Fahrbericht Maserati Quattroporte Ottocilindri

Bei Maserati erfasst umfangreiche Modellpflege den Quattroporte und beschert ihm einen exotischen Antrieb: Der V8 verfügt über vier Nockenwellen, 32 Ventile und zwei Turbolader, gut für eine Leistungsausbeute von 335 PS.
Es lohnt sich wie nie zuvor, das Kleingedruckte zu lesen, sobald ein Maserati ins Blickfeld gerollt ist. Normalerweise sind diese Limousinen aus exclusiver Kleinserie recht uninformativ, weil äußerlich völlig unbeschriftet – von den knapp zwei Dutzend Firmenemblemen in Form des aufrechten Dreizacks einmal abgesehen, der so trefflich die Form des Neptunbrunnens von Modena nachempfindet. Früher stand ja normalerweise nichts dran am starken Viertürer von Maserati, jedenfalls solange er den Sechszylinder unter der Haube trug.
Erst die jüngste Version des Quattroporte mit dem neuen Achtzylinder trägt einen Schriftzug, dezent, zwölf Millimeter hoch und nur eine Handbreit ober- halb der seitlichen Blinkleuchte angebracht. Ottocilindri steht dort, das italienische Wort für Achtzylinder. Aber man kann deutschsprachigen Fragestellern auch plausibel erklären, es handle sich schlicht um einen Ottomotor. Der spielt nämlich im Jahre drei nach der Übernahme durch den Fiat-Konzern eine besondere Rolle. „Maserati will mit einem neuen, besonders starken Auto auf dem deutschen Markt vertreten sein“, erläutert Maserati- Geschäftsführer Eugenio Alzati den Weg zum beschrifteten Auto.
Alzati weiter: „Natürlich waren wir recht froh, als sich vor drei Jahren herausstellte, daß die Maserati-Bodengruppe weiter entwicklungsfähig ist. Trotzdem ist der Quattroporte praktisch ein neues Auto. Der Motor mußte kräftig überarbeitet werden. Und nachdem die Firma Maserati 80 Jahre lang Geschichte gemacht hat, ohne nennenswerte finanzielle Erfolge einzufahren, wollten wir unter den Fittichen der Konzernmutter Fiat zuerst Geld für etwas Vernünftiges ausgeben: für einen schönen Motor.“
Das scheint schon gelungen, wenn man nur unter die Haube der viertürigen Limousine schaut. Dort sitzt der 3,2 Liter- V8 mit knallroten Zylinderköpfen, die mit dem Neptun- Dreizack geschmückt sind. Außerdem blinkt am Ventildeckel der technische Taufschein des 335 PS-Motors: 8V- 4AC-32V, so buchstabiert sich die Gravur. Die Übersetzung des motortechnischen Esperanto kennzeichnet das Triebwerk als V8 mit vier Nockenwellen (AC steht für Alberi a camme) und 32 Ventilen.
Die beiden Turbolader, seit neuestem kugelgelagerte Turbinen vom japanischen Hersteller IHI, fallen dabei ebenso der Abkürzung zum Opfer wie der nagelneue Zylinderblock aus Aluminium. Zugunsten der Laufruhe wurden sogar die Hauptlagerböcke in einem monolithischen Aluminiumblock untergebracht, und damit der Achtzylinder sich nicht vor lauter Kraft zerreißt, wurde der maximale Ladedruck elektronisch auf 1,1 bar begrenzt.
Die Drehmomentkurve des 335 PS starken Maserati-V8 sieht folglich exakt so aus, wie man sich einen Tafelberg mit Gipfelhöhe von 450 Newtonmetern vorstellen kann, so stetig und flach ist ihr Verlauf zwischen 2.500 und 5.000/Min. Auch die Kraftentfaltung des neuen Motors ist völlig sportwagenuntypisch, denn die Kraft, die aus dem Keller kommt, ist ihm alles, wenngleich er bei hohen Drehzahlen kaum an Spritzigkeit verliert. Die Kraftentfaltung ist immer dann besonders eindrucksvoll, wenn der Maserati-Fahrer das Gas bei niedrigen Drehzahlen durchtritt. Nur unter 2.500/Min erfordert das Reaktionsvermögen des Biturbo eine Drittelsekunde Bedenkzeit. Darüber besticht er durch spontane Kraftentfaltung, egal, in welcher der sechs Schaltstufen das exakt rastende Getriebe von Getrag gerade stehen mag.
Die Sprinteinlagen des Maserati fallen so gewaltig aus, daß zum Vergleich ausgesprochen üppig motorisierte Autos herangezogen werden müssen: Die Werksangaben versprechen 5,8 Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h, also exakt den gleichen Wert wie für den zwölfzylindrigen BMW 850 CSI oder die M3-Limousine mit 321 PS. Der 394 PS starke Mercedes S 600 läßt sich für die Sprintdisziplin eine knappe Sekunde mehr Zeit, und der direkte Konkurrent, die E-Klasse, schafft den Spurt nur dann in sechs Sekunden, wenn der 347 PS starke Fünfliter-V8 von AMG eingebaut ist.
Dieser Mercedes E 50 ist auch etwa gleich teuer wie der Maserati Quattroporte Ottocilindri. 74.600 € mit Schaltgetriebe, 76.100 € mit Automatik sind laut Maserati- Geschäftsführer Eugenio Alzati „für ein Auto der Luxusklasse ein hochinteressanter Preis“. Um so interessanter, als der Maserati manchen Ansatz zur nachlässigen Verarbeitung ebenso abgelegt hat wie die vormals enormen Windgeräusche bei höherem Tempo und den Hang zu allzu eigenwilligen Bedienungselementen.
Ein Versuchsingenieur: „Beim neuen Maserati kann man die Skalen der Instrumente endlich komplett überblicken.“ Der Innenraum ist ein eleganter Salon, in dem das Aroma der gegerbten Häute von mindestens neun Connolly-Rindern dominiert. Praktisch alle lederfreien Stellen sind mit edlem Holz verkleidet (Alzati: „Wir verwenden ausschließlich die Wurzeln freilebender Ulmen“). Dazu gesellt sich die schönste Uhr der Autogeschichte, die ihre Zeit nicht digital flasht, sondern höflich mit Zeigern anzeigt.
Adretterweise paßt die Abstimmung des mit Eibach- Federn und Koni-Dämpfern verfeinerten Fahrwerks zum gediegenen Gesamteindruck. Der Maserati liegt satt und federt je nach Einstellung der vierstufig variablen Dämpfer zwischen knochig und betont komfortabel. Das Kurvenverhalten ist neutral und bis hinauf zum hoch liegenden Grenzbereich untadelig, wenn man von den gut beherrschbaren Reaktionen auf Lastwechsel bei sehr hoher Kurvengeschwindigkeit einmal absieht. So ist der Maserati Quattroporte mehr als nur ein eigenwilliges Stück Autokultur. Er kombiniert formales Understatement mit dem Charme eines wieder einmal solider gewordenen Autos, das es faustdick unter der Haube hat. Dazu gibt es den feinen Sound des Ottocilindri- Biturbo. Wenn das kein Fortschritt ist?