Elektroautos
Wir bringen E-Autos an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit: Wie verändern sich Reichweite und Leistung unter erschwerten Bedingungen? Wir vergleichen sechs E-Modelle.
Zu beneiden sind die Kollegen vom TÜV SÜD in Heimsheim manchmal nicht: Im Auftrag von auto motor und sport mussten sie die Reichweite von Elektroautos unter exakt reproduzierbaren Bedingungen ermitteln. Das Ziel der Übung: Elektroautos an ihre Grenzen zu bringen.
Das kann bei einem Akku-Riesen wie dem Tesla Model S mit seinen 85 Kilowattstunden Energieinhalt auch schon mal fast sechs Stunden Prüfstandsfahrt bedeuten, während ein Twizy schon in anderthalb Stunden durch ist. Da hatten die auto motor und sport -Tester bei den Dynamikprüfungen mit den drehmomentstarken E-Autos mehr Freude. Doch den Autos nach:
Nissan Leaf ist weltweit das meistverkaufte E-Auto
Weltweit ist der Leaf mit über 100.000 Exemplaren das meistverkaufte Elektroauto. Seit 2010 auf dem Markt, ist das erste speziell auf den Elektroantrieb hin entwickelte Großserienauto dabei buchstäblich etwas in die Jahre gekommen. Die realen Reichweite. liegen konstant erheblich unter der Werksangabe von 199 km. Bei minus sieben Grad sind es aufgrund ineffizienter Wärmeregelung sogar nur 75 km. Auch dynamisch kann der 80 kW starke Nissan mit BMW i3 und Co. nicht annähernd mithalten. Enttäuschend ist in dieser Hinsicht auch der hohe Testverbrauch von 26,3 kWh/100 km.
Renault Twizy bietet die geringste Rekuperationsbremsverzögerung
Der Elektro-Floh von Renault läuft in diesem Vergleich außer Konkurrenz, weil er die für einige Übungen erforderlichen 100 km/h nicht erreicht und keine Heizung bietet. Trotzdem ist es erstaunlich, dass der Einsitzer (Cargo-Version mit Kofferraum) immerhin 67 km bei 23 Grad aus seinem 7-kWh-Lithium-Ionen-Akku presst. Die Reichweite sinkt bei Kälte nur um zehn Kilometer. Logisch, denn mit der Heizung fehlt der größte Zusatzleistungsfresser (bis zu 4 kW). Andererseits bietet der Twizy mit lediglich 0,58 g die geringste Rekuperationsbremsverzögerung. Auch beim Sprint bis 50 km/h bleibt er mit über acht Sekunden unter den Erwartungen.
Smart Fortwo Electric Drive – Meistverkauftes E-Auto in Deutschland
Der Elektro-Smart als meistverkauftes Elektroauto in Deutschland liefert ein zwiespältiges Bild. Auf der einen Seite ist er ein in der Stadt dynamischer und sparsamer Zweisitzer. 114 km Reichweite erzielt er beim TSECC mit einem niedrigen Verbrauch von 16,6 kWh/100 km. Mit jedem km/h mehr steigt sein Konsum jedoch überproportional an – und erreicht auf der Autobahn mit 41,1 kWh/100 km sogar fast die hohen Werte des Tesla. Leider zeigte der Smart im Test auch die längsten Bremswege bei griffiger und einseitig rutschiger (µ-Split-)Fahrbahn.
Tesla Model S mit Schwierigkeiten bei Kälte/Hitze
Das Model S ist der unumstrittene Star der E-Auto-Szene. In seinem Heimatland USA lässt er bei den Verkäufen die komplette deutsche Luxusgarde alt aussehen. Quantitativ ist er beeindruckend: Der mit Abstand größte Akku (fast vier Mal so groß wie im i3) verhilft dem P85+ zu überragenden 342 km bei 23 Grad im TSECC. Der 310 kW starke asynchrone E-Motor beschleunigt in kaltem Zustand in 4,7 Sekunden von null auf Tempo 100 alle Konkurrenten in Grund und Boden.
Doch das Model S hat Schwierigkeiten, diese Performance auch bei Kälte und Hitze zu halten. Die Reichweite. brechen stark ein (bei konstant 120 km/h um die Hälfte), und die Leistung schwankt mit der Temperatur des Antriebssystems. Auch bei den Segel- und Rekuperationseigenschaften liegt der Tesla im Vergleich zum i3 und E-Golf spürbar hinten. Die Folge sind hohe Verbräuche, die auch über die Mehrleistung nicht zu rechtfertigen sind. Da muss der mit 95.900 Euro mit weitem Abstand teuerste E-Wagen im Test in Zukunft mehr zeigen.
VW E-Golf mit verlässlichem Fahrradius
Dass der E-Golf mit 1,5 Tonnen kein Leichtgewicht ist, schadet seinen Reichweite. kaum: Das jüngste Mitglied des Testfelds liegt vor allem bei der schwierigen dynamischen und Kälte-Reichweite an zweiter Stelle hinter dem Model S. Bei keinem anderen Auto ist soviel Verlass auf den Fahrradius. Er verbraucht zudem im Schnitt exakt soviel wie der 300 kg leichtere BMW i3. Kein Auto im Testfeld segelt zudem so lange mit einmal aufgebautem Tempo, ist so leise, und keines rekuperiert auch dann noch nennenswert, wenn bereits die mechanische Bremse mit zubeißt. So ist der E-Golf vor allem der Elektro-Tipp für Pendler.
BMW i3 überzeugt mit niedrigem Verbrauch
Er ist der deutsche Star unter den E-Mobilen und untermauert das gleich mit exzellenten Beschleunigungsleistungen. Sogar bei hoher Belastung bleiben diese konstant und bieten zum Teil (warm bis 50 km/h) denen des Model S Paroli. Dessen Reichweite. erzielt der i3 zwar nicht, brilliert dafür aber mit Konstanz und niedrigem Verbrauch vor allem im urbanen Bereich: 15,6 kWh/100 km. Mit dem aufpreispflichtigen Wärmetauschersystem liegt auch der Kälte-Fahrradius über 120 km. Nur auf der Autobahn rollt er nicht ganz so souverän wie der Golf. Dafür rekuperiert er überzeugend und holt sich knapp den Sieg.
BMW i3 und VW E-Golf liegen auf einem Verbrauchs-Niveau
Gewicht ist wichtig, aber noch entscheidender ist ein effizientes Gesamtkonzept. Dass der Renault Twizy als extrem kleines und leichtes Vehikel mit maximal 80 km/h den niedrigsten Verbrauch von 11,7 kWh/100 km bietet, verwundert nicht. Bei den vollwertigen Autos überzeugt aber vor allem der mit 1,5 Tonnen recht schwere E-Golf. Seine Entwickler trimmten ihn auf extreme Reibungsarmut, und so rollt er, einmal in Schwung, deutlich besser als die Konkurrenten.
Als Einziger im Test beherrscht er mit seinem speziellen elektronischen Bremskraftverstärker (eBKV) auch Rekuperationsverzögerungen bis 3 m/s²– was sich messtechnisch aber nicht darstellen lässt, da der Golf noch in elektrische und mechanische Verzögerung aufteilt, wo ein 1,2 Tonnen schwerer BMW i3 nur noch rein mechanisch verzögert. So kommen beide auf durchschnittlich 20,6 kWh/100 km, mit Vorteilen für den i3 in der Stadt und den Golf bei höherem Tempo. Enttäuschend fallen bei hohem Tempo dagegen die Verbräuche des Smart und Tesla (hohe Ladeverluste) aus, auch wenn sie nicht mehr mit ähnlicher Akku-Technik arbeiten. Zusätzlich steigt ihr Stromkonsum bei Kälte überproportional.
Tesla Model S und BMW i3 liegen bei der Dynamik vorne
Der BMW i3 bietet mit seinem Synchronmotor tolle Beschleunigung – dauerhaft. BMW und VW sind sich in einer Hinsicht einig: Ihre Elektromotoren werden auf Dauerleistung hin entwickelt. Auch nach mehrmaligem Beschleunigen bleiben die Sprintzeiten absolut konstant. Der mit 270 Nm etwas drehmomentstärkere VW Golf beschleunigt bis 50 km/h wie der i3. Bei höherem Tempo spielt Letzterer aber den Leistungsvorteil seines Hybrid- Reluktanzmotors aus. Dieser arbeitet mit zwei Kraftquellen – daher auch Hybrid – und bietet dadurch mehr Drehmoment bei höheren Drehzahlen. Konstant 7,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h sind der eindrucksvolle Lohn.
Das Tesla Model S beschleunigt dagegen nur im kalten Zustand in exzellenten 4,7 Sekunden. Schon nach einer kräftigen Leistungsabgabe sinkt die Leistung zum Teil bis auf die Hälfte. Die Sprintzeit auf 100 km/h steigt um fast zwei Sekunden – Dynamikschwankungen, die es dem Fahrer schwer machen, den Wagen beim Überholvorgang einzuschätzen. Kein Wunder, dass Tesla im Fahrzeugschein nur 69 (!) kW anstatt 310 kW als Dauerleistung angibt. Auch der Nissan Leaf bricht bei der warmen Beschleunigung bis 100 km/h leicht ein. Entscheidender ist aber eher die dürftige Stadtdynamik des 80-kW-Japaners bis 50 km/h. Gerade dort sollte ein E-Auto Spaß machen. Hier fehlt es auch dem superleichten Twizy. Schon bis 50 km/h braucht der 18-kWler ziemlich enttäuschende 8,2 Sekunden. Wie es viel besser geht, zeigt der Smart Fortwo ED: Bis 100 km/h ist er trotz deutlicher Minderleistung zum Nissan Leaf konstant schneller. Null bis Tempo 50 dauert nur 3,7 Sekunden.
Tesla Model S liegt bei der Reichweite klar vorn, aber nicht verlässlich
Gute Segeleigenschaften und effiziente Heizsysteme sorgen für verlässliche Reichweite. Für hohe Reichweite sorgt vor allem viel Akku-Kapazität. Tesla löst dieses quantitative Problem mit Tausenden Panasonic-18.650-Zellen – die kennen wir sonst aus Notebooks. 342 km erreicht das Model S so bei 23° C auf dem TÜV-Prüfstand. Ebenso wichtig ist die Reichweite.konstanz, hier bricht der Tesla auf der Autobahn um die Hälfte auf 184 km bei konstant 120 km/h ein. Einem besonders gut segelnden E-Golf fehlen bei Tempo 120 nur 38 Prozent zu seiner 141-km-Reichweite bei 23° C. Vor allem verliert er aber bei Kälte nur zwölf Prozent seiner Wärme-Reichweite. Auch der BMW i3 liegt hier mit 145 km (23° C) und 121 km (–7° C) sehr gut – was bei beiden vor allem für ihr effizientes Heizungssystem spricht. Der Twizy hat erst gar keine Heizung und erreicht auch nicht Tempo 120, so bricht seine Reichweite auch nicht nennenswert ein. Beim Nissan Leaf rächt sich die nicht optimale Einbeziehung der Batterie in den Kühl- und Heizkreislauf: nur 75 km bei –7° C. Der wenig aerodynamische Smart wiederum konsumiert auf der Autobahn extrem viel.
So wurde getestet
Um eine besonders realistische und reproduzierbare Reichweite.messung von Elektroautos zu ermöglichen, entwickelte auto motor und sport zusammen mit den Spezialisten vom TÜV SÜD einen temperaturkontrollierten Test. Als Basis dient dabei der TÜV SÜD E-Car Cycle (TSECC), der sich deutlich näher als die Messung nach der ECE-Norm R101 an der realen Fahrpraxis von Elektroautos orientiert. Für den TSECC wurden reale Strecken digitalisiert. Daraus wurde ein typischer Pendlerzyklus mit einer Mischung aus Stadt-, Land- und Autobahnanteil mit einem Durchschnittstempo von 60 km/h (zum Vergleich NEFZ: 34 km/h) generiert. Ein hoher Rekuperationsanteil prüft zudem die regenerativen Fähigkeiten der E-Autos. Zur praktischen Durchführung des Zyklus wird der Streckenverlauf auf dem Rollenprüfstand in Heimsheim ausgefahren. Zwei verschiedene Tests mussten die E-Autos dabei absolvieren:
1. TSECC bei 23° C (mit Klimaanlage und elektrischen Verbrauchern)
2. TSECC bei –7° C (Heizung und eingeschaltete elektrische Verbraucher).
Zusätzlich testete auto motor und sport auf der realen Straße die Leistungskonstanz und wie effizient die E-Autos auf einer hügeligen Landstraße und bei absolut konstantem Tempo von 120 km/h fahren. Beim Vergleich des Verbrauchs und der Akku-Kapazität von E-Autos gilt es, Folgendes zu beachten: Der Gesamtverbrauch kann größer als der Energieinhalt der Batterie sein, da hier noch Ladeverluste bis zu 20 Prozent hinzukommen.