Die negativen Aspekte großer Massen lassen sich jedoch nicht kaschieren. Während die Bremsanlage auch auf der Rennstrecke souverän in der Lage ist, das hohe Gewicht zu kompensieren und das Thema somit auch aus dem Kopf des Fahrers zu verbannen, sorgt die Lenkung dafür, die vielen Kilos wieder ins Gedächtnis zurückzurufen. Der Z8 fühlt sich speziell durch ihre Arbeitsweise recht massig an, obwohl sie – natürlich – mit Servounterstützung operiert. Mit einer direkteren Übersetzung oder einem besseren Ansprechverhalten um die Mittellage könnte das subjektive Empfinden neu justiert und die Handlichkeit sicher auch objektiv verbessert werden. Die Resultate im Slalom und im Ausweichtest unterstreichen diese Annahme. Dass die Konstrukteure den vorliegenden Kompromiss bewusst favorisierten, lässt sich an einer Eigenart des Z8 ablesen, die vermutlich eine Folge der Vorderachsgeometrie in Kombination mit der auffällig breiten Bereifung an der Lenkachse (245/45 ZR18) ist: Die Hebelkräfte an den Radaufhängungen sind relativ groß, was sich im normalen Fahrbetrieb zunächst nicht bemerkbar macht – gerade weil die Lenkung auf hohe Unempfindlich programmiert ist.
Bei starken Bremsmanövern offenbart der Z8 jedoch eine auffällige Untreue in der Spurhaltung, die zumindest gewöhnungsbedürftig ist: Verstärkt durch die dynamische Radlastverschiebung sowie durch die Verkürzung des Nachlaufs wird der Roadster unruhig um die Hochachse, was es sinnvoll erscheinen lässt, bei beherzter Fahrweise nicht allzu sehr auf Tuchfühlung mit den seitlichen Banketten oder den Curbs zu gehen. Bei hohem Tempo kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Der hohe Auftrieb an der Hinterachse hat verstärkende Wirkung auf Unsicherheiten dieser Art. Das Phänomen rückt auch deshalb stärker ins Bewusstsein, weil das ABS mit scheinbar groberen Regelfrequenzen arbeitet als etwa beim aktuellen M5. Der zeigt sich in ähnlich heißen Bremsphasen nämlich besser konditioniert. Die partielle Unsicherheit im Zustand negativer Beschleunigung ist allerdings der einzig nachvollziehbare Tadel, der dem Z8 angehängt werden kann. Denn trotz der auffallend schlechten aerodynamischen Balance ist der Geradeauslauf bis hinauf in den Vmax-Bereich stabil.
Im Geradeauslauf zeigt der BMW Z8 keine Schwächen
Generell ist der Fahrzustand des Übersteuerns infolge des kraftvollen Motors natürlich jederzeit abrufbar – sofern das elektronische Hilfsprogramm ausgeschaltet wurde. Am Limit und auch darüber hinaus sind die Reaktionen dieses offenen Supersportlers aber gut unter Kontrolle zu halten. Die Ausbrüche des Hecks geschehen weder blitzartig, noch sind in der Folge ausgeprägte Konterschwünge zu erwarten. Unter diesem Aspekt wirkt sich die fehlende Differenzialsperre tatsächlich vorteilhaft aus. Den Chrysler Viper GTS einzufangen, nachdem er über den Grenzbereich hinausgetrieben wurde, fällt wegen der starken Sperrwirkung seines Differenzials nämlich erheblich schwerer. Auch wenn die fehlende Traktion in Kurven ein paar Sekunden kostet: Ob die Nordschleife in 8.18 Minuten (Z8) oder – wie der Viper GTS – acht Sekunden schneller bewältigt werden kann, die Gegner sind gewarnt. Der Z8 muss keineswegs beweisen, wozu er fähig ist – aber er könnte.