Ford Capri II
Der erste Capri ist längst ein etablierter Klassiker, der Capri III ein beliebtes Macho-Muscle-Car für Manta-B-Oppositionelle.Doch kein anderer Sport-Ford bietet so viel unverfälschtes 70er Jahre-Flair wie der Capri II.
Auf keinen Fall den Dreizehnhunderter nehmen, bitte nicht im Capri. Im asketischen Einser nicht und im üppigen Zweier schon gar nicht – nicht einmal als modernen OHC-Motor. Der 1300er im Capri II gehört zum alten Eisen. Unter der langen Motorhaube hockt verloren der unscheinbare Kent-Motor aus dem Escort. Seine 54 PS reichen gerade einmal für 140Spitze. Das schafft jeder Opel Kadett B. Der 1300er passt nicht zum Capri./strong> Der 1300er passt nicht zum Capri. Denn der Name der Insel vor Neapel ist für junge Autofans in den frühen Siebzigern nicht mehr Ausdruck von Fernweh wie 20 Jahre zuvor, sondern die realistische Verheißung auf ein schönes Leben mit einem schnellen, schnittigen Wagen, den man sich sogar als Facharbeiter leisten kann. Selbst die Sehnsucht nach einer hübschen Beifahrerin könnte sich erfüllen, denn so ein Capri II wirkt flott und sexy: Lange Motorhaube, lange Beine, breite Spur, schmale Taille, sanfte Stimme, tiefer Sound. Die Werbung lockte mit solchen Bildern, der Capri II mit den gefälligen Rundungen provozierte sie. Bikinimädchen posierten auf den bunt lackierten Motorhauben, darunter steckten allesamt V6Motoren. Zweikommadrei oder Dreiliter – beide leise stark, elastisch und souverän. Die Autos, beileibe keine nackten Hütten, sondern sportliche GT oder luxuriöse Ghia. Tante Frieda lässt grüßen Heute würde man die schöne neue Capri.Welt, die eine Folien-Schallplatte als Kundengeschenk beim Händler-Debüt musikalisch untermalte, Lifestyle nennen. 1974 hieß das schlicht Abenteuer. Der 1300er passt nicht in diese Welt, erkonterkariert sie. Er passt zu Tante Frieda, die mit dem Capri zum Einkaufen fährt. Die große Heckklappe macht es ihr leicht. Der Capri II ist damit viel praktischer als seintechnisch identischer Vorgänger. Beim GT und Ghia sind die Rückenlehnen sogar einzeln umklappbar. Erst der straff geliftete Capri III erlöst uns ab März 1978 vom Stigma der Untermotorisierung. Die „Auto-nach-Maß-Idee“ von Ford, bei der ohne Rücksicht auf Harmonie beinahe alles mit allem kombinierbar war, hatte sich überlebt. Bob Lutz, der geniale Verkaufstratege, saß damals auf dem Chefsessel von Ford-Köln, brachte 1976 den Capri S und schuf damit endlich ein klares Credo für überzeugte Capri Jünger: nur V6Motoren von zwei bis drei Liter Hubraum, mattschwarze Chromteile, attraktiv gestylte Leichtmetallräder und ein zartes Streifendekor samt dezentem Frontspoiler. Dazu innen ein Sportlenkrad, die Komplett-Uhrensammlung aus GT und Ghia, gestreifte Sportsitze und ein straffes Fahrwerk mit Gasdruckstoßdämpfern. Aber selbst ein 3.0 S mit 138PSEssexV6 ist beileibe kein Ersatz für den Profisportler 2600 RS, der die erste Capri.Generation krönte, das 72er Facelift überlebte, aber als Capri II – so just nach der Ölkrise – nicht vorstellbar war.
Heute sind die mageren 1300er nicht selten, der Capri II 3. 0 S dagegen ist eine gesuchte Rarität. Wir haben keinen gefunden, jedoch zwei andere Prachtexemplare in dereinstigen Ford-Hochburg Ruhrgebiet. Sie verkörpern die gegensätzlichen Capri.Charaktere ideal. Auf der einen Seite der brave behäbige Vierzylinder, ein früher 74er1600 XL in Diamantweiß und als milde Antithese dazu ein luxuriöser Sechszylinder – ein 76er 2. 0 GL in schrillem Jadegrünmetalic mit schwarzem Vinyldach und üppigem Chromschmuck. Treffpunkt ist der Landschaftspark Duisburg-Nord – ideale Fotolocation für zwei so kultige Youngtimer. Im Mittelpunkt steht ein altes Thyssen-Hüttenwerk, das noch so erhalten ist wie nach der letzten Schicht 1985. Nichts wurde demontiert, alles ist natürlich ein bisschen rostiger als damals.
Das Kulturdenkmal bildet einen reizvollen Kontrast zu den beiden Siebziger-Jahre-Coupés von Ford, die einst Auto-Idole der Arbeiterklasse waren. Im Hintergrund parkt noch ein Taunus 1600 GT Coupé. Der dezent optimierte Fastback Bolide aus der Knudsen-Ära gehört Björn Duwe. Er begleitet seine Lebensgefährtin Isabelle Roßkothen standesgemäß zum Fototermin. Sie fährt den weißen Capri II im Alltag, auch im Winter. „Okay, die RS-Felgen sind nicht original, sie nehmen dem Wagen aber viel von seiner Biederkeit“, gesteht die Sonderpädagogin. Sie hat Recht. Der Ford hat erst42000 Kilometer auf dem Tacho,„so ein Rentnerschätzchen halt – gepflegt, behütet und ungeschweißt“. Der weiße Vierzylinder mit dem zahmen 72PSOHCMotor trägt noch die zierlichen Spiegel mit schmalem Fuß, die alten Seitenembleme, die wie Phantasie-Wappen aussehen, und auf denen schlicht „1600“geschrieben steht. Auch die Typenbezeichnung XL verschwand 1976 im Zuge der von Bob Lutz durchgesetzten „Germanisierung“ der Ford-Modellpalette. Aus XL wurde GL, und aus GT wurde S, beide Pakete zäumte Ford noch mit ein paar Extras auf. Der hochtourige, aber unelastische1600 HC-Motor mit Weber-Doppelvergaser und 88 PS musste dem traditionellen Zweiliter-V6 weichen. Der kann alles besser und verbraucht kaum mehr. Licht und Scheibenwischer werden beim späten Capri II über Lenkstockhebel aktiviert. Der weiße hat noch Drucktasten im Instrumentenbrett. Bei beiden Capri II, ob nun diamantweiß oder jadegrün, verrät das Lenkrad dem Kenner die technische Herkunft. Es ist genauso geformt wie beim Escort, und tatsächlich gibt es schon vom Einser-Caprian viele Parallelen. Das Fahrwerk mit der McPherson-Federbeinachse vorn und der hinteren Blattfeder-Starrachse an Längslenkern ist genau so konstruiert.
Der Motorraum mit den geschweißten Vorderkotflügeln und den flachen Federbeindomen sieht ähnlich aus. Dabei hat der Capri deutlich mehr Spurweite und Radstand als der Kleinwagen aus England. Marc Keiterlings jadegrüner Capri II 2. 0GL ist ein Hingucker, ein absolut originales Auto im Super-Zustand, ungeschweißt zwar, aber schon einmal lackiert, weil das zeitgenössische Ford-Einschicht-Metallic im Lauf der Jahre selbst bei bester Pflege ermattet. Der Zeitungsjournalist aus Oberhausen ist Capri.Abonnent. Wie früher seine Eltern besitzt er Autos aus allen drei Capri.Generationen. Sein erstes eigenes Auto war ein Capri III. Marc und Ehefrau Beate unternehmen im Sommer gern weite Touren durch Deutschland mit dem grünen Sechszylinder-Coupé. Bei der Creme21Youngtimer-Rallye waren sie schon zwei Mal dabei:„Der Capri II ist leise, dabei relativ sparsam und zuverlässig, ich schätze ihn sehr als Reisewagen“, erklärt Marc und freut sich noch heute darüber, den Wagen vor der Schrottpressegerettet zu haben. Sein Halter hatte das bestens gepflegte Auto vor Jahren achtlos an einer viel befahrenen Straße abgestellt, alle Strafzettel und Aufforderungen ignoriert. So landete der Capri in Polizeigewahrsam und konnte schließlich von Marc mit viel Geduld ausgelöst werden. Nie käme er auf die Idee, aus dem Zweiliter einen Dreiliter zumachen – wie so viele in der Ford-Szene, die das geniale Baukastensystem zum preiswerten Tuningnutzen.
Der Fahrer sitzt tief im Capri II, das steile Lenkrad liegt gut in der Hand, die Innenbreite ist beachtlich. Das karge Instrumentarium ohne Drehzahlmesser hat auch Marcs Sechszylinder nebenan. Vor einem liegt die leicht gewölbte Motorhaube, in der Mitte zeichnet sich eine fein angedeutete Hutze ab. Das Muscle-Car-Schönheitsideal solcher Rundungen, im Verbund mit langer Motorhaube und kurzem Fastbackheck, hat der damalige Ford Chefdesigner Uwe Bahnsen behutsam ins Deutsche übersetzt. Die Gürtellinie liegt tief, die Seitenfenster zeigen viel Glas. Bei geöffneter Tür wird die starke Wölbung des Karosseriekörpers im Profil deutlich. Die Sitze sind breit und bequem, die blauen Polster des Diamantweißen tragen noch keine Kopfstützen. Ein kurzer Dreh am Zündschlüssel, und das vertraute Geräusch des Vierzylinders dringt ans Ohr. Der Auspuffton klingt satt und nach mehr Hubraum. Der Schalthebel rastet exakt und leichtgängig in den langen, engen Gassen seiner Kulisse.
Anders als beim zeitgenössischen Taunus liegt der Rückwärtsgang links hinten. Der elastische Motor will früh geschaltet werden, hoch gedreht tut er seinen Unmut lautstark kund. Es ist ein Bauernmotor, nichtbrillant, aber robust, sparsam und zuverlässig. Immerhin arbeitet er nach dem Querstromprinzip, seine obenliegende Nockenwelle wird von einem Zahnriemen angetrieben, die Ventile sind v-förmig geneigt. Zu dieser Fortschrittlichkeit will der gusseiserne Zylinderkopf so gar nicht passen. Der OHC-Motor stammt von der Ford-Mutter aus Dearborn – 1969 feierte er als Zweiliter im Kompaktwagen Pinto Premiere. Die Deutschen mussten den zähen, aberlanglebigen Terrier im Sierra und Scorpio noch bis 1990 durchfüttern. Zehn, elf Liter braucht Isabelles Capri auf 100 Kilometer –Superbenzin mit einem Schnapsglas Blei-Ersatz pro Tankfüllung. MarcsV6 schluckt nur anderthalb Liter mehr.
In schnell gefahrenen Autobahnabfahrten, davon gibt es im Ruhrgebiet viele, untersteuert der Capri mit den schmalen185/70 R13Reifen deutlich. Trotz schwerer, aber von zusätzlichen Längslenkern gebändigter Starrachse, fühlt er sich hinten ziemlich leicht an. Das spürbar höhere Motorgewicht des Sechszylinders verstärkt die Kurvenunwilligkeit, das straffe S-Paket mit Gasdruckdämpfern würde für mehr Neutralität und eine höhere Kurvengeschwindigkeiten sorgen. Auf unebener Straße versetzt die Hinterachse gerne harmlos beim Einlenken. Weicher Abrollkomfort ist nicht die Stärke des konservativen Capri II Fahrwerks, das in seinen Zutaten unverändert vom Vorgänger übernommen wurde. Der Zweiliter-Sechszylinder ist mit milden 90 PS bei nur 5000 Touren zwar kein Ausbund an Temperament, aber er macht das Fahren in Marcs jadegrünem Capri II stets zum erfreulichen Erlebnis. Der gusseiserne, unechte V-Motor mit den versetzten Zylinderbänken klingt nach außen hin wunderbar, bleibt bis in höhere Drehzahlregionen leise und kultiviert und lässt sich schon bei niedrigsten Touren im großen Gang willig hochdrehen. Dabei zeigt er zwar wenig Biss, lässt es sich aber ohne Murren gefallen. Die robuste Stoßstangen-Konstruktion mit dem Projektnamen Tornado stammt ebenfalls aus USA und kam1964 im Ford Taunus 20 M P5. Bei mittleren Drehzahlen sorgt die zweiflutige Auspuffanlage, die von hinten an Schubkarrengriffe erinnert, für einen dumpfen, kraftvollen Klang. Oben herauswird derV6 heiser, trompetet eindrucksvoll in hoher Tonart. Sein Drehzahllimit liegt kurzfristig bei 6200Touren, das ist für einen OHV-Motor schon sehr beachtlich. DerV6ist wirklich ein Universalgenie. Er kann alles ziemlich gut, anders als die1300er. Zum Schluss verrät Marc uns noch ein Geheimnis:„Ich habe noch einen Capri.300, einen Einser von 69 mitV4-Motor, der geht gar nicht so schlecht.“